Umweltschonender Strassenbau: Asphalt geht auch kalt
Bei der Sanierung eines 300 Quadratmeter grossen Stücks Asphaltstrasse kamen gleich zwei umweltschonende Methoden zum Einsatz: Der neu verlegte Strassenbelag enthält Abfälle aus Biomasse und wurde zudem kalt eingebaut. Beides spart viel CO2-Emissionen.
Quelle: InfraTrace GmbH
Feldversuch auf einer Gemeindestrasse: Strassenbaulehrlinge der Marti AG bringen den mit Biochar angereicherten Asphalt kalt auf.
Asphalt ist allgegenwärtig: Die meisten unserer
Strassen, aber auch Gehwege und öffentliche Plätze, sind mit dem aus Bitumen,
Wasser und Gesteinskörnung bestehenden Baustoff gedeckt. Dieser hat den
Vorteil, dass er sich grösstenteils wiederverwerten lässt, alte Beläge also
wieder in neue umgearbeitet werden können. Die Nachteile des Asphalts liegen
zum einen in seiner als Erdöl-Produkt schlechten CO2-Bilanz, und zum anderen in
der hohen Temperatur, mit welcher das Material eingebracht werden muss. Dies benötigt
nicht nur viel Energie, sondern belastet auch die Personen auf der Baustelle,
die den Asphalt händisch nachbearbeiten müssen. Wie also lässt sich der
Baustoff Asphalt umweltschonender gestalten?
Mit
diesem Thema befasst sich Roland Christen von der Infratrace GmbH seit nunmehr
fünfzehn Jahren. Christen, der auch Fachleute am Baumeisterzentrum in Sursee
ausbildet, erhielt ein entsprechendes Mandat vom Verband der Schweizer
Emulsionshersteller. «Ich wurde beauftragt, eine webbasierte Wissensdatenbank zum
Thema Asphalt aufzubauen. Ich komme allerdings aus der Biochemie und hatte
zuvor nicht viel Ahnung von dem Thema und dachte anfangs, Asphalt sei Asphalt.»
Doch er liess sich rasch eines Besseren belehren.
Gemeinden rasch überfordert
2016
begann Christen, mit Gemeinden im Bereich Infrastrukturerhalt
zusammenzuarbeiten: «Auch bei kleineren Gemeinden kommen rasch einige Kilometer
Strassen und Leitung zusammen; es wurden also beim Bau zweistellige
Millionenbeträge für diese Infrastruktur aufgewendet.» Während in grösseren
Kommunen und Städten Fachleute mit dem Unterhalt dieser Anlagen befasst sind,
müssen dies in Gemeinden meist Miliz-Politiker erledigen. «Doch diese Leute
kommen aus verschiedenen Berufen und wissen oft schlicht nicht, wo sie beim
Thema ansetzen sollen.» Was dazu führt, dass solche Installationen nicht immer
ausreichend unterhalten werden.
Hier berät Christen die Gemeinden, aktuell elf Stück. Bei dieser Aufgabe stellte sich früh schon die Frage, wie der Werterhalt von Strassen vonstatten gehen soll: Braucht es einen Neubau, oder sind Zwischenlösungen möglich. «Ein Neubau ist teuer, und oft haben wir den Fall, dass der Belag schon nach ein paar Monaten wieder aufgebrochen werden muss, um darunter Leitungen zu sanieren. Damit ist der Neubau schon wieder kaputt.»
Quelle: InfraTrace GmbH
Projekt des Tiefbauamts Basel: Mit Biochar angereicherter Asphalt für eine Strassensanierung, allerdings heiss eingebracht.
Auch Astra nutzt Kaltasphalt
Gesucht waren also Zwischenlösungen, die für alle Verkehrsteilnehmer sicher zu befahren sind, aber auch viel günstiger im Preis. «So bin ich auf die kalten Asphalte gestossen: Mit diesen ist eine Zwischensanierung möglich, die mindestens zehn bis zwölf Jahre hält.» Mit dem Material sanieren auch Kantone ihre Strassen, und sogar das Astra hat auf Autobahn-Teilstücken neue Beläge aus Kaltasphalt eingebaut. Christens Einsicht: «Wenn der Asphalt den hohen Belastungen auf Autobahnen standhält, funktioniert das auch auf Gemeindestrassen.»
Der Kaltasphalt hat mehrere Vorteile; so ist der Umgang mit dem Material schonender: «Herkömmlicher Asphalt wird von der Herstellung bis zum Einbau praktisch ununterbrochen gekocht, bei 160 bis 180 Grad, Gussasphalt sogar 200.» Dadurch verliere der Baustoff bis zu 50 Prozent seines Klebeeffekts, wie eine Studie der Technischen Universität Wien ergab. «Trotzdem funktioniert der Asphalt natürlich immer noch einwandfrei. Aber wenn wir den Bitumen nur noch einmal bei der Produktion erhitzen und danach kalt einbauen, haben wir bei den Klebstoffen praktisch keine Verluste.» Deshalb benötigt es von diesem Asphalt geringere Mengen, was Versuche noch belegen sollen. Einen Vorteil haben besteht auch für die Arbeiter, die den Asphalt einbauen: Sie sind beim heissen Asphalt schädlichen Dämpfen ausgesetzt und müssen sich vor Verbrennungen schützen. Beides ist beim kalten Asphalt nicht mehr der Fall.
