Umnutzung Gewerbebau: Ein Zeitzeuge strotzt vor Energie
Das «Energiehaus Luzern» ist das erste private Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien und Energieeffizienz in der Schweiz. Es wurde in einem schützenswerten Gewerbebau aus den 1950er-Jahren realisiert, der dabei zum energetischen Vorzeigeobjekt mutierte.
VonStefan Hartmann
BE Netz ist ein bekannter Name in der Schweizer Energieszene. Vergangenen Juli realisierte das rund 60 Mitarbeitende zählende Unternehmen auf dem Dach des «Aldi Suisse»-Verteilzentrums in Perlen LU die grösste Solaranlage der Deutschschweiz: Die Photovoltaik-Grossanlage erzeugt 6,4 Megawatt Peak sauberen Strom, der 2000 Haushalte versorgt.
Es handelt sich dabei um den bisher grössten Auftrag für das Luzerner Unternehmen seit der Firmengründung vor 25 Jahren. Auch beim spektakulären Swatchgebäude in Biel, das diesen Sommer bezogen wurde, war BE Netz für die Fachplanung der Solaranlage verantwortlich.
Gelungener Mix von Alt und Neu
Letzten November erfüllte sich nun Adrian Kottmann, Inhaber des Luzerner Spezialisten für Solarenergie und Energiekonzepte, mit der Eröffnung des «Energiehaus Luzern» einen lang gehegten Traum.
Das Gebäude an der Industriestrasse 131 in Luzern-Littau ist nicht nur der neue Sitz der BE Netz AG. Das Energiehaus versteht sich als Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien und Energieeffizienz, das Unternehmer aus der Energie- und Baubranche miteinander vernetzen will.
Für sein Projekt wählte Kottmann ein kompaktes, klar und einfach strukturiertes Gewerbe- und Bürogebäude im typischen Architekturstil der 1950er-Jahre. Jahrzehntelang war hier eine Fabrik für Schulbücher untergebracht.
Der Bau wurde durch den renommierten Luzerner Architekten August Boyer zwischen 1954 und 1956 entworfen. Heute ist er im kantonalen Bauinventar als schützenswertes Objekt aufgeführt. Das Gebäude im klassischen Fünfmeter-Raster wurde so konzipiert, dass ein späterer Anbau einfach zu bewerkstelligen ist. Dies ist nun nach der Übernahme durch BE Netz auch geschehen.
An der Westseite des schützenswerten Gewerbebaus wurde ein viergeschossiger Anbau realisiert, der als organische Fortsetzung des Bestands überzeugt. Es sind die Details, die diesen Eindruck bestärken: Das neue, zweite Treppenhaus des Anbaus wurde dem Volumen des alten Gebäudeteils exakt nachgebildet und innen barrierefrei organisiert.
Das Vordach im Dachstock wurde stimmig zum neuen Anbau hinübergeführt. Weil das Dachgeschoss nicht durchgehend in Bürofläche umgewandelt wurde, wirkt er wohltuend luftig. Der Altbau wurde von BE-Netz nur im Inneren in Bereichen des Eigengebrauchs sorgfältig instand gestellt, so wie es sich mit dem Schutzstatus gut verträgt.
Quelle: Stefan Hartmann
Das «Energiehaus Luzern»: An der Westseite des schützenswerten Gewerbebaus wurde ein viergeschossiger Anbau realisiert, der als organische Fortsetzung des Bestands überzeugt.
Gelebter Denkmalschutz
Im alten Treppenhaus konnten die ursprünglichen Treppengeländer beibehalten werden, obwohl sie den Normen nicht mehr ganz entsprachen. Klar war hingegen, dass im neuen Treppenhaus den aktuellen Bauvorschriften vollumfänglich Rechnung getragen werden musste.
Die statisch ausformulierten Betondecken in den Grossraumbüros, die über dem Mittelträger dicker und gegen die Fenster verjüngt sind, kommen trotz der neu eingeführten Akustikpanels zur Geltung. Für Sitzungen stehen im Raum separate Boxen zur Verfügung. Die alten Holzzementböden der Büros wurden beibehalten, einfach neu geschliffen und imprägniert.
Für den Um- und Anbau des Gebäudes zeichnete das Architekturbüro Schärli Architekten AG Luzern verantwortlich. Die Denkmalpflege hatte in Absprache mit der Luzerner Baubewilligungsbehörde das Projekt eng begleitet. Ihr Kernanliegen: Baukörper, Geschossigkeit und Fassadengestaltung sollten auch nach dem Um- und Anbau gut lesbar sein.
«Es war ein konstruktiver Dialog», erklärt Inigo Dietrich, Projektleiter von Schärli Architekten. «So wurde zum Beispiel der Materialwechsel an der Fassade für den Neubau freigegeben und die Prioritäten bei der technisch heiklen Bestimmung der Farbtöne für die Photovoltaik-Panels gemeinsam festgelegt. Damit konnte für alle Beteiligten das Risiko von Enttäuschungen minimiert werden.»
Farbige PV-Module
In Zusammenarbeit mit dem Departement Design und Kunst der Hochschule Luzern (HSLU) wurden an der Westfassade speziell bedruckte und sehr ästhetisch wirkende PV-Module vorgehängt, die sich ausgezeichnet in das Bauwerk integrieren – echt innovative Kunst am Bau.
Das Motiv entwickelten die beiden HSLU-Studenten Benjamin Willi und Axelle Stiefel im Rahmen ihres Bachelor Textildesign beziehungsweise Master Design. Begleitet wurde das Projekt von den Dozentinnen Tina Moor und Brigitt Egloff.
Das Beispiel Energiehaus zeigt: Die Übertragung von Kunst in den Technikbereich hat das Potenzial, ganz neue Anwendungen zu erschliessen: Die neuen Formen und Farben, die der Photovoltaik-Industrie heute zur Verfügung stehen, schaffen gestalterische Möglichkeiten im PV-Modulbau.
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