09:41 BAUPRAXIS

Zusätzlicher Hochwasserschutz für Zürich

Teaserbild-Quelle: Alfons J. Kopf pixelio.de

Das Hochwasser-Schadensrisiko in Zürich und dem unteren Sihltal gehört schweizweit zu den höchsten. Dies liegt vor allem daran, dass sich die wachsende Stadt in die natürlichen Überschwemmungsgebiete der Sihl ausgebreitet hat. Ein Entlastungsstollen zwischen Langnau am Albis und Thalwil soll zukünftig gegen Extremhochwasser schützen.

Etwa alle hundert Jahre treten in Zürich die Sihl und die Limmat über die Ufer. Das letzte starke Sihl-Hochwasser wurde 1910 registriert. Weite Teile der Stadt und des Limmattals standen bis nach Schlieren unter Wasser. Hochwasser gibt es seitdem immer wieder. Bei den letzten Hochwassern von 1999, 2005 und 2007 blieb eine Katastrophe mit weitflächigen Überflutungen in der Innenstadt jedoch aus. Denn die Unwetter mit Starkregen entluden sich vor allem im Berner Oberland, zudem waren vorsorgliche Massnahmen getroffen wurden. Doch diese genügen nicht mehr.

Das Problem stellen dabei nicht die Flussläufe dar, sondern die zunehmende Überbauung der Flächen, auf denen sich früher Sihl und Limmat bei Hochwasser ausbreiten konnten. Der Sihlschwemmkegel ist mittlerweile vollständig überbaut. Das Hochwasser-Schadensrisiko im unteren Sihltal und der Stadt Zürich gehört gemäss Baudirektor Markus Kägi schweizweit zu den schweizweit höchsten. Es ist vergleichbar mit dem Alpenrhein und dem Rhonetal. Ein Extremhochwasser der Sihl wie 1846 würde heute Schäden von 6,7 Milliarden Franken anrichten. Hinzu kämen volkswirtschaftliche Folgekosten durch den Ausfall der Infrastruktur für Energie, Telekommunikation und Verkehr, die die materiellen Schäden um ein Mehrfaches überstiegen. Im Überschwemmungsgebiet von Sihl und Limmat wären je nach Ausmass eines Jahrhunderthochwassers 1500 bis 3600 Gebäude, zudem zahlreiche Verkehrsverbindungen betroffen.

Entlassungsstollen Thalwil beste Lösung

Der Regierungsrat hat beschlossen, zum Schutz gegen Extremhochwasser der Sihl den Entlastungsstollen zwischen Langnau am Albis und Thalwil weiter zu projektieren. Bereits 2015 wurde ein Kredit von 4,65 Millionen Franken bewilligt. Gleichzeitig prüfte man eine weitere Variante der Hochwasserableitung aus dem Sielsee in den oberen Zürichsee durch die Druckleitung des Etzel-Pumpspeicherkraftwerks.

Nach einem Vergleich der möglichen Lösungen hat sich der Regierungsrat für die Weiterprojektierung des Entlastungsstollens Thalwil entschieden. Dafür und für die teilweise vorgezogene Ausführungsplanung hat er weitere 2,5 Millionen Franken bewilligt. Für den Entlastungsstollen Thalwil sprechen die hohe Zuverlässigkeit durch die Unabhängigkeit von Wettervorhersagen, das sehr gute Kosten-Nutzen-Verhältnis und die geringen ökologischen Auswirkungen.

Nutzung nur im Extremfall

Der Einlauf des Entlastungsstollens bei Langnau am Albis soll unterhalb des Schwemmholzrechens liegen, der im Juni 2017 eingeweiht wurde. Das Einlaufbauwerk muss so gestaltet werden, dass kleinere und mittlere Hochwasser weiterhin die gesamte Sihl durchfliessen. Die vom Gesetz verlangte Flussdynamik zugunsten des Geschiebehaushalts und die Alimentierung des Grundwassers kann somit gewährleistet werden. Erst bei grossen Hochwassern würde sich das Wehr am Stolleneinlauf selbsttätig öffnen. Dies wäre nach heutigen Erkenntnissen etwa alle 20 Jahre der Fall.

Der Stollen wird auf Extremereignisse ausgelegt, wie sie statistisch gesehen nur alle 500 Jahre zu erwarten sind. Dieser hohe Schutzgrad ist aufgrund des enormen Schadenpotenzials und der grossen Bedeutung des Lebens- und Wirtschaftsraums im unteren Sihltal und der Stadt Zürich nötig.

Geringer Anstieg des Pegelstandes

Der Stollenauslauf ist direkt neben der Abwasserreinigungsanlage (ARA) Thalwil im Bereich des Strandbads «Bürger 1» vorgesehen. Die Weiterprojektierung soll mit dem geplanten Ausbau der ARA und der Neugestaltung des Seeufers abgestimmt werden. Die Planung erfolgt in enger Absprache mit der Gemeinde Thalwil. Auch ökologisch ist das Projekt vertretbar. Fachleute haben ermittelt, dass die Umleitung von extremen Sihl-Hochwasserspitzen in den Zürichsee nur zu einem geringen zusätzlichen Anstieg des Seespiegels von rund fünf Zentimetern führen würde. Dieser Anstieg kann ausgeglichen werden durch die Erhöhung der Abflusskapazität der Limmat bei der Münster- und Rathausbrücke in Zürich, wo bereits entsprechende Anpassungen in Planung sind.

Die Kosten für den Entlastungsstollen, das Einlauf- und Auslaufbauwerk sowie die ökologischen Ersatzmassnahmen werden auf 130 Millionen Franken geschätzt. Nach Abschluss der Projektierung ist die Projektfestsetzung durch den Regierungsrat und anschliessend die Kreditgenehmigung durch den Kantonsrat erforderlich. Nach heutiger Planung ist eine Bauzeit von zweieinhalb Jahren nötig, der Stollen steht somit frühestens 2023 zur Verfügung.(cb/mgt)

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