Empa-Forschungscampus «co-operate» kurz vor Fertigstellung
Der neue Forschungscampus «co-operate» der Empa und Eawag in Dübendorf steht kurz vor der Fertigstellung. Die Gebäude und Anlagen auf dem Areal beinhalten verschiedenste Innovationen, die klimagerechtes Bauen demonstrieren sollen.
Quelle: SAM Architekten, Filippo Bolognese Images
Visualisierung: Zufahrt von der Überlandstrasse auf den künftigen Campus mit dem neuen Parkhaus auf der rechten Seite.
Der künftige Campus soll ein «inspirierender Raum für neue Ideen und Innovationen werden, auch mit Blick auf umwelt- und klimafreundliches Bauen der Zukunft», heisst es in einer Mitteilung der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa von Donnerstag.
Im September 2021 wurde der Grundstein für den Campus gelegt, der sich aus einem Labor- und Multifunktionsgebäude sowie einem Parkhaus zusammensetzt. Der Neubau soll ein «Musterschüler» für den schonenden Umgang mit Ressourcen und die Reduzierung des CO2-Ausstosses werden.
Vor diesem Hintergrund stecken die Gebäude und Anlagen auf dem Areal in Dübendorf voller Ideen, mit denen sich Energie sparen oder gewinnen lässt und Rohstoffe für spätere Nutzungen gewonnen werden. Alle Bauten werden zudem nach dem Standard Minergie-P-Eco realisiert.
Experimenteller saisonaler Energiespeicher
Sowohl beim Bau als auch beim Betrieb soll das Ziel «Netto Null» verfolgt werden, wie Empa-Direktor Gian-Luca Bona bereits bei der Grundsteinlegung für den Campus sagte. Erreicht werden soll dies durch eine effiziente Energieversorgung und den Einsatz CO2-neutraler Technologien.
Ein Beispiel dafür ist ein neuartiges Erdsondenfeld. Die dazu gehörenden Erdsonden befinden sich im Untergrund in 100 Meter Tiefe. Im Sommer wird in diesen «Röhren» Abwärme von Kältemaschinen, Lüftungen und Laborgeräten gespeichert, um sie dann im Winter zum Heizen oder für die Produktion von Warmwasser zu nutzen.
Das Ziel dabei: den CO2-Ausstoss der Gebäude auf dem gesamten Campus auf ein Minimum senken und die Technologie zugleich für eine nachhaltige Energiezukunft zu erkunden.
Quelle: Empa
Viel Holz hilft Beton sparen: Die Balken und Platten aus Fichtenholz für die Holz-Beton-Decke des neuen Parkhauses während der Montage.
Dünnere Betonschichten dank Hybridbauweise
Die Bauten auf dem Campus sollen auch den Ansatz zur Reduktion des CO2-Anstosses verfolgen. Dazu wurde das dreistöckige Parkhaus gemäss Mitteilung als ein Holz-Beton-Bau realisiert, dessen Decken aus einer Konstruktion aus Fichtenträgern- und Platten mit Betonüberzug bestehen.
Durch diese Hybridbauweise konnte die Dicke der Betonschichten laut der mit dem Bau beauftragten Implenia auf rund einen Drittel reduziert werden. Damit sei eine deutliche Einsparung beim Zement erreicht worden; rund 9‘300 Quadratmeter Betonrippendecken wurden mit Holzbalkendecken ersetzt.
Anspruchsvoll bei diesem Vorhaben war laut Kevin Olas, Leiter «Immobilien» der Empa, unter anderem die unauffällig integrierte Installation von Beleuchtung, Elektrotrassen und Abwasserleitungen, um die Ästhetik der Hybridkonstruktionsweise nicht zu beeinträchtigen.
Zudem musste die Planung auch künftige Aspekte berücksichtigen: Das Parkhaus wurde in Modulbauweise aus demontierbaren Fertigteilen geplant – mit Blick in eine fernere Zukunft, in der die individuelle Mobilität womöglich eine geringe Rolle spiele als heute.
Dann liessen sich nämlich Teile des Bauwerks auch für Werkstätten oder andere Zwecke nutzen.
Quelle: Empa
Die Verwendung von zwei Baustoffen mit unterschiedlichen Fertigungstoleranzen machten Planung und Montage zu einer Herausforderung.
Urin als Rohstoff für Dünger
In dieser Zukunft werde auch umweltfreundliche Kreislaufwirtschaft das Bauen bestimmen. Doch nicht nur Stahl, Beton oder Holzelemente lassen sich laut der Empa wiederverwerten, sondern auch menschliche «Rohstoffe».
Zum Beispiel Urin: Im grossen Laborgebäude im Zentrum des Campus sind sogenannte «NoMix»-WCs installiert, die Fachleute des Wasserforschungsinstituts Eawag in den letzten Jahren entwickelt haben. Ohne die gewohnte Benutzung zu verändern, trennen sie den menschlichen Urin vom so genannten Schwarzwasser aus Fäkalien, Spülwasser und Toilettenpapier.
Weil der Urin wertvolle Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Kalium enthält, lässt er sich nutzen, um Dünger für die Landwirtschaft herzustellen. In einem von der Eawag entwickelten Verfahren wird das Rohmaterial im Kellergeschoss des Nest-Gebäudes zunächst mit einem biologischen Prozess stabilisiert und verliert so den strengen Geruch.
Ein Aktivkohle-Filter entfernt dann Medikamentenrückstände, bevor die Flüssigkeit schliesslich eingedampft wird – zu einem Dünger namens «Aurin», welcher durch das Eawag-Spin-Off Vuna GmbH vermarktet wird. Aus 1000 Litern Urin entstehen 100 Liter Dünger. Seit 2018 ist dieser vom Bundesamt für Landwirtschaft auch für den Einsatz bei essbaren Pflanzen zugelassen.
Quelle: Eawag
Urin als Rohstoff: Das «NoMix»-WC trennt dank des sogenannten Teekanneneffekts den Urin ab, um ihn der Verwertung zuzuführen.
Viele Mosaiksteine für gute Klimabilanz
Neben dem unauffälligen Urin-Sammelsystem würden aber auch viele offensichtliche Details den Anspruch des Campus als Wegweiser für umweltfreundliches Bauen dokumentieren, heisst es weiter.
Zum Beispiel Photovoltaik-Installationen, welche die Eigenstrom-Produktion erhöhen sollen. Mehr als 14'000 Quadratmeter Fläche ist zudem mit Recycling-Asphalt bedeckt, der einen Anteil von 80 Prozent wiederverwertetem Material in der Tragschicht und 20 Prozent in der Deckschicht aufweist.
Auf den restlichen Flächen wurde auf Asphalt verzichtet. Bislang versiegelte Flächen wie die Ludwig-Tetmajer-Strasse auf dem Empa-Areal wurden zudem befreit. Aus der «Parkplatz-Asphalt-Wüste» werde nun eine begrünte und schattige Zone, so Olas.
Laut der Empa steht der Forschungscampus kurz vor der Fertigstellung. Ein genaues Datum wurde nicht genannt. Gemäss der Projektwebseite sollen die Bauarbeiten bis Mitte 2024 abgeschlossen sein. (mgt/pb)