11:43 BAUPRAXIS

Wohnungen statt Büros: Umnutzung kommt in Mode

Geschrieben von: Ben Kron (bk)
Teaserbild-Quelle: Ben Kron

Freie Wohnungen sind in der Schweiz knapp, hingegen stehen vielerorts Büroräume leer. Da zudem die Mieten beständig steigen, mehren sich in einigen Städten Umnutzungsprojekte. Die Umwandlung von Büros zu Wohnungen ist aber mit einer Reihe von Herausforderungen verbunden.

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Quelle: Ben Kron

Das ehemalige PTT-Hochhaus in Ostermundigen, am Stadtrand von Bern, wird zum Wohngebäude umfunktioniert.

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Quelle: Ben Kron

Da die Fassade unter Denkmalschutz steht, werden für die Sanierung entfernte Brise-Soleil-Elemente auf dem Gelände zwischengelagert und am Ende wieder eingebaut.

Die Bevölkerung der Schweiz ist in den letzten zehn Jahren um zehn Prozent gewachsen. Zugleich sank die Zahl der pro Jahr neu erstellen Wohnungen von über 53’000 auf 46’700, wie der «Beobachter» ausgerechnet hat. Der Bedarf liegt aber bei rund 72’000, weshalb der Bund mit einem jährlichen Defizit von 10’000 Wohnungen rechnet. Und dies bei stagnierender Wohnbautätigkeit.

Die logische Folge: Eine Mietwohnung zu finden, wird in der Schweiz immer schwieriger. Wie eine Studie der Raiffeisen-Bank ergab, sank der Leerwohnungsbestand das vierte Jahr in Folge und liegt nun noch bei 1,44 Prozent. Vor einem Jahr waren es zum Stichtag am 1. Juni noch 1,6 Prozent gewesen. Das Bundesamt für Statistik meldet zum selben Datum gar noch eine Leerwohnungsziffer von 1,08 Prozent. Mit anderen Worten: Der Wohnungsbau hinkt immer weiter hinter dem Bevölkerungswachstum her. Besonders prekär ist die Lage in den Städten: Zürich als Paradebeispiel hat gerade noch 0,06 Prozent freistehende Wohnobjekte – trotz intensiver Wohnbautätigkeit in den letzten Jahren.

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Quelle: Ben Kron

Auf den einzelnen Stockwerken folgt als nächstes das Erstellen und Einteilen der bestehenden Obergeschosse in ansprechende Wohngrundrisse.

Immer mehr leere Büros

Auf der anderen Seite stehen in der Wirtschaftsmetropole aktuell rund 200’000 Quadratmeter Büroflächen leer, teilweise auch längerfristig. In Zahlen betrug der Büro-Leerstand 3,5 Prozent, in den Vororten sogar 14,6 Prozent, so die Immobilienberatung CBRE. Das Unternehmen spricht von einer Trendumkehr bei der Büroverfügbarkeit, denn die Leerstände steigen auch in anderen Städten: In Basel stiegen sie von 3,7 Prozent Ende 2019 auf 5,4 Prozent Ende 2023. In Bern liegen die Zahlen etwas tiefer: Gemäss JLL Schweiz stiegen die Leerstände auf einen aktuellen Wert von 2,1 Prozent oder 62’000 Quadratmeter.

Deshalb kommen immer mehr Immobilienbesitzer auf die Idee, die Büros in Wohnungen umzunutzen. Seit 2015 entstanden so in Bern 1200 neue Wohnungen – 845 davon allein seit 2020. In Zürich waren es im selben Zeitraum 1297 Wohneinheiten. Ein prominentes Beispiel für eine laufende Umnutzung ist der ehemalige Swisscom-Tower in Bern: Das Gebäude wurde zwischen 1969 und 1972 für die damalige PTT erbaut, an der Grenze zwischen der Stadt und dem Vorort Ostermundigen. Der markante, 87 Meter hohe Turm war bei seiner Fertigstellung das höchste nicht-sakrale Gebäude der Schweiz. Hier wurde unter anderem das erste portable Autotelefon, das Natel A, mit entwickelt. Doch seit 2015 stand das Hochhaus leer.

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Quelle: Ben Kron

Der Eingangsbereich des OMU93 wird für die Umnutzung zu einer hellen, grosszügigen Lobby erweitert.

