Berlin: Neues Leben oder Ende für Gasometer Schöneberg?
Der stillgelegte Gasometer Schöneberg in Berlin steht unter Denkmalschutz. Nun soll die über 100jährige Stahlkonstruktion zu neuem Leben erweckt werden, als Hülle eines Bürogebäudes. Das Projekt polemisiert.
Das Industriedenkmal hat seine Spuren
auch in der Kunst hinterlassen: Kurz nachdem der Gasometer Schöneberg 1913 in
Betrieb gegangen war, porträtierte Ernst Ludwig Kirchner die Stahlkonstruktion.
Mehr oder weniger zur selben Zeit faszinierte der Bau auch den
US-amerikanischen Maler Lyonel Feininger, der ihn ebenfalls verewigte.
Mit einer Höhe von 78 Metern und einem Nutzvolumen von 160‘000 Kubikmetern war
der Gasometer damals einer der grössten seiner Art in Europa. Er sollte zwei
Weltkriege überstehen. 1994 wurde er unter Denkmalschutz gestellt und im Jahr
darauf stillgelegt.
Nun soll der Gasometer zu neuem Leben erweckt werden – als
Fassade eines Bürohauses: Im Innern des zylinderförmigen Gerippes, mit einem
„Respektabstand“ von rund einem Meter zur alten „Hülle“, ist ein dem
einstigen auf- und abfahrenden Teleskopbehälter nachempfundenes Glasgebäude
geplant. Es soll bis zum zweitletzten Ring reichen und nebst einem
Konferenzzentrum auch eine Skylounge umfassen.
Die Bauarbeiten sind bereits im Gang. Seit vergangener Woche
wird die Kuppel im unteren Bereich des Bauwerks entfernt. Läuft alles nach Plan,
kann das Gebäude 2023 bezogen werden. Es wird mit Baukosten von rund 200
Millionen Euro gerechnet.
Bürgerinitiative wehrt sich gegen Umbau
Quelle: Gasometer Tour
Die Besucher der geplanten Skylounge sollen die spektakuläre Aussicht auf die Stadt geniessen können.
Das Stahlgerüst bleibe in seiner Pracht erhalten und
sichtbar, schreibt die Eigentümerin und Bauherrin, die Euref AG, auf ihrer
Website dazu. Mit jedem Geschoss werde gleichzeitig das Stahlgerüst
denkmalgerecht mit Hilfe von Laser- und Sandstrahltechnik in Stand gesetzt.
Doch das Projekt, das auch den Segen der Denkmalpflege
erhalten hat, passt nicht allen. Der Umbau polarisiert. Unter dem Titel
„Gasometer retten“ startete eine Bürgerinitiative im November eine
Online-Petition zur Rettung des Industriedenkmals. Mittlerweile sind rund 6000
Unterschriften zusammengekommen.
Bald werde der Gasometer „ein weiterer gesichtsloser
Büroturm“ sein, heisst es auf der Website der Initiative. „Dunkel und klobig,
verwechselbar mit der Billig-Architektur, die überall entsteht“. Nebst
einer „Verschandelung des Industriedenkmals“ fürchten die Initianten unter
anderem, dass der Gasometer während der Bauarbeiten beschädigt wird. Sie
fordern daher, dass mittels eines unabhängigen Gutachtens geklärt wird, ob der
Ausbau den Gasometer gefährdet. Zudem verlangen sie, dass man sich an eine
Bauhöhe von nur bis dritten Gerüstring hält.
„Gigantische Planung“
Der Widerstand gegen das Projekt ist allerdings einiges
älter als die Initiative: Das Gelände, auf dem der Gasometer steht, erstreckt
sich über rund 5,5 Hektaren. Zudem stehen hier noch weitere
denkmalgeschützte Bauten. 2007 hatte der Projektentwickler Reinhard Müller das
Areal erworben und die Euref gegründet, um auf dem Areal ein neues
Stadtquartier zu schaffen. Ein Jahr später formierte sich die „Bürgerinitiative
Gasometer“, die sich gegen die „gigantische Planung“ wehrte.
Unterdessen ist der Campus zu einem grossen Teil realisiert, und laut Euref „in nur einem Jahrzehnt zu einem europaweit einmaligen Zentrum für Innovation und Kommunikation in der Energiewirtschaft geworden“.
Internettipps
Informationen zum Projekt von Euref: https://euref.de/gasometerausbau
Bürgerinitiative „Gasometer retten“: www.gasometer-retten.de