Ersatz der Spitallamm-Staumauer: Hohe Anforderungen an Beton und Anlagen
Vor der sanierungsbedürftigen Spitallamm-Staumauer am Grimselsee wird zurzeit eine neue Bogenmauer errichtet. Für den Bau wurden zwei Restbeton-Recyclinganlagen installiert. Das Projekt stellt hohe Anforderungen an Anlagen und Beton.
Quelle: SBM Mineral Processing
Kurze Wege: Direkt vor der bestehenden Staumauer entsteht das neue doppelt gekrümmte Bogenbauwerk. Per Krankübel können die unterschiedlichen Rezepturen aus den Mischanlagen direkt verarbeitet werden.
Mit der Staumauer Spitallamm ist um 1930 im Berner Oberland eine der ersten und grössten Bogengewichtsmauern errichtet worden. Ein Riss, der sich seit geraumer Zeit quer durch das Innere der Mauer zieht, sorgte für Handlungsbedarf. Anstatt das massive Bauwerk jedoch rückzubauen oder zu sanieren, entschieden sich die Verantwortlichen zu einer anderen Lösung: Unmittelbar vor dem bestehenden Bau sollte eine neue, doppelt gekrümmte Bogenmauer hochgezogen werden.
Die Kosten für das Bauvorhaben belaufen sich auf rund 125 Millionen Franken. Mit der gewählten Variante kann die Kraftwerk Oberhasli AG (KWO) als Betreiberin die Wasserkraft des Grimselsees auch während der sechsjährigen Bauzeit für die Stromerzeugung nutzen. Den Beton für die Ersatzmauer liefern zwei Anlagen der Type «Linemix 3500 CM 800-6 H» der Österreichischen SBM Mineral Processing GmbH. Wie das Unternehmen kürzlich mitteilte, liefern diese in den kurzen, aber intensiven Bausaisons auf 1900 Meter über Meer gut 900 Kubikmeter Festbeton pro Tag.
Schwierige Logistik im Hochgebirge
Die Logistik für die Grossbaustelle ist anspruchsvoll und bietet einige Herausforderungen. Denn der Transport über die Gebirgsstrassen, Stollen und Materialseilbahnen wird durch beengte Platzverhältnisse, Windgeschwindigkeiten von über 200 Stundenkilometern, Staublawinen sowie durch die hohe Schneelast und extremen Temperaturen erschwert. Hinzu kommt, dass sich die Bausaison aufgrund der schneereichen Winter auf Mai bis Oktober verkürzt. In dieser Zeit arbeiten über 70 Spezialisten der Arge Grimsel gleichzeitig auf der Baustelle im Hochgebirge.
Die hochalpine Grossbaustelle wurde 2019 erschlossen. Der Auftrag ging an die SBM Mineral Processing. Im Sommer 2020 war Baubeginn. Dank entprechendem Baustellenmanagement konnten die fast täglichen Sprengunterbrechungen und die Einschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemie jedoch gut gemeistert werden, wie SBM rückblickend schreibt. Das Unternehmen stellte daraufhin in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Servicepartner Amatech GmbH die grossen «Linemix»-Anlagen in nur drei Monaten fertig.
Quelle: SBM Mineral Processing
Rund 650 Quadratmeter Grundfläche beanspruchen die beiden «LINEMIX 3500 CM 800-6 H». Diese liefern gut 900 Kubikmeter Festbeton pro Tag.
Nach aufwendigen Testreihen wurden die Anlagen und die speziellen Betonrezepturen im September zertifiziert. Damit konnte die Betonproduktion für den Neubau der Staumauer im Juni 2021 starten. Dank einer Isolierverkleidung produzieren die Anlagen laut dem Unternehmen zuverlässig und müssen auch während der Winterpause – bei der sie teils im meterhohen Schnee stehen – nicht temperiert werden. Für den technischen Support steht die Amatech mit ihrem Ersatzteillager zur Verfügung.
Granit von Sprengausbruch für Ersatzstaumauer
Während die bestehende Bogengewichtsmauer mit bis zu 70 Meter Betonstärke am Fuss auch ihre eigenen Masse dem Wasserdruck entgegensetzt, ist die neue Mauer als schlanke, doppelt gekrümmte Bogenmauer konzipiert. Dieser Umstand stellte besondere Anforderungen an die Betonrezeptur, die eine sehr hohe Dosiergenauigkeit voraussetzte, wie SBM erklärt. Diese werde durch die Technik der Anlagen sichergestellt.
