Erweiterung Kunsthaus Zürich: „Museum für Kunst und Publikum“
Nach rund zwölf Jahren Planung und Bauarbeiten ist die Erweiterung des Kunsthauses Zürich aus der Feder von David Chipperfield fertig gestellt worden und soll Massstäbe in Sachen Nachhaltigkeit setzen. Dieser Tage fand die Schlüsselübergabe statt. Im Sommer ziehen die Kunstwerke ein, im Oktober wird der Neubau offiziell eröffnet.
Berühren erlaubt – im Neubau des Kunsthauses Zürich ist teilweise erwünscht, was in Museen eigentlich verboten ist: Anfassen. Natürlich gilt dies nicht für die Exponate. Doch Besucher sollen die matt golden schimmernden Messingelemente, wie Treppengeländer oder Türfallen benutzen, damit sie Patina ansetzen. Zusammen mit dem leicht gelblich anmutenden Recyclingbeton verleihen sie der Eingangshalle ebenso wie den übrigen Räumen eine warme, einladende Atmosphäre. All dies getreu des Gedankens, dass das Kunsthaus ein „Museum für Kunst und Publikum“ sein soll.
Bunte Punkte von Pipilotti Rist
Die Kunst strahlt im wörtlichen Sinne auch gegen aussen: Auf dem Heimplatz zieht seit Kurzem eine bunte Konstruktion mit Scheinwerfern die Aufmerksamkeit auf sich, so könnte eine ausserirdische Blume aussehen. Ihr Zweck: Sie lässt einzelne, bunte Lichtpunkte über die Erweiterung, den alten Bau von Karl Moser auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes sowie über das Schauspielhaus gleiten, das ebenfalls den Platz säumt. Wie die andere Lichtinstallation, die bei Dunkelheit Reliefs auf dem Moser-Bau in Bewegung zu versetzen scheint, stammt sie von Pipilotti Rist. Entstanden sind sie mit Unterstützung der Lichtkünstlerin Kaori Kuwabara.
Allerdings dienen nicht nur Rists „Tastende Lichter“-Installationen als Verbindung zwischen Alt- und Neubau. Nebst einer unterirdischen Passage, über die man von einem Gebäude ins andere gelangen kann, stehen auch die Fassaden in Bezug zu einander. Mit seiner Hülle aus Jurakalkstein spiegelt Chipperfields Gebäude gewissermassen die Architektur von Karl Moser vis-à-vis. Dasselbe gilt für den Marmorboden in der Eingangshalle, der demjenigen im alten Teil nach empfunden ist.
Ausstellungsfläche verdoppelt
Hinter dem Kunsthaus wird zurzeit der „Garten der Kunst“ angelegt, ein öffentlicher Grünraum, der zum Verweilen einlädt und in dem auch Veranstaltungen stattfinden können. Er ist wie der Shop und die Bar auch ausserhalb der Museumsöffnungszeiten zugänglich.
Vergangenen Freitag hat nach einer rund zwölfjährigen Planungs- und Bauzeit die offizielle Schlüsselübergabe stattgefunden. Den Betrieb nimmt der Bau, mit dem das Kunsthaus Zürich zum grössten Kunstmuseum der Schweiz wird, kommenden Oktober auf. Damit können zahlreiche Werke, die nicht immer alle zu sehen waren, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ebenso erhalten die einzelnen Sammlungen den Raum, der ihnen gebührt. Dies gilt für die Bührle-Sammlung, die rund 1000 Quadratmeter belegt, aber auch für die Sammlungen Merzbacher und Looser. Insgesamt wird die Fläche des Kunsthauses mehr als verdoppelt, auf rund 11‘500 Quadratmeter.
Ein Museum für die 2000-Watt-Gesellschaft
Die Erweiterung des Kunsthauses bedeutete in mancher Hinsicht Neuland für die Beteiligten. 2008 hatte das Zürcher Stimmvolk die Anpassung der Gemeindeordnung abgesegnet, die die Umsetzung der 2000 Watt-Gesellschaft fordert. Es sei ein ökologisch vorbildliches Museum, schreibt Thomas Kessler vom Hochbauamt der Stadt in der Dokumentation zum Chipperfield-Bau. So seien die baulichen und betrieblichen Massnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit entweder nicht direkt sichtbar oder sie würden als selbstverständlich wahrgenommen.
Als Beispiel führt Kessler die Fenster an, die einen wichtigen Beitrag zur Energieeinsparung leisten; Ausserdem wird bei der Beleuchtung LED gesetzt. Zumal in der Regel vor allem das Licht in Museen besonders viel Energie frisst.
Graue Energie senken
Dank der kompakt angelegten Form des Neubaus konnte Baumaterial eingespart werden, was wiederum eine Reduktion Grauer Energie zur Folge hatte. Überdies bringt die massive Bauweise eine gute Wärmedämmung und sorgt für ein ausgeglichenes Innenraumklima. Geheizt und gekühlt werden müsse daher nur sehr wenig. Derweil sorgt eine „präzise Steuerung“ für die nötige Frischluftzufuhr für eine exakt dosierte Feuchtigkeit. Betrieben wird das Gebäude ausschliesslich mit nachhaltig produziertem Strom. Zirka einen Zehntel seines Energieverbrauchs generiert der Bau selber, mittels auf dem Dach installierten Photovoltaikanlagen.
Obzwar der Bau laut Hochbaudepartement der Stadt Zürich im Vergleich zu bestehenden Museen neueren Datums in Sachen Energiebedarf für Erstellung und Betrieb massgeblich tiefer liegt – bezogen auf die Treibgasemissionen entspricht dies einer Reduktion von 75 Prozent – trägt er kein spezifisches Label. Wie Kessler an der Medienkonferenz von vergangener Woche erklärte, liegt dies daran, dass man mit dem Kunsthaus zum Teil völlig neue Wege beschritten hatte und neue Lösungen suchen musste.
Preview im Frühling
Das Kunsthaus öffnet seine Pforten zumindest temporär – bereits vor seiner offiziellen Eröffnung kommenden Herbst: Bevor im Sommer die Kunstwerke an ihren Platz gestellt und gehängt werden, lädt das Museum im April und Mai zur Preview ein.
Die Bauherrschaft, die Stiftung und das Budget
Hinter der Erweiterung stehen die Stadt, die Zürcher Kunstgesellschaft und die Stiftung Kunsthaus Zürich, die sich zur einfachen Gesellschaft Kunsthaus-Erweiterung zusammengeschlossen haben als Bauherrschaft. Umgesetzt wurde das Projekt in einer Public Private Partnership (PPP).
Getragen wird das Kunsthaus Zürich von der Stiftung und der Kunstgesellschaft, die für den Betrieb zuständig ist. Sie gehört mit ihren über 20‘000 Mitgliedern zu den grössten Kunstvereinen Europas und wegen ihrer über 200jährigen Geschichte wohl auch zu den älteren. Das Besondere daran: Im Gegensatz zu vielen anderen Sammlungen stand am Beginn der Sammlung weder ein Fürst, noch ein Sammler oder ein Staat, sondern nur ein Kreis von kunstinteressierten Bürgern. (Mehr dazu auf www.kunsthaus.ch)
Das Budget für die Erweiterung beträgt 206 Millionen
Franken. Davon hat die Kunstgesellschaft mit zahlreichen privaten
Kunstinteressierten 88 Millionen Franken beigetragen. Die Stadt Zürich bezahlte
den gleichen Betrag, der Kanton Zürich steuert 30 Millionen aus dem Lotteriefonds
bei sowie das Bauland im kostenlosen Baurecht. (mai/mgt)