Gedeckter Einschnitt Raron der A9: Auf der Zielgeraden
Zurzeit laufen die Arbeiten am Gedeckten Einschnitt Raron der A9 im Oberwallis. Ein zentrales und tragendes Sicherungselement der Baustelle ist die Bohrpfahlwand, die gleichzeitig ein konstruktives Element des Tagbautunnels darstellt. Die Arbeiten liegen im Zeitplan, wie ein Augenschein vor Ort zeigt.
Zwischen Siders und Brig baut der Kanton Wallis im Zuge der Netzvollendung des Schweizer Nationalstrassennetzes die bisher fehlende Strecke der Autobahn A9 im Oberwallis. Die Streckenführung des Abschnitts von Siders nach Visp setzt sich aus drei Teilstrecken zusammen: Die Teilstrecke Leuk/Susten Ost bis Visp West besteht unter anderem aus dem Sektor GV Wannen und dem Gedeckten Einschnitt Raron, der die Anwohner künftig vom Autobahnverkehr entlasten soll. Am 18. März 2018 fiel der Startschuss für den Bau des Gedeckten Einschnitts Raron (GERA) als Tagbautunnel. Beim Baugrund handelt es sich um eine Lockergesteinsformation, geologisch ein durch frühere Flussläufe der Rhone geprägtes Gebiet.
Das Projekt stellt die Arbeitsgemeinschaft Gedeckter Einschnitt Raron (ARGE GERA), bestehend aus den Firmen Frutiger AG, Greuter AG und Ghelma AG Spezialtiefbau (kurz GSTB), vor zahlreiche Herausforderungen. Denn das gesamte Bauwerk liegt komplett im Grundwasser und weist einen heterogenen und weichen Baugrund aus. Da sich die Baustelle zudem entlang eines Industrie- und Wohngebiets erstreckt, muss die Baugrube sowohl deformations- und erschütterungsarm als auch wasserdicht sein.
Bohrpfahlwand als Teil des Tunnels
Die Lösung ist die Erstellung der beiden überschnittenen Bohrpfahlwände mit einer Gesamtlänge von je 1460 Metern, hinzu kommen die daran angrenzenden Wannen im Osten und Westen. Der Entscheid zugunsten der stabilen Bohrpfahlwänden basiert auf den Erfahrungen mit dem Abschnitt Turtmann, der eine ähnliche Geologie aufweist. Dort wurde der Baugrubenabschluss durch Spundwände abgesichert, worauf es zu unwillkommenen Setzungen auch weit entfernt von der Baustelle gekommen war, was zu grossen Bauverzögerungen geführt hatte.
Um die Baugrube für den Tagbautunnel GERA zu sichern, bohrt die Ghelma AG Spezialtiefbau (GSTB) seit Juni 2018 Bohrpfähle zu einer überschnittenen Bohrpfahlwand zusammen. «Die Bohrpfähle für die 1460 Meter lange Wand sind bis zu 1,3 Meter dick und reichen bis zu 45 Meter in die Tiefe», erklärt Bauführer Björn Hofer von der GSTB. Sie dient nicht nur als Bauhilfsmassnahme zur Erstellung der Baugrube. «Die Bohrpfähle werden ein permanentes statisches Gesamtsystem zur Erreichung der Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit des Tagbautunnels im Endzustand bilden», ergänzt Hofer. Erst wenn die Arbeiten an der Bohrpfahlwand beendet sind, geht es weiter mit dem Aushub und dem Betonieren der Tunnelanlage, deren Fertigstellung für 2026 anvisiert ist.
Beobachtern der Baustelle in Raron bietet sich derzeit ein eindrückliches Bild. Mit je einem Gewicht von 150 bis 170 Tonnen stehen hier die vier grössten, modernsten und leitungsfähigsten Grossbohrgeräte der Schweiz. Dem Ziel, 2400 Pfähle zu setzen, ist man schon sehr nahe. Nur noch rund 200 Pfähle sind übrig. An jedem Grossbohrgerät sind je drei bis vier Mitarbeiter der GSTB im Einsatz und bewältigen das erforderliche Pensum, je zwei Pfähle pro Tag ins Erdreich zu treiben. «Wir fahren exakt die vertraglich geforderten Leistungswerte», erklärt Hofer. Und dies trotz widriger Umstände.
Coronakrise wirkt sich aus
Zum einen beeinflusst die Witterung die Beschaffenheit und die Befahrbarkeit des Arbeitsplanums stark. Zum anderen kommen besondere Herausforderungen aufgrund der Corona-Krise hinzu. «Das Einhalten der Verhaltensregeln des Bundes auf der Baustelle klappt gut und die Mitarbeitenden setzen die geforderten Hygienemassnahmen sehr pflichtbewusst um», berichtet der GSTB-Bauführer. «Jedoch der Personentransport auf die Baustelle und die für uns elementar wichtige Ernährung, sprich eine reichhaltige warme Verpflegung über Mittag und am Abend, bedarf speziellen Einsatzes verschiedenster Parteien.» Zudem leiden die vorwiegend aus Italien stammenden Bohrarbeiter unter den Reisebeschränkungen nach Italien. «Wir hoffen diesbezüglich auf eine baldige Lockerung dieser Bestimmungen, damit diese Ungewissheit der Mitarbeiter wegfällt und sie ihre Familien besuchen können», betont Hofer.
