Deutscher Ingenieurpreis für mit Hilfe der Empa erstellte Brücke
Die Stadtbahnbrücke in Stuttgart-Degerloch ist für ihre neuartige Netzwerkbogen-Konstruktion aus kohlfaserverstärkten Kunststoffseilen mit dem Deutschen Ingenieurbaupreis ausgezeichnet worden; er wird alle zwei Jahre vom Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie der Bundesingenieurkammer vergebenen verliehen. - Über den Preis kann sich auch die Empa freuen, Empa-Fachleute haben die Brücke mit ermöglicht.
Quelle: sbp/Andreas Schnubel
Beinahe 130 Meter lang, rund 1500 Tonnen schwer: Die Stadtbahnbrücke bindet Stuttgart besser an den Flughafen an.
Die Netzwerkbogenbrücke mit kohlefaserverstärkten
Kunststoffseilen mit Carbon-Hängern als Innovation sei „ein weltweit überaus
gelungenes Beispiel für die Ingenieurbaukunst“ und liefere „prägende Antworten
auf aktuelle Fragestellungen im Bauwesen gibt“, begründete die Jury ihren
Entscheid.
Damit geht der mit 30‘000 Euro dotierte Preis an das international tätige Ingenieurbüro Schlaich Bergermann Partner aus Stuttgart. Es hat die Brücke von den ersten Entwürfen bis hin zum fertigen Bauwerk realisiert. Dies laut Empa mit tatkräftiger Unterstützung von Fachleuten der Empa und der Firma Carbo-Link AG in Fehraltorf, die als Spin-off-Unternehmen der Empa entstanden ist, und ihre Erfahrung mit kohlefaserverstärkten Kunststoffen (CFK) eingebracht hat.
Vorgespannte CFK-Hänger statt herkömmliche Stahlträger
Ursprünglich war geplant gewesen, die Brücke mit herkömmlichen Stahlhängern zu versehen. Lorenz Haspel aus dem Team des Ingenieurbüros hatte schliesslich die Idee, die Stahlseile durch vorgespannte CFK-Hänger zu ersetzen. Dies wiederum bedurfte umfangreicher Vorarbeiten: In Deutschland braucht es für neue Produkte und Konstruktionen dieser Art eine bauaufsichtliche Zulassung nötig – im Fall der Stuttgarter Brücke war für das völlig neue Bauprodukt eine „Zustimmung im Einzelfall“ möglich, die wiederum den detaillierten Nachweis der Eignung erforderte.
So begannen im Oktober 2016 an der Empa Fachleute um Masoud Motavalli von der Abteilung „Ingenieur-Strukturen“ mit Experimenten, die auch den Langzeit-Einsatz von Prototypen im Bahnbetrieb und die entsprechenden Belastungen simulierten. Danach wurden die dabei gesammelten Daten analysiert und bewertet. Neben Ermüdungs-Eigenschaften der CFK-Seile wurden auch Fragen zu Witterungsbeständigkeit, Blitzschlag oder Brand geklärt. Mit einkalkuliert wurde auch der Einfluss elektrischer und magnetischer Felder sowie Vandalismus.
Quelle: sbp/Andreas Schnubel
Neuer Werkstoff für eine klassische Konstruktion: Die Seile aus kohlefaserverstärktem Kunststoff und ihre Befestigung an den beiden Brückenbögen.
Wenige Monate später wurde das Gutachten nach Stuttgart geschickt, und nach einem knappen Jahr erteilte die baden-württembergische Zulassungsbehörde grünes Licht oder erlaubte unter bestimmten Auflagen vielmehr die die Verwendung von CFK-Hängern beim Bau der Brücke über die Autobahn A8.
Effizientes Tragwerk – und damit kostengünstig
Allerdings stellten sich in der Zwischenzeit Fragen wegen der Kosten, was wiederum das Projekt Frage stellte. Allerdings stellte sich zuletzt heraus, dass die Variante mit den CFK-Hängeseilen günstiger ist als eine Konstruktion mit herkömmlichen Stahlseilen. Wie die Empa schreibt, konnte die Nachhaltigkeit später von den Empa-Expererten mit Analysen im Rahmen eines anderen Projekts belegt werden, dass sowohl die CO2-Emissionen als auch der Energieverbrauch bei dem CFK-Hängeseilen deutlich niedriger sind als bei der Stahlvariante.
Angesichts der Vorteile von kohlefaser-verstärkten Kunststoffen glaubt Urs Meier von der Empa, der das Projekt unter anderem mit begutachtete, dass sie im Bauwesen laufend weitere Anwendungsbereiche erobern werden – so wie dies auch im Flugzeugbau geschehen ist. Die Ehrung mit dem Deutschen Ingenieurbaupreis dürfte dies laut Meier fördern. (mgt/mai)