Umfangreiches Sanierungsprojekt

Nun wird es von der Immobilien-Anlagestiftung Turidomus zum Wohngebäude umgebaut, wofür 50 Millionen Franken veranschlagt sind. Die HRS Real Estate AG realisiert als Totalunternehmerin das umfangreiche Sanierungsprojekt mit 25 Etagen. Rund 90 Wohnobjekte und Büroflächen werden auf 17 Etagen geschaffen. In den übrigen acht Etagen befinden sich Flächen für mögliche Retail-Einheiten, Aufenthaltszonen für die zukünftigen Mieter sowie diverse Technikräume und Allgemein-Flächen. Gekrönt wird der Bau von einer gemeinschaftlich genutzten Dachterrasse in 75 Metern Höhe. 

Die Vorgaben sind dabei eng, da die Fassade des Hochhauses unter Denkmalschutz steht: Materialien, Farben und Dimensionen des Originalbaus müssen erhalten bleiben. Für die Sanierung wurden deshalb zahlreiche der vorgehängten Brise-Soleil-Elemente abmontiert und auf dem Bauplatz zwischengelagert, bis sie am Ende der Sanierung wieder die geschosshohe Aluminiumfassade einkleiden werden. 

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Quelle: Ben Kron

Blick vom OMU93 Richtung Bern: Das neue Wohnhochhaus bietet in alle Richtungen einen prächtigen Weitblick.

Anspruchsvoller Brandschutz 

Für die Umnutzung können die Verantwortlichen auf eine solide Struktur aufbauen: Das Tragwerk des Hochhauses besteht aus einem Skelettbau mit Stahlstützen, dazu besitzt es zwei durchgehende Betonkerne mit Liften und Treppen. Durch weitere statische Massnahmen und die Instandstellung der bestehenden Betontragstruktur wurde das Gebäude für die neue Nutzung ertüchtigt. Daneben sind gemäss dem verantwortlichen Gesamtprojektleiter Rafael White von der HRS drei weitere wesentliche Aspekte zu berücksichtigen: der Rückbau und Ersatz sämtlicher haustechnischen Installationen und Liftanlagen, das Erstellen und Einteilen der bestehenden Obergeschosse in ansprechende Wohngrundrisse, sowie die Umsetzung der vorgegebenen Brandschutzmassnahmen für Hochhäuser, welche – unter stetiger Berücksichtigung der vorhandenen Bausubstanz in Bezug auf die aktuell gültigen Normen – teilweise stark von den damaligen abweichen. «Das Erstellen der Gips-Trockenbau-Wände erfolgt dabei fortlaufend und in stetigem Zusammenspiel mit der Montage der neuen haustechnischen Installationen (HLSKE) und dem Umsetzen der erhöhten Brand- sowie Schallschutzschutzmassnahmen.»

Aktuell stehen als nächste Meilensteine die Fertigstellung der Montage der neuen Fassade an, sowie der Innenausbau der Wohngeschosse, nach Abschluss der äusserst umfangreichen Schadstoffsanierung. Zeitgleich erfolgt der Rückbau des ehemaligen Auditoriums, das sich im Untergeschoss befindet. Rafael White: «Die Übergabe an die Bauherrschaft erfolgt im Frühjahr 2026.»

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Quelle: Ben Kron

Der Dachaufbau des früheren Bürogebäudes: Die Details der Gestaltung dieses Bereiches sind noch in Ausarbeitung.

Die drei wichtigsten Massnahmen sind der Rückbau und Ersatz der Installationen, das Einteilen der Obergeschosse in Wohngrundrisse, sowie die Umsetzung der Brandschutz

Rafael White, Gesamtprojektleiter HRS Real Estate AG

Rafael White, Gesamtprojektleiter HRS Real Estate AG

Diverse Umnutzungen geplant

Neben dem Berner Sanierungsprojekt «OMU93» gibt es aktuell einige Bauausschreibungen in der ganzen Schweiz, die Büros in Wohnungen umfunktionieren wollen. Zum Beispiel das Projekt der Stiftung PWG: Sie will in Zürich Leutschenbach zwei ehemalige SRF-Bürogebäude in Wohnungen für 200 Menschen umbauen, mit geplantem Baustart 2026. Das Versicherungsunternehmen Mobiliar hat ein Projekt zur Umnutzung eines Bürobaus an der Langstrasse lanciert, gleich beim Helvetiaplatz: Sofern die Baubewilligung rechtzeitig erteilt werden kann, wird hier ein kleines Bürogebäude ab 2025 zu 37 Wohnungen umgewandelt.