Aus der Mauerhöhe von 113 Metern und einer Kronenlänge von 212 Metern ergibt sich ein Betonvolumen von 210‘000 Kubikmetern, die in containermobilen Anlagen gemischt werden. Die «Linemix 3500 CM 800-6 H» überzeugte die Arge Grimsel. «Die Anlagen von SBM entsprechen den Anforderungen von Staumauerbeton gemäss EN 206: Vorsatzbeton, Kontaktbeton und Massenbeton für die Kernzone», so Baustellenchef Olivier Balmer in der Medienmitteilung. Für letztere Betonsorte kann mit Korngrössen bis 125 Millimetern doppelt so grosses Gesteinsmaterial verarbeitet werden als üblich.
Quelle: SBM Mineral Processing
Dank thermoisolierter Volleinhausung ist die Betonmischanlage auch ohne Zuheizung voll wintertauglich.
Dadurch könne das in der Nähe deponierte Gesteinsmaterial – 700‘000 Tonnen Grimselgranit vom Sprengausbruch eines Kraftwerksbaus aus den 1970er-Jahren – für die Betonproduktion der Ersatz-Staumauer aufbereitet werden. Beide Mischanlagen würden über Doppelwellen-Chargenmischer für Staudämme, Zuschlagstoffbeschickung über Förderbänder, Zuschlagstofflager für sechs Sorten Gestein und drei Bindemittelsilos verfügen. Der Beton wird gemäss SBM hauptsächlich auf Krankübel mit sieben Kubikmetern Nutzinhalt abgegeben.
Rückstände werden wieder Betonproduktion zugeführt
Seit 40 Jahren sei in der Schweiz keine vergleichbare Staumauer mehr realisiert worden, heisst es weiter. Die Herausforderung zur Entwicklung von Betonmischungen, die den extremen Anforderungen der einzelnen Mauerteile gerecht werden, sei entsprechend gross gewesen, wie SBM rückblickend erklärt. Wichtige Faktoren während der mehrmonatigen Testphase waren die gute Verarbeitbarkeit des Betons, die Beständigkeit gegen Witterung und Temperaturschwankungen sowie die Verwertung des vorhandenen Gesteins. Die verschiedenen Betonrezepturen wurden in Würfel gegossen und sowohl vor Ort als auch in externen Labors unter anderem auf Druckfestigkeit und Wärmeentwicklung geprüft.
Als Ergänzung lieferte das Unternehmen SBM Mineral Processing nach eigenen Angaben eine Restbeton-Recyclinganlage an die Baustelle. «Das Waschwasser, das für die Reinigung von Fahrmischer, Krankübel und Mischer verwendet wurde, wird darin verarbeitet und Rückstände werden wieder der Betonproduktion zugeführt. So entsteht ein geschlossener Materialkreislauf», erklärt Helmuth Neubacher, verantwortlich für den Vertrieb von Betonmischanlagen in der Schweiz bei SBM.
Quelle: SBM Mineral Processing
Die kompakten «LINEMIX»-Containermodule ermöglichten im schwierigen Terrain eine unkomplizierte Anlieferung der einzelnen Komponenten.
600 Arbeiter bei Bau von erster Staumauer
2025 soll die neue Staumauer fertig sein. Sie wird ebenso hoch wie ihre Vorgängerin sein, und die Bauzeit beträgt auch diesmal sechs Jahre. Allerdings wird für den Bau nur ein Bruchteil an Personal benötigt: Während vor fast einem Jahrhundert 600 Arbeiter auf der Grossbaustelle arbeiteten, sind es heute nur noch knapp 100 – dank moderner Technik und leistungsstarker Anlagen, aber auch, weil aufgrund des laufenden Kraftwerkbetriebs kein besonderer Zeitdruck besteht.
Die «Linemix»-Anlagen können dann aufgrund der modularen Bauweise unkompliziert rückgebaut und an ihren nächsten Einsatzort übersiedelt werden. Sobald die neue Staumauer in Betrieb gehen kann, werden in der Wintersaison Grund- und Betriebsdurchlass des bestehenden Damms geöffnet und oberhalb des Absenkziels zusätzliche Flutungs-Bohrungen durchgeführt, um die neue Staumauer gleichmässig zu belasten. Diese Entscheidung wurde laut SBM aus Gründen der Denkmalpflege und zur Einsparung des sehr hohen Aufwands für Abbruch und Betonentsorgung getroffen. (mgt/pb)
Quelle: SBM Mineral Processing
Die beiden Betonmischanlagen wurden unmittelbar am Fuss der knapp 90-jährigen Spitallamm-Staumauer errichtet.