Gemeinnütziges Wohnen: SBB, BWO und Genossenschaften einigen sich auf Muster-Baurechtsvertrag
Gibt die SBB künftig Land im Baurecht an gemeinnützige Bauträger ab, soll dies mit einem entsprechenden Baurechtsvertrag geregelt werden. Sie hat gemeinsam mit dem Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) und den Wohnbaugenossenschaften Schweiz einen Musterbaurechtsvertrag erarbeitet.
Nachdem insbesondere in grösseren Schweizer preisgünstige Wohnungen knappt sind, haben das BWO, die Wohnbaugenossenschaften Schweiz und die SBB gemeinsam Rahmenbedingungen für einen Muster-Baurechtsvertrag ausgearbeitet. Dies, um an zentralen urbanen Lagen mehr gemeinnützigen Wohnungsbau zu ermöglichen. Das BWO hat dabei auch den Verband Wohnen Schweiz vertreten. «Wir begrüssen, dass die SBB Areale im Baurecht für den gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung stellt», sagt BWO-Direktor Martin Tschirren. «Dieser Vertrag gewährleistet, dass die Rahmenbedingungen mit den Förderkriterien für den gemeinnützigen Wohnungsbau kompatibel sind.» Die SBB strebt laut Tschirren an, rund die Hälfte ihrer Wohnungen preisgünstig anzubieten – entweder über eigene Wohnungen oder die Abgabe im Baurecht.
Diskussionen um Neugass-Areal in Zürich
In der Vergangenheit ist es immer wieder Mal zu Diskussionen gekommen, weil auf SBB-Arealen aus Sicht von Anwohnern zu viele Wohnungen zu marktüblichen Preisen entstehen sollten. Eines der jüngeren Beispiele: Auf dem Neugass-Areal, neben dem Gleisfeld des Hauptbahnhofs Zürich, planen die SBB rund 375 Wohnungen für zirka 900 Menschen. Diese Pläne hatten fünf Jahre andauernde Diskussionen zwischen Stadt und den Bundesbahnen ausgelöst. Stein des Anstosses war der Anteil gemeinnütziger Wohnungen: Nachdem die SBB ein grossangelegten Mitwirkungsverfahren im Quartier durchgeführt hatte, bot sie an, einen Drittel als gemeinnützige Wohnungen erstellen zu lassen. Das war Vertretern seitens linker und grüner Parteien nicht genug, es sollten die Hälfte respektive zwei Drittel sein. Schliesslich kamen sie mit ihren Forderung durch: Nun sollen zwei Drittel der Wohnungen vergünstigt, die übrigen zu marktüblichen Preisen angeboten werden. – Ob dies nun definitiv ist, ist allerdings noch nicht klar: Der Verein Noigass hat eine Initiative eingereicht, die fordert, dass der Anteil gemeinnütziger Wohnungen auf dem Areal hundert Prozent betragen muss.
Mit dem Musterbaurechts-Vertrag, den die SBB nun ausgehandelt haben dürften alle Seiten zufrieden sein – wenn auch offenbar nicht das Maximum geboten wird: «Wir freuen uns, dass wir eine Einigung gefunden haben, auch wenn die Baurechtszinse für gemeinnützigen Wohnungsbau preislich an der oberen Grenze sein werden», wird Eva Herzog, Präsidentin von Wohnbaugenossenschaften Schweiz, in der Medienmitteilung des BWO zitiert. «Nun werden wir die SBB beim Wort nehmen, Areale vermehrt im Baurecht an Genossenschaften abzugeben.»
Baurechtsverträge nicht mehr jedes Mal von Grund auf verhandeln
Wie das BWO schreibt, hat die gemeinsame Regelung für alle Partner den Vorteil, dass in Zukunft Baurechtsverträge mit gemeinnützigen Wohnbauträgern nicht mehr bei jedem Projekt von Grund auf neu verhandelt werden müssen, sondern auf Basis der nun vereinbarten Rahmenbedingungen einfacher und schneller umgesetzt werden können. Die SBB schreibe jede Abgabe von SBB Land im Baurecht in einem Wettbewerb aus. Damit stelle sie in enger Zusammenarbeit mit Städten und Gemeinden sicher, dass für den jeweiligen Standort die beste Nutzung gefunden wird, heisst es weiter.
Die neue Vereinbarung regelt vor allem die Bemessung und die Entwicklung des Baurechtszinses, und sie stellt sicher, dass die gemeinnützigen Wohnungen im Sinne des Wohnraumförderungsgesetzes (WFG) auch langfristig preisgünstig sind. Denn der Baurechtszins richtet sich nach der sogenannten Kostenmiete richtet und entspricht den Kostenlimiten des BWO.
Des Weiteren soll der neue Mustervertrag dem Umstand Rechnung tragen, dass die SBB als Landeigentümerin gemäss strategischen Ziele des Bundes moderat an der Wertsteigerung der Areale partizipiert. Die SBB sei als bundesnaher Betrieb an klar formulierte Aufgaben und Ziele gebunden, schreibt das BWO. Der Eigner erwarte von der SBB, dass sie Bahnareale gezielt entwickelt und damit langfristig einen Beitrag an ein finanziell gesundes Bahnsystem leiste.
Günstige Wohnungen als Verfassungsauftrag
Die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus ist als
Verfassungsauftrag ein Ziel der Schweizer Wohnungspolitik. – Die Zusammenarbeit
zwischen SBB und gemeinnützigen Wohnbauträgern hat eine rund 100-jährige
Tradition. Diese gründet auf der Unterstützung der Eisenbahner-Baugenossenschaften,
die einst zu den Pionieren des genossenschaftlichen Wohnungsbaus zählten. (mai)