17:22 BAUPRAXIS

Wasserschöpfanlage in Steffisburg: Alte Technik neu gedacht

Teaserbild-Quelle: Empa

Dieser Tage ging in Steffisburg BE eine neuartige Wasserschöpfanlage in Betrieb: Ein selbstangetriebenes Wasserschöpfrad stellt sicher, dass ein Nebenfluss der Zulg trotz verbessertem Hochwasserschutz auch weiterhin mit Wasser versorgt wird. Es ist bereits das zweite Projekt dieser Art, an dem die Empa beteiligt ist.

Wasserschöpfrad in Steffisburg BE

Quelle: Empa

Das neuartige Wasserschöpfrad fördert im Vollbetrieb rund 150 Liter Wasser pro Sekunde aus eigener Kraft. Bild: Empa

Für einen besseren Hochwasserschutz im bernischen Steffisburg hat man die Zulg bei der Müllerschwelle  um rund zwei Meter abgesenkt. Trotzdem bleibt der Mühlebach weiterhin mit Wasser versorgt. Möglich macht dies eine neuartige Wasserschöpfanlage, die das Wasser nach oben pumpt und es in den Nebenfluss der Zulg leitet. Lediglich von Wasserkraft angetrieben, dreht sich ein über fünf Meter grosses Wasserrad – und bewegt über ein Zahnradgetriebe ein Schöpfrad, das rund 150 Liter Wasser pro Sekunde in eine Sammelrinne schüttet. Vorletztes Wochenende ist die historisch inspirierte Konstruktion offiziell eingeweiht und in Betrieb genommen worden.

Damit der Mühlebach auch weiterhin Wasser führt

Der Mühlebach prägt seit Jahrhunderten das Ortsbild von Steffisburg – zunächst als Energiequelle für Handwerksbetriebe, später diente es Kleinfabriken und heute ist es Teil eines geschützten Erholungsraums. Dafür, dass der Bach auch weiterhin Wasser führt, sorgt die neue Wasserschöpfanlage. Ursprünglich war eine elektrische Schneckenpumpe vorgesehen, doch die zuständigen Ingenieure wollten eine nachhaltigeren Lösung und fanden sie schliesslich in Glattfelden im Zürcher Unterland: Dort versorgt ein Wasserschöpfrad nach historischem Vorbild die Glatt mit Wasserkraft und dient auch als Blickfang im Naherholungsgebiet. Eine ähnliche Lösung erwies sich auch für Steffisburg als ideal – nachhaltig dank erneuerbarer Antriebsenergie und gleichzeitig eine Attraktion für den Industrielehrpfad Mühlebachweg mit der historischen «Saagi» und dem «Fabriggli».

In der Folge kontaktierten die Verantwortlichen Silvain Michel von der Empa-Abteilung Mechanical Systems Engineering, Michel hatte bereits am Wasserschöpfrad im Zürcher Unterland mitgewirkt. Laut dem Ingenieur bestand die technische Herausforderung darin, die Wasserschöpfanlage an die Anforderungen in Steffisburg anzupassen: «Sie muss bei einem minimalen Abfluss der Zulg von einem Kubikmeter pro Sekunde mindestens 125 Liter Wasser in den Mühlebach speisen. Und selbst bei geringeren Zuflüssen müssen noch mindestens 100 Liter pro Sekunde gefördert werden, um die Biotope zu erhalten.» An bestimmten Tagen benötigt der Schaubetrieb der «Saagi am Mühlebach» gar 150 Liter pro Sekunde.

Eine Innovation von Walter Zuppinger aus dem Jahr 1849

Wasserschöpfrad in Steffisburg BE.

Quelle: Emap

Die neuartige Wasserschöpfanlage vor der Inbetriebnahme: Ein separates Antriebsrad (links) treibt über ein Zahnradgetriebe das eigentliche Schöpfrad (rechts) an.

Weil die traditionellen Schöpfräder für die Gegebenheiten von Steffisburg nicht leistungsfähig genug waren, entwickelte Silvain Michel eine moderne Variante eines historischen Konzepts: das Zuppinger-Rad. Diese weitgehend in Vergessenheit geratene Konstruktion vom Schweizer Ingenieur Walter Zuppinger stammt aus dem Jahr 1849. Das sogenannte mittelschlächtige Wasserrad wurde speziell für geringe Gefälle optimiert. Seine hohe Effizienz konntge allerdings erst 2016 in aufwendigen Modellversuchen an der TU Darmstadt wissenschaftlich nachgewiesen und 2018 von der Universität Stuttgart bestätigt werden.

Auch Erfahrungen aus dem Glattfelden-Projekt fanden ihren Niederschlag im neuen Konzept. Der entscheidende Unterschied: ein separates Antriebsrad, das über ein Zahnradgetriebe das Schöpfrad antreibt. «So kann jedes Rad mit seiner optimalen Drehzahl laufen – eine Voraussetzung für den maximalen Wirkungsgrad der Anlage», erläutert Michel, der die exakte Dimensionierung mithilfe selbst entwickelter Berechnungstools ermittelt hat. Bei der technischen Umsetzung war das Konstruktionsbüro EKZ in Thun als Partner beteiligt. Die endgültige Form der Anlage wurde mithilfe dynamischer Strömungssimulationen an der Empa und bei der CFD-Schuck GmbH optimiert.

Dass das Konzept funktioniert, zeigte sich an der Inbetriebnahme: Vor den Augen zahlreicher Gäste erreichte die Anlage die berechnete Leistung von bis zu 6,7 Kilowatt. Sie konnte bis zu 209 Liter Wasser pro Sekunde fördern – mehr als ausreichend für den Betrieb der historischen «Saagi». (mgt/mai)

Den Originaltext der Empa lesen auf www.empa.ch

Anzeige

Firmenprofile

MC-Bauchemie AG

Finden Sie über die neuen Firmenprofile bequem und unkompliziert Kontakte zu Handwerkern und Herstellern.

Reports

analyse

Kostenfreie Reports zur Bauindustrie

Jetzt noch mehr inhaltsstarke Quartalsanalysen, kostenlos für Baublatt Abonnent*innen. Neben der Baublatt Analyse, die neu «Baublatt Project Categories» heisst, erhalten Sie ab April 2025 zwei brandneue Reports als Zusatz. Erfahren Sie hier was «Baublatt Top Players» und «Baublatt Regional Projects» zu bieten haben – wie gewohnt digital, prägnant und graphisch auf den Punkt gebracht.

Dossier

Spannendes aus Print und Online für Abonnenten
© James Sullivan, unsplash

Spannendes aus Print und Online für Abonnenten

Dieses Dossier enthält die Artikel aus den letzten Baublatt-Ausgaben sowie Geschichten, die exklusiv auf baublatt.ch erscheinen. Dabei geht es unter anderem um die Baukonjunktur, neue Bauverfahren, Erkenntnisse aus der Forschung, aktuelle Bauprojekte oder um besonders interessante Baustellen.

Bauaufträge

Alle Bauaufträge

Newsletter abonnieren

newsico

Mit dem Baublatt-Newsletter erhalten Sie regelmässig relevante, unabhängige News zu aktuellen Themen der Baubranche.