Ein 25 Kilometer langer Superabwassertunnel für London
In diesen Tagen ging der „London Tideway Tunnel“ in Betrieb, ein rund 25 Kilometer langes unterirdisches Bauwerk, das die gezeitenabhängige Themse von Abwasser aber auch Regenwasser entlastet.

Quelle: Tideaway London
Der "London Tideaway"-Tunnel soll Abwasser auffangen, sodass es nicht in der Themse landet.
In der Sommerhitze des Jahres 1858 spitzten sich Londons Abwasserprobleme zu: Zusammen mit Industrieabwässern, Exkrementen und menschlichen Abfällen verwandelten die hohen Temperaturen das Zentrum der Millionenstadt im Juli und August in eine einzige, beissend stinkende, giftige Kloake. Ein grosser Teil des Drecks lief direkt in die Themse, die zudem von den Gezeiten abhängig ist. Die Monate gingen als „The Great Stink“ in die Stadtgeschichte ein.
Und sie stiessen ein Projekt der Superlative an, dessen Bau bereits im Folgejahr startete und ein Vorbild für andere Metropolen wurde: das Londoner Abwassernetz. Kopf hinter dem Projekt war der Tiefbauingenieur und Chef des Londoner Bauamts Joseph William Bazalgette. Konkret ging es dabei um insgesamt 135 Kilometer unterirdische Abwassersammler, die dafür sorgen sollten, dass verschmutztes Wasser aus den Kanälen nicht unkontrolliert in die Themse floss. Anstelle von Ziegeln und Mörtel - dieses Material hielt dem ätzenden Schmutz nicht gut genug stand - setzte er auf hochwertigen Portlandzement und auf das von ihm entwickelte, auch heute noch verwendete Querschnittsprofil in Eiform. Im Fall von London hatte letzteres eine Höhe von drei Metern. Das
Allerdings war Bazalgette bei seinem System von einer Bevölkerung von 4,5 Millionen ausgegangen, um 1900 zählte die Themesestadt bereits 6,5 Millionen Menschen. Mit dem rasanten Bevölkerungswachstum stiess das Abwassersystem schnell wieder an seine Grenzen stossen. 1890 gab es erste Erweiterungen, weitere sollten folgen. - Heute leben in London rund neun Millionen.
95 Prozent der Abwässer sollen nicht in der Themse landen
Dieser Tage ist nun nach einer Bauzeit von rund zehn Jahren ein weiterer Abwasserkanal der Superlative vollständig in Betrieb gegangen: der „London Tideaway Tunnel“ zieht sich über eine Strecke von rund 25 Kilometern im Grund der Stadt von Acton im Westen der Stadt bis zur Abbey Mills Pumping Station im Osten zieht. Er hat einen Durchmesser von 7,2 Metern – laut Medienmitteilung entspricht dies etwa drei Londoner Doppeldeckerbussen. Er ist so angelegt, dass er in Acton auf einer Tiefe von 31 Metern liegt und von dort kontinuierlich abfällt und seinen tiefsten Punkt - 66 Meter - in Abbey Mills erreicht. Ausserdem ist er an 21 Stellen mit dem viktorianischen Abwassersystem verbunden. Zusammen mit dem 6,9 Kilometer langen bestehenden Lee-Tunnel, an den er vor rund einem Jahr angeschlossen wurde, bildet er das „London Tideway Tunnel“-System (LTT), das eine Kapazität von 1,6 Millionen Kubikmeter aufweist.
Wie das „Thames Tideway Tunnel“-Konsortium in seiner Medienmitteilung schreibt gelangen so 95 Prozent der Abwässer, die ansonsten in die Themse landeten, nicht in den Fluss. Darunter auch bei starken Niederschlägen Regenwasser, das damit nicht in die gezeitenabhängige Themse gerät. (mai)