Quelle: Ghelma AG Spezialtiefbau / David Birri
Seit zwei Jahren werden in Raron Pfähle in den Boden gebohrt.
Für die Geologie optimiert
Bei einem Projekt von dieser Grösse sind präzise Vorbereitungen essenziell, um Arbeitssicherheit, Kosten- und Termineinhaltung zu gewährleisten. Deshalb nutzte man die AVOR-Phase bei der GSTB während zirka acht Monaten intensiv, um die geforderten Leistungswerte und Qualitätsanforderungen möglichst effizient zu erreichen. «Spezielle Aufmerksamkeit ist dem nötigen Wasseraustausch vor dem Betonierprozess geschenkt worden», sagt Hofer. «Wir mussten abschätzen, welche Wassermengen zur Erreichung der Pfahlqualität nötig sind, da wir nicht auf Erfahrungen zurückgreifen konnten.»
Belastbare Hypothesen mussten auch bezüglich der Leistungsgrenzen und der damit verbundenen realistischen Leistungswerte der Drehbohrgeräte getroffen werden. Umso mehr, als der Wasseraustausch auch zeitkritisch im Pfahlherstellungsprozess stattfindet. Das Fachwissen der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der GSTB zahlte sich aus: Das Bohrwerkzeug wurde laut Hofer speziell für die anstehende Geologie optimiert und das Wasserhaltungskonzept, respektive der Wasseraustausch, wurde eigens für die Gegebenheiten entwickelt.
Die Herstellung der 2400 Pfähle erfordert rund 100'000 Kubikmeter Pfahlbeton mit einer geeigneten Rezeptur. Sie ist sulphatbeständig, damit sie nicht vom Grundwasser angegriffen wird. Den Pfahlbeton liefert die Theler AG, die Pfahlbewehrungen stammen von der Firma SABAG. Die Durchmesser der Pfähle betragen 1,3 Meter, die Pfahllängen betragen zwischen 20 und 45 Meter. Nicht nur die Anforderungen bezüglich Qualität und Dichtigkeit an die Bohrpfähle sind hoch. Auch ihre Lagegenauigkeit ist entscheidend. Um gleichmässige Bohrpfahlabstände zu erreichen, arbeitet die GSTB mit einer Bohrschablone, durch die die Pfähle dann gebohrt werden.
Einsatz des Kellybohrverfahrens
Mit Drehmomenten von bis zu 510 kN/m werden die Pfähle im Kellybohrverfahren unter Wasserauflast in den Boden gedreht. Zuerst werden Primärpfähle errichtet, zwischen denen mit Eisen armierte Sekundärpfähle gesetzt werden. Die Überschneidung der Pfähle führt zu einem wasserdichten Baugrubenabschluss. Der Arbeitsprozess beinhaltet das Eindrehen der Verrohrung, intensives Spülen der Wasserauflast, den Einbau der Pfahlbewehrung und den Einbau des Pfahlbetons durch Schüttrohre. Pro Bohrung werden rund 30 Kubikmeter Beton benötigt. Daraufhin wird die Verrohrung gezogen und die Leerbohrung verfüllt.
Vor allem das Spülen ist entscheidend für die Qualität der Pfahlwand. «Der anstehende Rohne-Schotter besteht mehrheitlich aus Feinsanden. Diese Feinsande müssen im Bohrwasser vor dem Betonieren durch sauberes Wasser ausgetauscht werden. Dieser Prozess verursacht einen enormen Aufwand und benötigt viel Inventar», erklärt der GSTB-Bauführer. Der Wasseraustausch findet durch leistungsstarke Schmutzwasserpumpen statt, die ca. 1,5 Kubikmeter pro Minute abpumpen. Die sandhaltige Wasserauflast wird nach dem Abpumpen gefiltert, gereinigt und im Herstellungsprozess wiederverwendet.
Björn Hofer arbeitet seit 13 Jahren für die GSTB und hat seither viele Projekte betreut. Trotzdem: GERA ist auch für ihn eine ganz besondere Aufgabe. «Wir bohren nun seit zwei Jahren Pfähle in den Boden. Dabei sieht die Baustelle vor und nach unseren Arbeiten genau gleich aus, man sieht von unserer Arbeit vorerst nichts. Erst danach beginnt das Ausgraben der Pfähle. Im Anschluss, also nach dem Ausgraben, erkennt man die Qualität der Arbeit.» Wenn das Team der GSTB in den nächsten Monaten den letzten Pfahl gesetzt hat, wird es also spannend.
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit der Ghelma AG.