13:30 BAUPROJEKTE

Atomendlager: Geologische Verhältnisse sprechen für Tiefenlager Nördlich Lägern

Teaserbild-Quelle: Nagra

Die geologischen Verhältnisse sind für ein Tiefenlager im Gebiet Nördlich Lägern laut Nagra am besten. Verpackungsanlagen beim Zwischenlager Würenlingen seien raumplanerisch die beste Lösung. Die Standortgemeinden sollen Abgeltungen erhalten. 

Visualisierung Oberflächenanlage beim Habertal

Quelle: Nagra

Visualisierung der Oberflächenanlage des Tiefenlagers, das unter dem Haberstal in der Zürcher Gemeinde Stadel gebaut werden soll.

«Es war ein eindeutiger Entscheid, die Geologie hat gesprochen», sagte Matthias Braun, der Chef der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra), am Montag in Bern vor den Medien. 

Nördlich Lägern, das Gebiet bei der Zürcher Gemeinde Stadel, sei der beste Standort mit der grössten Sicherheitsreserve. Der Opalinuston im dortigen Untergrund sei die wichtigste geologische Barriere für das Lager. Das Gestein sei sehr dicht, binde radioaktives Material und heile sich bei Brüchen selber. 

Opalinuston am besten geeignet 

An allen drei zuletzt evaluierten Standorten sei der Opalinuston in andere Schichten eingebettet, so Braun. In Nördlich Lägern sei aber die Qualität des Steinstapels die beste, die Distanz zu der den Einflüssen von aussen ausgesetzten Oberfläche die grösste und der für die ungestörte Lagerung der radioaktiven Abfälle geeignete Bereich am grössten. 

Dass die Verpackungsanlagen beim Zwischenlager Würenlingen erstellt werden könnten, schone Ressourcen und sei raumplanerisch die beste Lösung, sagte Braun. Die Kosten der Endlagerung, die sich auf rund 20 Milliarden Franken belaufen werden, hätten keine Rolle bei den Standortentscheiden gespielt. Es sei nur um sicherheitskritische Fragen gegangen. 

Bis voraussichtlich Ende 2024 will die Nagra nun die Rahmenbewilligungsgesuche für das Tiefenlager beim Bund einreichen. Voraussichtlich ab 2029 werden Bundesrat und Parlament darüber entscheiden. Kommt ein Referendum zu Stande, kann auch die Stimmbevölkerung mitreden. 

So soll das Tiefenlager dereinst aussehen. (Video: Nagra)

Abgeltung der Gemeinden 

Die vom Bau des Endlagers für radioaktive Abfälle betroffenen Gemeinden sollen entschädigt werden für die Übernahme der Verantwortung für die Lösung dieser nationalen Aufgabe, sagte der Zürcher Regierungsrat Martin Neukom (Grüne) an der Medienkonferenz. 

Die Diskussion um die Abgeltung werde intensiv sein. Es gehe um die Frage des Radius und die Frage, welche Gemeinde wie viel Geld erhalten solle. Laut Neukom sollen auch die anliegenden deutschen Gemeinden involviert werden. Für die Abgeltung stehe man auch in Kontakt mit Swissnuclear, dem Verband der Schweizer Kernkraftwerksbetreiber. Nicht daran beteiligt ist die Nagra. 

Das Resultat der Abgeltungsverhandlungen sollte zum Beginn der Vernehmlassung vorliegen, ergänzte Monika Stauffer, Leiterin Sektion Radioaktive Abfälle beim Bundesamt für Energie (BFE). Die Abgeltungen sollten in einem Wirkungsperimeter ausbezahlt werden und für regionale Entwicklungen gebraucht werden. 

Keine Abgeltung für Private 

Abgeltungen gingen an die Gemeinden, aber nicht an die Kantone Zürich und Aargau, hielt Neukom fest. Die Kantone wollten die Gemeinden aber in den Verhandlungen unterstützen. Private erhalten keine Abgeltung, sondern allenfalls eine gesetzlich vorgeschriebene Entschädigungen für Schäden. Zu möglichen Abgeltungssummen wurden keine Angaben gemacht. 

Visualisierung Verpackungsanlagen beim Zwischenlager Nagra

Quelle: Nagra

Visualisierung der Verpackungsanlagen beim Zwischenlager Würenlingen.

Der Zürcher Regierungsrat und Vorsitzende des Ausschusses der Kantone im Sachplan geologische Tiefenlager, Neukom, stellte fest, die Zürcher Regierung habe den Standort nicht gewünscht. Aber sie habe von Beginn weg gesagt, dass Sicherheit Vorrang haben müsse. «Deshalb müssen wir akzeptieren, dass die Sicherheit zuoberst steht bei der Standortwahl», so Neukom. Die Kantone würden das Projekt weiter prüfen.

Überprüfung durch Ensi 

Die Nagra-Standortwahl wird nun anhand von neun zentralen Fragen vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi überprüft. Das Ensi verwendet dazu die geologischen Daten und Sicherheitsanalysen, wie Felix Altorfer, Leiter Aufsichtsbereich beim Ensi erklärte. Es sollen zudem internationale Experten beigezogen werden.

Bei der Überprüfung gehe es um die Sicherheit und die technische Umsetzung. Der dauerhafte Schutz von Mensch und Umwelt, beispielsweise beim Grundwasser, müsse gewährleistet werden. Das Ensi steht dabei laut Altdorfer allen Interessierten bei Fragen zur Sicherheit zur Verfügung. (sda/pb)


Standortvorschlag Atommüllendlager Nagra

Quelle: Nagra

Der Standortvorschlag: Nördlich Lägern, das Gebiet bei Stadel, ist laut Nagra der beste Standort mit der grössten Sicherheitsreserve.

