Veloparkhaus in Leverkusen-Opladen: Leuchtendes Schachbrett
Nach langen Vorbereitungen ist in Leverkusen-Opladen das grösste Veloparkhaus des Rheinlands in Betrieb gegangen. Der Stahlbau weist eine Gitterrostfassade auf, deren zueinander verkippte Elemente ein irisierendes Licht- und Schattenspiel erzeugen.
Quelle: Robert Mehl
Nordwestansicht des Fahrradparkhauses mit vorgelagertem Wendepodest. Der Stahlbau weist eine Gitterrostfassade auf, deren zueinander verkippte Elemente ein Licht- und Schattenspiel erzeugen.
Vielleicht bildet das neue Veloparkhaus den
ideellen Kern, sprich: die gebaute Essenz der neuen Bahnstadt von
Leverkusen-Opladen. Das städtebauliche Projekt ergab sich aus der
Notwendigkeit, den bestehenden Bahnhof Leverkusen-Opladen an den aktuellen Bedarf
anzupassen. Dieser befand sich als Inselbahnhof eingezwängt zwischen dem
breiten Hauptgleisstrang zwischen Köln und Düsseldorf und einer zusätzlichen,
zweigleisigen Güterzugverbindung von Duisburg gen Süden, dem so genannten
«Eisernen Rhein».
Das beauftragte Aachener Architekturbüro HJP Planer entwickelte die naheliegende Idee, die Gütertrasse neben die Hauptgleistrasse zu verlegen und so ein gut 200 Meter breites und über zwei Kilometer langes Bauareal zu gewinnen, das ohne eine Gleisquerung mit der Innenstadt verbunden ist. Zunächst entstanden innerhalb der Gleishaupttrasse zwei neue Bahnsteige in Mittellage, die über eine kombinierte Fussgänger- und Velobrücke – versehen mit entsprechenden Aufzugstürmen – erreichbar waren.
Direkt schon bei den allerersten städtebaulichen Konzepten sah das
Architekturbüro zu deren Erschliessung eine in einem Rechteck geführte
Velorampe vor, die mit einem Wendepodest an der nördlichen Schmalseite und
einem verhältnismässig breiten Rampenauge ausgestattet war, so dass darin ein
gut 90 Meter langes und etwa fünf Meter breites Veloparkhaus
eingesetzt werden konnte.
Quelle: Robert Mehl
Ostansicht des Fahrradparkhauses von der Bahnsteigbrücke bei Tage.
Quelle: Robert Mehl
Ostansicht in der Dämmerung bei einsetzender Illumination.
Die realisierte Höhe von gut neun Metern ergab sich aus der erforderlichen Durchfahrtshöhe unterhalb der daran anschliessenden Brücke, um eine elektrifizierte Bahntrasse zu überqueren. Diese Bauhöhe reicht aus für zwei geschlossene Parkdecks sowie eine dritte, offene Dachterrasse. Während die geschlossenen Parkebenen mit Doppelparkern ausgestattet und gebührenpflichtig sind, weist die oberste Ebene die klassischen Velobügel auf und ist gebührenfrei.
Die genial einfache Idee der Architekten
war, dass das Erdgeschoss des Veloparkhauses seinen Zugang unmittelbar am Fuss
der Rampe hat, das Obergeschoss über das Wendepodest erschlossen wird und die
Dachebene am Hochpunkt der Rampe barrierefrei erreichbar ist. Die
Parkhausebenen wurden nicht waagerecht angelegt, sondern fallen um 1,8 Prozent
in Richtung Wendepodest ab. Diese Neigung dient der Entwässerung.
Alternativlose Stahlkonstruktion
Die masslich knappen und dabei
toleranzarmen baulichen Vorgaben liessen allein eine Stahlkonstruktion
sinnvoll erscheinen. Weniger entscheidend war, dass die neue Bahnsteigbrücke
des Londoner Büros Knight Architects ebenfalls eine in Corten-Stahl ausgeführte
Stahlkonstruktion war. Vielmehr war eine möglichst flache Decken- und
Dachkonstruktion erforderlich, bei der die Entwässerung unterhalb des
Tragwerks über Trapezbleche erfolgt. Die Fussböden des Obergeschosses und der
Dachfläche werden aus Gitterrosten gebildet, Regen oder Schmutzwasser fällt
durch sie hindurch, wird von den Trapezblechen aufgefangen und abgeführt.
Diese Trapezbleche wurden nun nicht über
den kurzen Weg, also quer zu der Gebäudelängsachse gespannt, sondern verlaufen
entlang der erwähnten Fallrichtung der Geschossebenen in der Längsachse. Damit
das anfallende Regenwasser aber nicht zu einem mächtigen Wasserstrom
anschwillt, wurden im Abstand von sechs Metern Quersammler angelegt, die die anströmenden
Teilwassermengen seitlich in Fallrohre drainieren.
Quelle: Robert Mehl
Die Rampe der Bahnsteigbrücke ist wie diese aus Corten-Stahl gefertigt und umschliesst das neue Fahrradparkhaus.
Quelle: Robert Mehl
Westansicht des Fahrradparkhauses bei Dämmerung.
Ein weiterer wichtiger Punkt war für die
Architekten die soziale Kontrolle sowohl im Umfeld wie auch innerhalb des
Veloparkhauses. Da es sich bei Parkhäusern grundsätzlich um ungedämmte
Kaltbauten handelt, konnte hier mit einer ausgesprochen dünnen Aussenhaut
gearbeitet werden. Schnell favorisierte man eine Gitterrostfassade, weil diese
eine umfangreiche und natürliche Durchlüftung ermöglichte, und auch ein
Abstellen von nassen Fahrrädern kein Feuchteproblem darstellt.
