Grengiols-Solar: Gigantische Photovoltaik-Anlage im Wallis geplant
Das Projekt «Grengiols-Solar» im Wallis sprengt die Dimensionen bisher geplanter Solaranlagen in der Schweiz. Im Saflischtal sollen auf fünf Quadratkilometern bifaziale Solarpanels installiert werden. Der Energieertrag entspräche jenem eines grossen Wasserkraftwerks.
Quelle: Google Earth
Ausrichtung und Gefälle des Hangs im Saflischtal auf dem Gemeindegebiet von Grengiols VS sind ideale Voraussetzungen für eine grossflächige Photovoltaikanlage. Auf fünf Quadratkilometern würden Reihen von Solarmodulen installiert.
In der Schweiz wird mit einem Mehrbedarf an elektrischer Energie von bald einmal über 25 Prozent gerechnet. Ohne Atomkraft dürfte die Lücke weit grösser sein. Allein im letzten Jahr ist der Stromverbrauch in der Schweiz um 4,3 Prozent gestiegen.
Energieexperten gehen davon aus, dass bis
Mitte des Jahrhunderts eine Stromlücke von 50 Milliarden Kilowattstunden
entstehen wird, im Winter werden 25 Milliarden Kilowattstunden fehlen. Um die
Energiewende zu schaffen und die Abhängigkeit von Lieferanten fossiler
Energieträger zu reduzieren, muss die Solartechnik in den kommenden Jahrzehnten
massiv ausgebaut werden. Dazu zählen auch Grossanlagen auf Freiflächen.
Energiekapazität wie bei der Grande Dixence
Gebaut werden soll eine solche Grossanlage im Saflischtal auf dem Gemeindegebiet von Grengiols VS. Der Hang, der für den Bau in Frage kommt, hat eine ideale Ausrichtung und Geländeneigung. Von einer bewohnten Siedlung wäre die Anlage nicht einsehbar. Vorgesehen ist, bifaziale Fotovoltaikanlagen zu installieren, die im Winter dank der Höhenlage und der Schneereflexion eine höhere Effizienz erreichen.
Pro Quadratmeter könnten 350 bis 500 Kilowattstunden
produziert werden, wie der «Walliser Bote» aus dem Projektdossier zitiert.
Gesamthaft entspräche der Energieertrag der auf fünf Quadratkilometern
verteilten Panel rund zwei Milliarden Kilowattstunden Strom, was in etwa der
Produktionskapazität der Grande Dixence entspricht.
Ohne Freiflächenanlagen geht es nicht
Im Auftrag des Bundesamts für Energie ging Jürg Rohrer, Dozent für erneuerbare Energien an der ZHAW, der Frage nach, wie gross das Potenzial der Solarenergie in der Schweiz ist. Seinen Berechnungen zufolge liegt dieses bei 50 Terawattstunden pro Jahr. Doch um das Potenzial ausschöpfen zu können, müsste auf 90 bis 95 Prozent der Gebäude eine Anlage installiert sein.
Realistischer Weise ist laut Rohrer jedoch mit einer Produktion von 12 bis 13 Terawattstunden zu rechnen, weil das Potenzial auf den Dächern nicht voll ausgeschöpft wird. Hinzu kommen langwierige Bewilligungsverfahren, wegen des Ortsbildschutzes sind zudem Photovoltaikanlagen auf Dächern in historischen Dorfkernen gesetzliche Grenzen gesetzt.
Die aufgrund eines realistischen Szenarios produzierten Terrawattstunden wären allerdings nur ein Drittel dessen, was der Bund in der Energieperspektive beim Solarstrom erwartet. Für Rohrer ist daher klar, dass die Versorgungssicherheit mit nachhaltig produziertem Strom ohne Solaranlagen auf Freiflächen nicht gewährleistet werden kann.
