Brückenbau: Mit Vorfertigung Sanierungen beschleunigen
Bei vielen Strassenbrücken in Deutschland besteht Sanierungsbedarf. Ein System modularer Fertigteile mit Carbonbewehrung könnte die Bauarbeiten beschleunigen, wie Forschungen der HTW Dresden zeigen.
Quelle: HTW Dresden – Jakob Putz
Im Herstellerwerk vorgefertigte carbonbewehrte Träger gelangten per Tieflader zur Baustelle, wo sie durch Quervorspannung zusammengefügt wurden, sodass Brücken rasch einsatzbereit sind.
In Deutschland befinden sich derzeit zahlreiche Brückenbauwerke in einem schlechten Zustand. Viele Brücken in Deutschland wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren gebaut. Besonders der Schwerlastverkehr, der in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen hat, setzt Brückenbauwerken stark zu. An vielen Stellen des Streckennetzes reicht eine Sanierung nicht mehr aus, sodass ein Ersatz der Fahrbahnflächen erforderlich ist. Der Grossteil der Strecken betrifft dabei Brücken kleinerer und kurzer Bauart mit Spannweiten von bis zu 30 Metern und weniger talüberspannende Konstruktionen. Unabhängig von der Grösse müssen die Bauwerke vor allem standsicher sein und sich in einem gebrauchstauglichen Zustand befinden, wie es in der Mitteilung der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTWD) heisst. Die Bewertung von Brücken basiert neben sichtbaren Schäden auch auf dem Tragfähigkeitsindex, der die Resttragfähigkeit des Bauwerks in Abhängigkeit von Alter und Material angibt. Und Ersatzbauten sollten unter Einhaltung nachhaltiger Kriterien kosteneffizient umsetzbar sein.
Lange Planungs- und Vorlaufzeiten
«Eines der grössten Probleme beim Bau neuer Brücken sind die langen Planungs- und Vorlaufzeiten sowie langwierige Baustellen», sagt Holger Flederer, Professor für Konstruktiven Ingenieurbau an der HTWD. Er ist ebenfalls Leiter der gleichnamigen Forschungsgruppe, die mit Blick auf den Ersatz baufälliger Brücken seit Jahren die Optimierung des Bauprozesses zum Ziel hat. «Modulare Systeme sowie die Ver-wendung von Fertigbauteilen bieten einen vielversprechenden Ansatz, um schneller und kostengünstiger zu bauen.»
Um die Erkenntnisse der Grundlagenforschung in praktische Anwendungen zu überführen, entwickelte die Forschergruppe zusammen mit der Hentschke Bau GmbH den Prototyp in modularer Bauweise einer vorgespannten Strassenbrücke mit nichtmetallischer Bewehrung. An Teilen des Forschungsvorhabens wirkte laut Mitteilung auch das Institut für Massivbau der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen mit. Als Ziele definiert waren insbesondere ein maximaler Vorfertigungsgrad, möglichst kurze Baustellenzeiten sowie der Einsatz von Carbonbewehrung. Letztere ist korrosionsbeständig und weist bei geringerem Eigengewicht eine hohe Festigkeit auf, was schlankere Querschnitte ermöglicht.
Behelfsbrücke im realen Test
Im Rahmen des Projekts «Pilotanwendung modularer Brückenbau» (PAMB) wurde eine solche Brücke unter realen Bedingungen getestet. Während der Sanierung von zwei Brücken auf der vielbefahrenen Bundesstrasse 173 diente eine aus Carbonbeton-Fertigteilen bestehende Behelfsbrücke als temporäre Umfahrung, wie es in der Mitteilung weiter heisst. Dazu wurden im Herstellerwerk fünf carbonbewehrte Träger mit einer Länge von 16 Metern vorgefertigt. Per Tieflader gelangten die Module zur Baustelle nahe Freiberg, wo Monteure sie durch Quervorspannung zusammen-fügten, sodass die Brücke innerhalb eines Tages einsatzbereit war.