Gleichzeitig wird mit den Gitterrosten
gerade während der Dunkelheit und dem intern natürlich beleuchteten Parkhaus
eine Transparenz hergestellt, die offenbart, was darin gerade geschieht. Zudem
haben HJP Planer einige Erfahrung in der Planung von Gitterrostfassaden, da sie
schon einmal am neuen Bahnhof Erftstadt ein deutlich kleineres Veloparkhaus
realisieren konnten, das ebenfalls eine transparente Gitterrostfassade
aufweist.
Irisierendes Lichtspiel
Während die Radstation in Erftstadt eine
kompakte kubische Silhouette aufweist und über einen kleinen Platz hin durch
einen Bahnhofskiosk gleicher Bauart städtebaulich gekontert wird, stellte sich
Prof. Jahnen von HJP Planer die Frage, wie man eine gut 90 Meter lange und
neun Meter hohe Fassade befriedigend gliedert.
Vor diesem Hintergrund entstand die Idee der leicht zueinander verkippten Gitterroste, die tagsüber eine gewisse optische Unschärfe in der Fassadengeometrie erzeugen. Nachts, wenn sie von oben mit Streiflicht angestrahlt werden, erscheinen die Roste – je nachdem, ob sie dem Lichtstrahl zu- oder abgewandt sind – mal hell erleuchtet, mal abgeschattet dunkel.
So entsteht ein leuchtendes Schachbrettmuster, das den
ganzen Bau noch wertiger erscheinen lässt. Die Hanenberg Projekt GmbH, ein auf
Baukonstruktion spezialisiertes Ingenieurbüro, prüfte im Vorfeld die verkippte
Gitterrostfassade auf ihre grundsätzliche Machbarkeit.
Quelle: Robert Mehl
Blick ins erste Obergeschoss: Der Boden besteht aus Gitterrosten; Wasser fällt in die Trapezbleche darunter und wird abgeführt. Die Trapezbleche bilden gleichzeitig die Decken (obere Bildhälfte).
Handwerkliches Können
Eine erste grosse Herausforderung war für
den ausführenden Metallbaubetrieb, die Metallbau Apelrath GmbH aus dem
münsterländischen Nottuln, die Vorbereitung der bereits realisierten Rampe zur
Erschliessung der Bahnsteige für den Einbau des geplanten Veloparkhauses in das
Rampenauge. Da dessen Obergeschoss über das Wendepodest an der nördlichen
Schmalseite barrierefrei erschlossen wird und um eine gleichmässige
Rampensteigung zu erhalten, wurde der obere Rampenteil um eine Gebäudeachse
(circa sechs Meter) verkürzt.
Der untere Rampenteil vom Strassenniveau
bis zum Wendepodest blieb jedoch in seiner Länge erhalten und wurde aufgrund
der Kürzung des oberen Rampenteils wie auch das nördliche Wendepodest um dieses
Achsenmass nach Süden zur Bahnhofsbrücke versetzt. Dafür war es erforderlich,
zwei neue Stützen zu fertigen und entsprechend neue Fundamente anzulegen. Nicht
nötig war eine Verbreiterung des Rampenauges.
Herausfordernd war auch die Entwicklung
einer hinreichend kostengünstigen, in einfacher und schneller Montage
realisierbaren Befestigung der geneigten Gitterrostelemente. Zunächst hatte
man mit vier justierbaren Stellschrauben pro Gitterrost geplant. Die
überzeugende und letztlich ausgeführte Version schlug schliesslich der
projektverantwortliche Meister Matthias Strauch von Metallbau Apelrath vor:
Anstatt der 6000 Stellschrauben wurden für die Befestigung der gut 1500
Gitterroste deutlich günstigere, vorgebogene Langloch-Stellwinkel verwendet.
Diese besassen eine Neigung von +/− zwei Grad gegenüber dem rechten Winkel
(also 88, respektive 92 Grad) und eine Schenkellänge von 80 × 120
Millimetern.
Quelle: Robert Mehl
In der Dämmerung ist das innen liegende Treppenhaus gut erkennbar.
Quelle: Robert Mehl
Die Gitter der Fassade sind alternierend um zwei Grad geneigt.
Im Rahmen der Baumassnahme, die mehr oder
weniger die gesamte Dauer der Corona-Pandemie währte, wurden insgesamt etwas
mehr 217 Tonnen Stahl verbaut. Dabei hatten die Architekten die Masse so
angelegt, dass das Tragwerk relativ zügig mit einem Autokran errichtet werden
konnte. Die Fassadengitterroste waren dazu so leicht und handlich
dimensioniert, dass sie von einer Person getragen und montiert werden konnten.
Dies senkte erheblich die Maschinenkosten und verkürzte die Bauzeit.
Teamarbeit schafft Nachhaltigkeit
Rückblickend loben sowohl der
Metallbaubetrieb wie auch die Architekten die hervorragende Zusammenarbeit und
die qualitätsorientierte Geduld des Bauherrn, die Entwicklungsgesellschaft Neue
Bahnstadt Opladen GmbH. Mit insgesamt 411 Stellplätzen ist so das grösste
Veloparkhaus im Rheinland entstanden, das einen effektiven Baustein zur
lange verkündeten Verkehrswende darstellen kann: Hier steht ein Velo sicher,
zum Kölner HBF braucht ein Zug nur zwölf Minuten. Und die Züge sind zeitlich so
schnell getaktet, dass man sich nach keinem Fahrplan mehr richten muss: Das ist
eine echte Alternative zum Individualverkehr.
Quelle: Robert Mehl
Der markante Stahlbau bietet Platz für insgesamt 411 Zweiräder. Mit dem Projekt in Leverkusen-Opladen ist somit das grösste Veloparkhaus im Rheinland entstanden.