Quelle: Next2Sun
Bifaziale Solarmodule können vor allem im Winter, wenn der Bedarf am grössten ist, überdurchschnittlich viel Strom produzieren. Die Höhenlage steigert die Effizienz der bifazialen Module. Auch die Schneereflexion erhöht den Wirkungsgrad, was sich auch in tieferen Lagen nutzen lässt wie bei der Pilotanlage in Losheim am See D (Bild).
Berechnungen der Axpo zufolge wären rund 20 Anlagen in der Grössenordnung von Grengiols-Solar notwendig, um den fehlenden Strom produzieren zu können. Bei einem höheren Wirkungsgrad der bifazialen Solarpanels könnten es auch weniger sein. Bei alpinen Freiflächenanlagen besteht der grosse Vorteil darin, dass die Effizienz bedeutend höher ist als bei Anlagen im Flachland. Dies ist vor allem im Winter der Fall, wenn der Strom knapp ist.
Zum Vergleich: Die Solaranlage an der Südfasssade des
Bergrestaurants auf dem Klein Matterhorn auf 3883 Metern produziert an einem
sonnigen Wintertag rund 80 Prozent mehr Energie als eine vergleichbare
PV-Fläche im Flachland. Die Anlage in Grengiols würde zwar in tieferen Lagen
gebaut, doch gibt es im Gebiet wenig Nebel und die Schneereflexion wäre auch
auf dieser Höhe wirksam. Die Anlage liefert somit dann überdurchschnittlich
viel Strom, wenn die Nachfrage am grössten ist, also im Winter.
Investitionen von 750 Millionen erforderlich
Promotor des Solarprojekts in Grengiols ist Peter Bodenmann, der auch schon Gondosolar geworben hat. Gemäss seinem Projektplan könnte die Anlage im Saflischtal zur Förderung des «Alpengolds» im Idealfall innerhalb von 400 Tagen realisiert werden. Denn Bodenmann sagt mit Blick auf die rasch voranschreitende Gletscherschmelze: «Klimaschutz ist auch Landschaftsschutz.»
Für das Projekt Grengiols-Solar wird ohne Berücksichtigung von Fördergeldern
des Bundes für Solaranlagen mit Investitionen von 750 Millionen Franken
gerechnet. Laut dem «Walliser Boten» haben bereits namhafte Investoren
Interesse am Grossprojekt bekundet. Die Gemeindebehörden stehen dem Projekt
positiv gegenüber. Mit vergleichsweise kurzen Zuleitungen von höchstens einen
Kilometer wäre der Anschluss ans die Höchstspannungsleitung zu erreichen, die
durch das Goms führt und das Mittelland mit Strom versorgt. Im Juni will die
Gemeinde bei einer Urversammlung detailliert über das Projekt orientieren.
Der Walliser Grossrat hat zudem bereits einen Vorstoss zur
Anpassung des Richtplans angenommen. Nun gilt es, einen Nutzungsplan
auszuarbeiten, um den Bau möglicher Freiflächenanlagen im Wallis zu
koordinieren und sich mit anderen Alpenkantonen abzusprechen. Damit soll auch
den Anliegen der Landschafts- und Naturschutzverbände Rechnung getragen werden.
Um die Umsetzung von Solarprojekten zu beschleunigen, müssen zudem
Bewilligungsverfahrensvorschriften gestrafft werden.
Energiewende verläuft zu langsam
Die globale Erwärmung könnte bis Ende dieses Jahrhunderts
1,7 bis 2,4 Grad Celsius betragen. Auch die Selbstverpflichtungen der
Regierungen von 64 Ländern, auf die mehr als 89 Prozent der weltweiten
Emissionen entfallen, und prognostizierten Technologietrends reichen nicht aus,
um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Zu diesem Schluss kommt eine jüngst
veröffentlichte Studie von McKinsey.
Aufgrund von Verschiebungen im Energiemix werde sich laut der Studie die Stromnachfrage bis 2050 voraussichtlich verdreifachen. Erneuerbare Energien werden dann rund 80 bis 90 Prozent der weltweiten Stromerzeugung ausmachen, so die Prognose des Unternehmens. (mgt / sts)