Wenn die Glasfaserleitung weiss, wo der Hang rutscht
Wo Steine herabfallen, Hänge rutschen, Brände entstehen oder die Erde bebt – das lässt sich an Veränderungen in der Wellenlänge von Lichtimpulsen in Glasfaserleitungen ablesen. Ein Forschungsteam der TU Graz hat eine entsprechende Methode entwickelt.
Quelle: Paebi, eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Diese Strassengallerie schützt am Gotthard bei Airolo den Verkehr vor herunterdonnernden Gesteinsbrocken. - Veränderungen im Grund können über Glasfaserleitungen zum Beispiel auch entlang von Bahnstrecken oder Strassen, die von Steinschlag bedroht sind, detektiert werden.
I m Zuge des sich erwärmenden Klimas und den damit verbundenen Veränderungen im Untergrund werden Hangrutschungen, Steinschläge und Bergstürze immer öfter zur unmittelbaren Bedrohung für Mensch und Infrastruktur. Umso früher und genauer Veränderungen und mögliche Gefahren erkannt und überwacht werden können, umso besser lassen sich Schäden minimieren oder gar vermeiden.
Hierfür hat ein Team vom Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme (IGMS) der TU Graz eine Technologie entwickelt, bei der vorhandene Glasfaserleitungen als Infrastruktur dienen: Über diese Leitungen können Ereignisse in der Umgebung festgestellt, verortet und klassifiziert werden. Daneben eignet sich die Messmethode laut Medienmitteilung der TU auch, um Ermüdungserscheinungen an Infrastrukturbauten zu erkennen oder Brände, Lecks oder Erdbeben zu lokalisieren - und zwar nicht lediglich an einzelnen Punkten, sondern entlang der gesamten Glasfaser. Diese lückenlose Messung stelle einen erheblichen Vorteil gegenüber konventionellen Messmethoden dar, heisst es weiter.
Methode wird im Brenner-Basistunnel angewandt
Dass auf die Messungen wohl Verlass ist, zeigten die Erdbeben in der Türkei und in Syrien vom vergangenen Februar: Die Beben konnten sogar auf der Glasfaserteststrecke der TU zwischen dem Campus Alte Technik und Campus Neue Technik detektiert werden. Zudem wird die Technologie bereits in Praxis eingesetzt: Für die Überwachung von Tunnelschalen im Koralmtunnel sowie im Semmering- und im Brenner Basistunnel.
Möglich machen die Messungen Lichtimpulse, die in eine ungenutzte Faser – eine sogenannte Dark Fiber - der Leitung gesendet und bei ihrer Rückkehr analysiert werden. Je nach gewählter Auswertungsmethode lassen sich dabei drei Effekte messen: Akustische Signale und Vibrationen, Temperaturschwankungen oder langsame Dehnungsänderungen. Stehen drei Fasern zur Verfügung, können alle drei Effekte gleichzeitig bestimmt werden; ist nur eine verfügbar, ist nur die Überwachung eines Effekts möglich oder die Methoden müssen abgewechselt werden. - Eine Messstation oder der sogenannte Interrogator deckt in beide Richtungen zirka 40 Messkilometer ab. Pro Station lassen sich also rund 80 Kilometer Glasfaser überwachen.
Sensitivität der Messungen liegt im Nanometerbereich
„Wie wir sowohl im Labor- als auch bei Feldmessungen gezeigt haben, liegt die Sensitivität unserer Messungen im Nanometerbereich, wodurch bereits kleinste Veränderungen detektiert werden können“, sagt Werner Lienhart, Leiter des Instituts für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme der TU Graz. Um zum Beispiel ein Ereignis wie ein Steinschlag oder Bergsturz zu erkennen, muss es nicht in unmittelbarer Nähe der Glasfaser auftreten. Es können auch Änderungen detektiert werden, die sich auch einige hundert Meter daneben bemerkbar machen. Um das Ereignis genau zu lokalisieren, schaut das Forschungsteam, mit welchem Zeitversatz ein Ereignis an verschiedenen Orten entlang der Messtrecke auftritt. Anhand dessen lässt sich die konkrete Position des Ereignisses dann berechnen. (mgt/mai)
Lesen Sie hier den originalen Text: www.tugraz.at