Verständnis für Nagra-Entscheid bei Standortgemeinden

Die von den Nagra-Entscheiden direkt betroffenen Kantone Zürich und Aargau sowie Würenlingen äussern Verständnis für die Standortwahl. Sie fordern nun vertiefte Abklärungen und angemessene Abgeltungen. Nach Ansicht der Schweizerischen Energiestiftung (SES) ist es dafür noch zu früh. Die Kernkraftwerksbetreiber sehen einen Meilenstein erreicht. 

Die Zürcher Regierung habe den Standort Nördlich Lägern nicht gewünscht, stellte der Zürcher Regierungsrat und Vorsitzende des Ausschusses der Kantone im Sachplan geologische Tiefenlager, Martin Neukom, am Montag fest. Aber die Zürcher Regierung habe von Beginn weg gesagt, dass Sicherheit Vorrang haben müsse. «Deshalb müssen wir akzeptieren, dass die Sicherheit zuoberst steht bei der Standortwahl», so Neukom. 

Sollte das geologische Tiefenlager im Kanton Zürich zu liegen kommen, seien den Gemeinden Abgeltungen in angemessener Höhe zu gewähren. Vorbereitungen für die Verhandlungen mit allen Beteiligten seien bereits aufgenommen worden.

Nachvollziehbarer Entscheid für Würenlingen 

Der Aargauer Regierungsrat forderte zum Nagra-Entscheid, beim bestehenden atomaren Zwischenlager in Würenlingen AG eine Verpackungsanlage für das Endlager zu bauen, vertiefte Abklärungen. Die Standortgemeinde wolle Verantwortung übernehmen. Verschiedene offene sicherheitsrelevante Punkte seien bis zur Eingabe des Rahmenbewilligungsgesuchs vertieft zu prüfen, so der Regierungsrat am Montag. 

Synergien und die Bündelung von Ressourcen und Kompetenzen sowie die Minimierung sicherheitsrelevanter Schritte im Prozess seien nachvollziehbare Kriterien. Untergeordnet seien aber raumplanerische Argumente. Noch offene Punkte in Bezug auf den Transport der verpackten Brennelemente müssten als integrierender Bestandteil ebenfalls vertieft untersucht werden. 

Auch die Standortgemeinde Würenlingen will mitarbeiten. Die Gemeinde werde sich «weiterhin aktiv am Planungs- und Gestaltungsprozess dieses Jahrhundertprojekts beteiligen und Verantwortung übernehmen», teilte der Gemeinderat am Montag mit. 

Der Schaffhauser Regierungsrat will den Nagra-Entscheid ebenfalls kritisch prüfen und fordert Kompensationen. Die zwei Schaffhauser Gemeinden Rüdlingen und Buchberg würden vom Standortentscheid Nördlich Lägern erheblich belastet. Der Kanton erwartet, dass die betroffenen Gemeinden und die Standortregion mit umfassenden, rechtlich gesicherten Abgeltungen entschädigt werden. 

Erleichterung im Weinland 

Mit Erleichterung haben erwartungsgemäss die Weinländer Gemeinden Benken ZH und Marthalen ZH auf den Entscheid der Nagra reagiert. Der Bevölkerung von Nördlich Lägern als vorgeschlagenem Standort für das atomare Tiefenlager zolle man grossen Respekt. Das Gebiet im Zürcher Weinland erfülle die hohen raumplanerischen Anforderungen für eine solche imposante Oberflächenanlage nicht, teilte der Benkemer Gemeinderat am Montag mit. 

Kritik gibt es in der 15 Kilometer entfernten deutschen Nachbarschaft. Die Bürgermeister am Hochrhein stellten bereits am Wochenende fest, dass bei Atomtransporten zum Endlager bei einer Havarie die Grundwasserströme der Aare und auch am Rhein und damit die Trinkwasserquellen gefährdet seien. Ebenso werde ein immenser Imageschaden für den Tourismus befürchtet. 

Entscheid für NGOs zu früh gefallen 

Als verführt kritisierten die Schweizerische Energiestiftung (SES) und andere regionale Nichtregierungsorganisationen (NGO) den Standortentscheid zum Atomendlager. Zu viele ortsunabhängige Fragen sein noch offen, teilten die Organisationen am Montag mit. So gebe es etwa keine verbindlichen Abbruchkriterien für das Tiefenlagerprojekt in Nördlich Lägern. 

Defizite sehen die NGOs auch bei der Lagerung und der Überwachung: So bestünden noch Wissenslücken beim Lager-, Barriere- und Behälterkonzept sowie ungeklärte potentielle Nutzungskonflikte im Untergrund – etwa beim Einfluss auf das Tiefengrundwasser. 

Die Allianz Atomausstieg forderte am Montag, dass auf den Standortentscheid nun ein Atom-Ausstiegsfahrplan folgen müsse. Ohne eine endgültige Begrenzung der Betriebsdauer der Atomkraftwerke stehe das Projekt eines Tiefenlagers auf wackligen Beinen. Bei der Wahl des Standorts müsse das Volumen des einzulagernden Abfalls berücksichtigt werden, das von den Abschaltterminen abhänge. 

Der Verband der Schweizer Kernkraftwerksbetreiber (Swissnuclear) begrüsste die Bekanntgabe der Standortvorschläge durch die Nagra. Damit wurde ein wichtiger Meilenstein für eine sichere Entsorgung sowohl der radioaktiven Abfälle aus den Schweizer Kernkraftwerken als auch der aus der Medizin, Industrie und Forschung stammenden Abfälle des Bundes erreicht. (sda) 

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