Forschung: ETH Zürich weiht leistungsstärkste Zentrifuge Europas ein
Sieben Jahre dauerten Planung und Bau der Zentrifuge. Auf dem Campus Hönggerberg wurde nun die leistungsstärksten Anlage Europas offiziell eingeweiht. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig, vom Brückenbau bis zur Verankerung von Windrädern.
Quelle: Ioannis Anastasopoulos / ETH Zürich
Mit einer Grösse von neun Metern und einer Leistung bis zu 500 G-Tonnen ist die geotechnische Zentrifuge der ETH Zürich die leistungsstärkste in ganz Europa.
Offshore-Windparks draussen im Meer sind diversen Naturgewalten ausgesetzt. Stürme, Wellen und Erdbeben zerren an den Konstruktionen. Dabei stellt sich die Frage, wie die einzelnen Anlagen im Boden verankert werden müssen, um den Kräften widerstehen zu können. Denn es besteht die Gefahr, dass selbst bei Neigungen von 0,5 Grad mechanischen Systeme Schaden nehmen könnten, was die Nutzungsdauer von Windanlagen beeinträchtigen kann.
Ein Forschungsgebiet bilden auch Brücken. Die überwiegende Mehrheit der Brücken in der Schweiz wurde vor den 90er-Jahren gebaut, wobei erdbebensicheren Auslegungen entweder fehlen oder lediglich auf einfache Art ausgeführt wurden. In beiden Fällen ist laut Mitteilung der ETH eine Nachrüstung erforderlich. Während die Nachrüstung von Brückenpfeilern relativ einfach zu bewerkstelligen ist, kann die Verstärkung von Fundamenten schwierig, kostspielig und zeitaufwändig sein. Dies gilt laut der ETH-Mitteilung insbesondere für Pfahlgruppen, die für Brücken verwendet werden.
Auf das Hundertfache der Erdanziehung beschleunigt
Um die Kräfte von Naturgewalten simulieren und besser verstehen zu können, setzt die Wissenschaft Zentrifugen ein. In Zürich hat die Eidgenössische Technischen Hochschule ETH daher heute auf dem Campus Hönggerberg die leistungsstärkste Zentrifuge Europas eingeweiht. In Zentrifugen wird durch Rotation eine verstärkte Schwerkraft erzeugt. In der Zürcher Zentrifuge werden laut der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) Objekte bis auf 100 G beschleunigt, was der hundertfachen Erdanziehung entspricht.
Quelle: Nicola Pitaro / ETH Zürich
Der Betonzylinder mit einem Gewicht von 245 Tonnen wird im Boden verankert. Die Positionierung auf Stahlfedern ermöglichte es, die Schwingungen der geotechnischen Zentrifuge abzufedern.
Das bedeutet, dass ein Objekt, das im Stillstand 10 Kilogramm wiegt, sich in der Zentrifuge so verhält, als ob es eine Tonne wiegen würde. Diese erhöhte Schwerkraft ermöglicht es den Forschenden, Modelle von Gebäuden und anderen Strukturen unter Bedingungen zu testen, die denen in der realen Welt entsprechen. Die Zentrifuge ist laut Mitteilung der ETH sogar imstande, Modelle auf das 250-Fache der Erdanziehung zu beschleunigen.
Ursachen und Prozesse von Bodenbewegungen nachzuvollziehen
Erdbeben sind auch das Forschungsgebiet von Ioannis Anastasopoulos, Professor und Vorsteher des Departements Bau, Umwelt und Geomatik an der ETH Zürich, und seinem Team ins Spiel: «Unsere Zentrifugentests sind für die Sicherheit unserer Verkehrsinfrastruktur von entscheidender Bedeutung. Die Zentrifugenexperimente können uns zu innovativen Lösungen führen, die den CO2-Fussabdruck und die Kosten für die Nachrüstung von Fundamenten minimieren und gleichzeitig die Erdbebensicherheit verbessern.» Beispiele, wie die Erkenntnisse auf der Grundlage von Zentrifugentests Nutzen stiften können, sind beispielsweise Erkenntnisse über die Bodenbewegungen in Brienz GR oder in Leimbach ZH. Mit dem Einsatz der Zentrifuge lassen sich Ursachen und Prozesse nachzuvollziehen, die zu massiven Bodenbewegungen führen. Die vielseitigen Forschungsthemen und Einsatzmöglichkeiten zeigen, dass die Zentrifuge zukünftig rege genutzt werden dürfte.
Dabei bilden Tests auch die Basis dafür, um die Kosten für die Nachrüstung von Brückenfundamenten zu minimieren und gleichzeitig die Erdbebensicherheit zu verbessern. Die Kosten spielten für die ETH auch bei der Beschaffung der Anlage eine entscheidende Rolle, wie es in der Mitteilung heisst. Es sei ein bewusster Entscheid gewesen, keine neue Zentrifuge bauen zu lassen. Bei der Forschungsanlage handelt sich um ein ausgedientes Modell, das die ETH der Universität Bochum abkaufen konnte. (mgt / sts)
Quelle: Markus Bertschi/13Photo
Hier dreht sich die Forschungszentrifuge nur ganz langsam. Dreht sie voll auf, sind die Türen geschlossen und wird in ihr etwa getestet, wie sich ein Erdbeben auf bestimmte Böden auswirkt.