Gemäss NZZ hat ein Geschäftsleitungsmitglied des Immobilienunternehmens Mobimo kürzlich zu Protokoll gegeben, Büros in Wohnungen zu verwandeln sei hochkomplex, aber ebenso spannend; eine Königsdisziplin. Zudem würden Umnutzungen den firmeninternen Klimazielen entsprechen. Das Immobilienunternehmen hat letztes Jahr sein Tiergarten-Projekt fertiggestellt: Ein Büro- und Laborgebäude aus den 90er-Jahren, mit der üblichen Plattenfassade, wurde in ein Wohnhaus mit 59 Einheiten umgebaut, die alle vermietet sind. Bei dem Projekt im Stadtzürcher Kreis 3 konnten im Vergleich zu einem Ersatzneubau insgesamt 60 Prozent graue Energie eingespart werden. Ein anderes Beispiel ist «The Brick 80»: Aus dem ehemaligen SRF-Bürogebäude in Zürich Nord wurde ein Wohn- und Geschäftshaus mit 110 Loft-Wohnungen.

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Quelle: Ikiwaner - Selbst fotografiert, wikimedia, CC BY-SA 3.0

Auch die ehemaligen Sunrise-Tower in Zürich Oerlikon, seit dem Untergang der CS leer, werden in Wohnungen umfunktioniert.

Wohnen in den Sunrise-Towers

Kürzlich wurde ein weiteres, prominentes Umnutzungsprojekt vorgestellt: Auch aus den ehemaligen Sunrise-Hochhäusern in Zürich-Oerlikon sollen Wohnungen werden, nachdem noch vor einem Jahr rund 1000 Mitarbeiter der Credit Suisse hier tätig waren. Konkret will die Zürcher Pensionskasse als Eigentümern in einem Teil der 88 und 72,5 Meter hohen Gebäude total 260 Wohnungen erstellen. Geplant in den Stockwerken 7 bis 25 sind mehrheitlich kleine Appartements für ein urbanes Publikum, während in den unteren Geschossen Dienstleistungs- und Verkaufsflächen geschaffen werden sollen. 2028 soll die Umnutzung der beiden Türme vollzogen sein.

Gemäss NZZ entstehen zurzeit in Zürich, Bern, Basel und Genf zusammen mindestens 420 neue Wohnungen in ehemaligen Büros. Was auffällt: Die Projekte sind gross und die Besitzer der Liegenschaften vornehmlich Immobiliengesellschaften und -investmentfirmen. Und sie haben fast alle einen Schönheitsfehler: Sie schaffen keinen günstigen Wohnraum, da der Sanierungsaufwand bei solchen Gebäuden oftmals beachtlich ist, wie auch die Stadt Zürich schreibt: «Bei Bauten, die ein Alter von etwa dreissig bis vierzig Jahren aufweisen, sind meist umfassende technische Verbesserungen in den Bereichen Statik, Wärmedämmung, Schallschutz oder Energieversorgung erforderlich.» Bürogebäude verfügen zudem über wesentlich weniger, meist zentral platzierte Nasszellen, was für Wohnungen komplett geändert werden muss. Auch fehlen meist Küchen und Balkone.

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Quelle: Ben Kron

Ein kleineres Umnutzungsprojekt an der Zürcher Langstrasse: In diesem Gebäude sollen 37 Wohneinheiten geschaffen werden.

Oft Zonenänderung nötig

Weiter unterscheiden sich Bürogebäude in Raumtiefen, Lichtdurchflutung und Energieerschliessung oft stark von Wohngebäuden, was den Umbau für die Planer und Architekten zusätzlich anspruchsvoll macht. Entscheidend ist jedoch die Zonenfrage: Liegen die Gebäude in reinen Industrie-, Büro- oder Gewerbezonen, ist eine Umnutzung in Wohnraum gar nicht erlaubt. Liegen Bürogebäude zentral in den Städten, ist eine Umwandlung oft aus Lärmschutzgründen nicht möglich. Bei all diesen Massnahmen muss am Ende eine Miete erzielt werden, welche die Investitionskosten rechtfertigt. Da aber aktuell die Mietpreise explodieren, die Büromieten aber stagnieren, steigt der Anreiz für eine Umnutzung. 

Für Donato Scognamiglio vom Immobilien-Beratungsunternehmen IAZI ist deshalb klar: «Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass wir Büros auch fürs Wohnen brauchen.» Und je mehr Büros längere Zeit leer stünden, desto grösser sei das Potenzial. Zugleich sei der Effekt solcher Umnutzungsprojekte aber nicht zu überschätzen: «Die Wohnungsknappheit lässt sich allein mit der Umnutzung von Büros wohl kaum lösen, aber immerhin entschärfen.» 

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