Quelle: InfraTrace GmbH
Angenehm für den Bauarbeiter vor Ort: Ausbessern eines Belagschadens mit Kaltasphalt bei einer Schulung in Beatenberg BE.
Grosse CO2-Reduktion
Der grösste Fortschritt aber: Bereits Niedertemperatur-Asphalt bringt eine CO2-Reduktion von 30 Prozent. Durch die Verwendung von kaltem Asphalt lassen sich gar rund 60 Prozent an Kohlendioxid-Emissionen vermeiden. Dadurch verbessert sich die Umweltbilanz eines Bauprojekts auf einen Schlag erheblich, wie dies zum Beispiel durch die Einsparung von Fahrten kaum möglich wäre. Insgesamt also hatte Roland Christen den gesuchten nachhaltigen Asphalt gefunden.
Bei seiner Recherche stiess er indes noch auf ein weiteres Thema: Carbon Black, zu Deutsch Industrieruss. Dieses bei Industrieproduktionen anfallende, kohlenstoffhaltige Material ist keineswegs Abfall, sondern wird zum Beispiel für Pneus, Farben oder Toner verwendet. Auch dem Asphalt wird mitunter Industrieruss beigemischt. Hier dient das sehr feine Material, mit einer Körnung von nur noch wenigen Mikrometern, also wenigen Tausendstel Millimetern, als Füller für Zwischenräume und sorgt für einen kompakten Aufbau der Asphaltschicht. Folglich müsste sich auch ein anderes Material als Zuschlagstoff eignen: Bio-Char, also Kohle, die via Pyrolyse aus Pflanzenresten gewonnen wird. Christen begann, Bitumen mit solcher gemahlener Pflanzenkohle zu mischen und hatte sehr gute Resultate.
Quelle: InfraTrace GmbH
Vor dem Aufbringen des kalten Bio-Asphalt werden Risse in Belag gefüllt, hier bei einer anderen Schulung in Lenk BE.
Kalter Bioasphalt
Also ging er einen Schritt weiter und verband die beiden Methoden, rührte Asphalt mit Pflanzenkohle an und testete dessen Eigenschaften bei der kalten Verarbeitung. Vor drei Jahren machte Christen mit dem Material einen ersten Feldversuch in Kiesen BE, in diesem Sommer nun einen zweiten, viel grösseren: Zusammen mit Strassenbaulehrlingen der Marti AG wurde eine Zubringerstrasse auf einer Fläche von 300 Quadratmetern mit dem kalten Bioasphalt saniert. Das kurze Strassenstück bei einer Unterführung wies einige Risse und Schlaglöcher auf. Nun trugen die Lehrlinge von Hand eine drei Millimeter dünne Schicht aus kaltem, mit Pflanzenkohle versetztem Asphalt auf.
Diese sehr dünne Schicht erklärt sich durch die tiefe Frequenz auf der Strasse, die zudem nicht von LKW befahren wird. Generell leidet jeder Strassenbelag unter einem Abrasionseffekt: Jede Überfahrt reisst mikroskopisch kleine Teilchen der Fahrbahn mit sich. Es lässt sich somit ausrechnen, wie lange der Verkehr braucht, um einen Belag herunterzuschleifen. «Bei dieser Gemeindestrasse gehen wir davon aus, dass diese Schicht zehn bis fünfzehn Jahre hält.» Zudem schützt der Asphaltbelag die Strasse vor weiterer Zerstörung, indem alle Risse und Löcher aufgefüllt werden. «Lässt man diese Risse offen, dringt Wasser ein, gefriert im Winter und erweitert diese, bis man am Ende Schlaglöcher hat. Nun ist sie aber vor weiterer Zerstörung wirksam geschützt.»
Quelle: InfraTrace GmbH
Das Geheimnis ihrer CO2-bindenden Fähigkeit: Die wenige Tausendstel Millimeter grossen Poren der Biochar unter dem Raster-Elektronenmikroskop.
Asphalt fixiert Kohlendioxid
Daneben ist das Projekt ein Musterbeispiel für die Vermeidung von CO2-Emissionen, wie sich Christen freut: «In der Kombination kalter Asphalt plus Kohlenstoffanwendung haben wir eine sensationelle Bilanz!» Denn mit jedem Kilogramm Kohlenstoff, der in ein Baumaterial integriert wird, werden drei Kilogramm Kohlendioxid fixiert. Am Ende lagert das Material also mehr des klimaschädlichen Gases ein, als es verursacht hat. Und neben der Pflanzenkohle sind auch andere Materialien denkbar, die Kohlenstoff enthalten und via Pyrolyse umgewandelt werden können, etwa alte Autoreifen und sogar Lebensmittelabfälle. «Hier hätten wir also erst die Energiegewinnung durch die Verbrennung, also Wärme, und als Abfallprodukt einen wertvollen Zuschlagstoff für den Bau.» Wobei unbehandelte pflanzliche Reste nach Christens Ansicht ausschliesslich als Kohlenstoff in biologische Kreisläufe gehen sollten: Tierfutter, Humus, Wasserfilter, Dünger für Stadtbäume. Er selber testet nur «echten» Abfall, also Klärschlamm oder Autoreifen.
