08:04 BAUPRAXIS

Wenn die Drohne gegen vereiste Rotorblätter hilft

Teaserbild-Quelle: Johne Goerend, Unsplash

Feuchte Kälte ist der Feind der von Windturbinen: Setzen die Rotorblätter eine Eisschicht an, kann dies die Rotation stören, wodurch die Turbinen schneller verschleissen. Teams vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) und vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) wollen dies ändern – und die Blätter mit Hilfe von Harnstoff, Wachs und Drohnen imprägnieren.

Windturbine im Winter

Quelle: Johne Goerend, Unsplash

Wenn der Winter Windturbinen zusetzt: Setzen die Rotorblätter Eis an, müssen Windturbinen schneller ersetzt werden.

Bislang mussten Anlagenbetreiber, die ihre Windkraftanlagen vor Vereisung schützen wollen, tief in die Tasche greifen: In die Flügel integrierbare Heizmatten oder Systeme, die warme Luft in die Rotoren pumpen, sind teuer  – ebenso wie Helikopter, die Enteisungsmittel versprühen. «Drohnen, die nur im Bedarfsfall eingesetzt werden, sind eine preiswerte Alternative», sagt Andreas Stake, Projektleiter am Fraunhofer IFAM. Damit sie präventiv gegen Vereisung eingesetzt werden können, müssen allerdings verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein: Man braucht umweltverträgliche Beschichtungsmaterialien, die gut haften und beständig genug sind, um über Wochen auf den Rotoren zu verbleiben und diese vor Vereisung schützen. Ferner bedarf es einer Spritzvorrichtung, die sowohl sehr präzise ist als auch wenig wiegt. Und schliesslich sind Drohnen benötigt, die sich genau steuern lassen und gleichzeitig eine grosse Tragkraft haben.

Harnstoff, Wachs und ein Pumpsystem 

Im Rahmen des Projektes «TURBO» entwickelten das Team um Stake nun ein Prototyp, der all diesen Anforderungen Rechnung trägt: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelten dazu ein Beschichtungsmaterial aus Harnstoff und Wachs, das umweltverträglich ist und gut haftet. Zudem kann es schnell und einfach mittels Spritzapplikation aufgetragen werden und trocknet schnell an. Dass die Beschichtung zuverlässig vor Reifbildung schützt, konnte mit Tests in einer Eiskammer am Institut nachgewiesen werden, wie der Medienmitteilung zu entnehmen ist.


Grafik

Quelle: Fraunhofer IPA

Simulation der Beschichtung mittels Drohne unter Windeinfluss.

Ein Team vom Fraunhofer IPA baute das Applikationsgerät, mit dem die Beschichtung aufgebracht wird: Es besteht aus einer kleinen Pumpe, die das flüssige Harnstoff-Wachs-Gemisch mit hohem Druck in eine lange, dünne Lanze presst. An deren Spitze befindet sich eine Düse mit einem Durchmesser von nur 0,3 Millimetern. Mit diesem sogenannten Airless-Pumpsystem – es funktioniert ohne die Beimischung von Luft - können Tröpfchen mit 100 Mikrometern Durchmesser erzeugt werden. Diese können auch bei Wind von 35 Stundenkilometern noch punktgenau auf die Kanten der Rotorblätter gespritzt werden, wo sie erstarren. Die Kanten sind besonders wichtig: Trifft nasse und kalte Luft auf die Anlage, beginnt hier der Vereisungsprozess.

Auch geeignet für Gebäude

Die technischen Parameter – zum Beispiel den benötigten Druck, die effiziente Zerstäubung und die optimale Tröpfchengrösse – ermittelte Oliver Tiedje, Projektleiter am Fraunhofer IPA, und seine Kollegen mithilfe fluid-dynamischer Simulationen. «Dabei hat uns die jahrzehntelange Erfahrung mit der Modellierung von Lackierprozessen sehr geholfen. Auf dieses Know-how konnten wir zurückgreifen», so sich Tiedje. «Wir mussten die Prozessparameter allerdings an die komplexe Geometrie der Windkraftanlagen anpassen.»

In einem nächsten Schritt wollen die Forscher nun die Technik zusammen mit Partnern aus der Industrie bis zur Serienreife weiterentwickeln. Für die Beschichtungstechnik durch Drohnen gibt es eine Vielzahl von Anwendungen: Das Spektrum reicht vom Vereisungsschutz für Windkraftanlagen und Oberleitungen im Bahnverkehr bis zur Sanierung von Gebäuden, beispielsweise für das Ausbessern von Defekten im Verputz an schwer zugänglichen Stellen von Gebäuden. (mgt/mai)

Auch interessant

Anzeige

Firmenprofile

Mastix SA

Finden Sie über die neuen Firmenprofile bequem und unkompliziert Kontakte zu Handwerkern und Herstellern.

Reports

analyse

Kostenfreie Reports zur Bauindustrie

Jetzt noch mehr inhaltsstarke Quartalsanalysen, kostenlos für Baublatt Abonnent*innen. Neben der Baublatt Analyse, die neu «Baublatt Project Categories» heisst, erhalten Sie ab April 2025 zwei brandneue Reports als Zusatz. Erfahren Sie hier was «Baublatt Top Players» und «Baublatt Regional Projects» zu bieten haben – wie gewohnt digital, prägnant und graphisch auf den Punkt gebracht.

Dossier

Spannendes aus Print und Online für Abonnenten
© James Sullivan, unsplash

Spannendes aus Print und Online für Abonnenten

Dieses Dossier enthält die Artikel aus den letzten Baublatt-Ausgaben sowie Geschichten, die exklusiv auf baublatt.ch erscheinen. Dabei geht es unter anderem um die Baukonjunktur, neue Bauverfahren, Erkenntnisse aus der Forschung, aktuelle Bauprojekte oder um besonders interessante Baustellen.

Bauaufträge

Alle Bauaufträge

Newsletter abonnieren

newsico

Mit dem Baublatt-Newsletter erhalten Sie regelmässig relevante, unabhängige News zu aktuellen Themen der Baubranche.