Quelle: HTW Dresden – Jakob Putz
Vorgefertigte Carbonbetonträger mit überstehenden Resten der Carbonspannlitzen.
«Diese Lösung ist in mehrfacher Hinsicht innovativ und wegweisend», erklärt PAMB-Projektleiter Flederer. «Es handelt sich um einen kompletten Fertigbau ohne Betonieren vor Ort, die Längsfugen werden nicht verklebt oder vergossen. Zu den Besonderheiten zählen auch die ausschliesslich nichtmetallische Bewehrung sowie der Verzicht auf eine Asphaltdecke.» Begleitet von einem Permanent-Monitoring der Verkehr der Bundesstrasse mehr als ein Jahr lang über die Behelfsbrücke geleitet worden. Rund um die Uhr seien Daten zum Zustand des Fertigteils, zum Dehnungs-verhalten und über die Fugen erfasst und per Fernübertragung an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler übermittelt worden. Auf diese Weise liess sich jederzeit nachverfolgen, welche möglichen Auswirkungen reale Belastungsbedingungen auf das Brückenbauwerk haben, wie es weiter hiess.
System hat sich bewährt
«Sicherheit steht an erster Stelle. Wären bei den Messwerten Abweichungen aufgetreten, hätten wir sofort reagiert», sagt der Projektleiter. Es seien keinerlei Auffälligkeiten festgestellt worden. Die Brücke habe den Test bestand. Inzwischen habe sie ihren Zweck erfüllt und werde demnächst an anderer Stelle erneut zum Einsatz kommen. Konzeption und Planung lagen laut dem Beitrag der Hochschule in den Händen der HTWD. Weil für die neuartige Bauweise noch kein Regelwerk existiere, seien für den Praxistest behördliche Sondergenehmigungen und -prüfungen erforderlich gewesen. Dass das Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden konnte, ist laut dem Projektleiter vor allem der sehr guten Zusammenarbeit mit sämtlichen Beteiligten zu verdanken.
Wiederverwendbare Module
Mit Fertigteilen lasse sich kostengünstiger, schneller und nachhaltiger bauen, weil langwierige Planungen, Prüfungen und Genehmigungsverfahren in Zukunft wegfallen könnten. Alle Abklärungen müssten nur einmal im Vorfeld der Serienfertigung erfolgen. Danach könnten Bauteile für eine neue Brücke unter Angabe der Spannweite kurzfristig bestellt und produziert werden, ähnlich wie dies bei einer Warenbestellung per Katalog der Fall sei. Aufgrund der modularen Bauweise sei die Breite variabel. Allerdings müssen die Bauteile auf eine Art dimensioniert sein, dass der Transport zur Baustelle und der Einbau mit gebräuchlicher Technik bewerkstelligt werden können, wie es im Beitrag der Hochschule heisst.
Quelle: HTW Dresden – Jakob Putz
Einhub der Brückenträger bei der Baustelle.
Falls die Brücke lediglich temporär benötigt werde, könnten die Module problemlos an anderer Stelle erneut verwendet werden. Weil eine vollständige Carbon-bewehrung wie beim PAMB-Projekt derzeit nicht für alle Belange die beste Lösung sei, biete sich auch eine Kombination von metallischer und nichtmetallischer Bewehrung an. Ziel weiterer Forschungen an der HTWD sei es, insbesondere beim Bau kleinerer Brücken die Verwendung industriell in Serie gefertigter Bauteile voranzubringen. Es gelte, weiteres Grundlagenwissen zu schaffen und einsatzfähige bauliche Lösungen zu entwickeln, so Flederer. Gleichzeitig solle die Forschung Entscheidungsträgern für Infrastrukturprojekte die Vorteile aufzeigen, um sie für den Fertigteilbau zu gewinnen. Erfolgversprechende Gespräche seien bereits am Laufen, wie es weiter hiess.
Der Beitrag wurde zuerst auf der Site der HTW Dresden veröffentlicht.