Zum Mischen und Herstellen des kalten Bioasphalt lassen sich dieselben Mischanlagen und Fertiger verwenden wir beim herkömmlichen Asphalt. «Man braucht nichts umzurüsten. Und wenn man am Anfang nur schon auf Niedrigtemperatur umsteigt, also 40 Grad kühler arbeitet wie sonst, bedeutet dies schon eine Reduktion von 30 Prozent beim CO2.» Für den Einbau des kalten Belags braucht es hingegen andere Maschinen. Diese stellen den Asphalt vor Ort aus Sand, Wasser und Bitumen-Emulsion selber her und tragen ihn dann über eine Art Schlitten dünn auf die Strasse auf. Bei uns wird dieses Verfahren als Microbelag oder Kalte Dünnschicht (DSK) bezeichnet. Im Ausland gibt es sogar ein Verfahren, bei dem eine Einbau-Maschine den alten Belag auffräst, verkleinert, neu mischt und mit einer kalten Emulsion wieder verlegt. «Mix-in-Place» heisst dieses Verfahren, aber nur bei bestimmten Platzverhältnissen möglichst ist. Dies, weil die Maschinen rund dreissig Meter lang sind.
Quelle: InfraTrace GmbH
Viel Tüfteln und Ausprobieren im Labor: Roland Christen investierte viel Zeit in die Entwicklung der Biochar.
Quelle: InfraTrace GmbH
Laborproben verschiedener Biochar-Mischungen: In diese Entwickungsarbeit ist auch viel Freizeit geflossen.
Druck auf Bauwirtschaft
Aktuell ist also der Einsatz von kaltem Asphalt mit Pflanzenkohle noch etwas teurer und aufwendiger. Doch im Zuge der Klimakrise ist abzusehen, dass der Druck auf die Bauwirtschaft steigen wird, umweltschonender zu agieren. «Als Bauherr kann ich durch den Kaltasphalt bei einem Projekt erwiesenermassen rund ein Drittel an Emissionen vermeiden.» Und je mehr die Abgaben für CO2-Emissionen steigen, was absehbar ist, desto mehr rücken solche nachhaltigen Materialien bei einer Vollkostenrechnung ins Zentrum. «Wenn wir dazu noch unseren Beton mit Kohlenstoff versetzen, erreichen wir auch hier namhafte Senkungen an Kohlendioxid.»
Roland Christen macht aktuell mit einem Bauunternehmer sehr umfangreiche Tests: «Asphalt kalt, Niedertemperatur, heiss, Beton in Variationen – dieser Unternehmer will sich ein nachhaltiges Profil erarbeiten, das er auch zertifizieren und belegen kann.» Er hofft, dass sich bei Erfolg ein Nachahmungseffekt zeigt und weitere solcher Initiativen folgen. «Wir können nicht alles Knall auf Fall umstellen, da sind Aspekte der Sicherheit und Machbarkeit zu berücksichtigen.» Aber Projekt für Projekt werde man immer sicherer und selbstbewusster in der Anwendung. «Jedes Asphalt- und Betonwerk muss eigene Erfahrungen sammeln im Umgang mit diesen Entwicklungen. Das ist der Weg.»
Quelle: InfraTrace GmbH
Schulung in Walkringen BE: Auch ein solches Verarbeiten ist mit dem Kaltasphalt möglich und setzt den Arbeiter wesentlich weniger Emissionen aus.
Asphalt und Albedo
Der Asphalt ist der wichtigste Verursacher von Hitzeinseln, die in Städten weltweit immer mehr zum Problem werden: Asphalt ist stark wärmespeichernd und hat einen sehr schlechten Rückstrahlwert, Albedo genannt, von 0.05-0.25, je nach Alterung oder Vergrauung. Das heisst: Von zehn auf ihn einstrahlenden Partikeln speichert er bis 95 Prozent und heizt sich entsprechend rasch auf. Zum Vergleich: Schnee hat einen Wert von 0.9 und nimmt also nur eins von zehn Partikeln auf.
«Die Albedo von hochwertigem Bitumen ist schlecht, da es hochschwarz ist», räumt Christen ein. Dafür aber sei die aufgebrachte Deckschicht meist nur dünn, was positiv sei: «Wenn wir darunter eine weitere Schicht haben, die Wärme in den Untergrund ableitet, auf grössere Volumina, sind wir gut unterwegs. Den Reflexionsgrad können wir kaum erhöhen, die Leitfähigkeit des Baustoffes schon.» Und Untersuchungen haben gezeigt, dass sich mit Kohlenstoff auch wirksam Wärme ableiten kann. Auch hier sind entsprechende Versuche am Laufen.