14:17 BAUPRAXIS

Woker Wohnen: EPFL-Architektin will weniger heteronormative Wohnungen

Teaserbild-Quelle: not credited, Gemeinfrei, Wikipedia

Die Waschmaschine als Mittelpunkt des Herzstück, ein zur Türe umfunktionierter Kleiderschrank und und Spiegel statt Glas für ein positives Selbstbild: Das ist Claire Loboz‘ neue, inklusive Wohnwelt. Die Architektur-Absolventin der EPFL stellt der hergebrachten, in ihren Augen heteronormativ geprägten Raumaufteilung von Wohnungen in ihrer Masterarbeit eigenwillige Lösungen gegenüber.

Claire Loboz mit Modell

Quelle: Murielle Gerber / 2021 EPFL

Claire Loboz macht Fragzeichen bei der hergebrachten Raumaufteilung von Wohnungen.

Ihr Gedanke dahinter: Während sich die Gestaltung der Wohnräume seit beinahe zwei Jahrhunderten kaum verändert hat, haben sich die Lebensstile in derselben Zeit gewandelt. Und so schränkt denn laut Loboz die vor allem von Männern gestaltete Raumaufteilung die Lebensweise vieler ein. "Ich glaube, dass die Gestaltung unserer Häuser einen direkten Einfluss auf unsere Art zu leben hat“, erklärt Loboz. „Architektur übt eine soziale Macht aus. Klar, dass die Räume, die uns umgeben, uns auch prägen.“

Loboz hat sich früh für das Thema interessiert. Bevor sie überhaupt gewusst habe, was das Wort Feministin bedeute, heisst es dazu in der Medienmitteilung der EPFL. „Ich las alles, was ich über den Zusammenhang zwischen Gender Studies und Architektur in die Finger bekommen konnte.“ Obwohl die ersten Texte aus den 1990er Jahren stammten, sei nichts unternommen worden, um solche Idee in konkrete Projekte umzusetzen. „Das ist irgendwie überraschend“, so Loboz.

Typische Stadtvillen in Lausanne werden queer

Mit ihrer Masterarbeit hat die angehende Architektin nun einen Schritt in diese Richtung getan: Nachdem sie sich während eines Semesters mit theoretischer Forschung beschäftigt hatte, wollte Loboz, ihre Erkenntnisse in die Tat umsetzen. Sie suchte sich dazu vier, für Lausanne typische Stadtvillen aus dem 19. Jahrhundert aus und gestaltete ihre Grundrisse komplett um: „Mein Entwurf ist für alle gedacht. Nicht nur junge, freigeistige Stadtbewohner sondern auch konventionelle Familien sollen in darin bequem wohnen können.“

Manche Veränderungen, die sie vorschlägt, sind symbolischer Natur. Zum Beispiel begehbare Kleiderschränke als Türen. Damit spielt Loboz auf den Ausdruck von „in the closet“ an, was bedeutet, dass jemand seine sexuelle Orientierung vor anderen versteckt. Darauf wiederum gründet der Ausdruck „Coming out“, was wiederum die verkürzte Form von „coming out of the closet“ ist.

Andere Vorschläge sind humorvoll gedacht und sollen gleichzeitig zum Nachdenken anregen. Dies gilt etwa für die Waschmaschine anstelle des Kamins im Wohnzimmer: „Frank Lloyd Wright rückte den Kamin in die Mitte des Wohnzimmers, um es zu einem Ort der Entspannung zu machen“, erklärt Loboz. „Aber geniessen konnten ihn nur die Männer, weil die Frauen ja mit der Hausarbeit beschäftigt waren.“ Somit soll die Waschmaschine im Zentrum des Hauses eine Hommage an die Feministinnen der 1960er-Jahre sein, die sich gegen die „Unsichtbarkeit der Hausarbeit“ wehrten.

Der Playboy lässt grüssen

Inspirationen fand Loboz für ihre Umgestaltung ironischerweise auch im Playboy-Magazin: Dieses propagierte eine Architektur, die den „Playboy“ aus den Fesseln der für Familien konzipierten Architektur zu befreien suchte. Unter anderem eben mit luxuriösen Wohn- respektive Vergnügungslandschaften. So schlägt Loboz auf den ersten Blick ähnliche Pools vor, wie sie in manchen alten Playboyaugaben zu sehen sind. Ersetzte aber die Fenster die Blicke ins Geschehen unter Wasser und besondere Perspektiven auf die Schwimmenden gewähren mit Spiegeln. Dies, um den Badenden positive Körperbilder zu vermitteln.

Des Weiteren hat Loboz hat die Treppenhäuser in Begegnungsräume umgewandelt und schlägt sie ein System aus Vorhängen und Schiebetüren, damit je nach Bedürfnis private Räume und separate Wohnungseingänge geschaffen werden können. Damit will Loboz dafür sorgen, dass sich die Räume an die sich im Laufe der Zeit wandelnden Bedürfniss ihrer Bewohner anpassen können: „Heutige Familien entstehen, trennen sich und bilden sich wieder neu. Es ist Zeit, dass sich die Architektur darauf einstellt.“ (mai)

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