09:36 BAUPRAXIS

Stromausfälle: die unterschätzte Gefahr für die Schweizer Energieversorgung

Geschrieben von: Marianne Kürsteiner (kür)
Teaserbild-Quelle: Kay Felmi

Die Stromversorgung in der Schweiz gilt als sehr zuverlässig. Angesichts globaler Herausforderungen und dem Übergang zu erneuerbaren Energien stellt sich jedoch die Frage, ob Stromausfälle ein zunehmendes und reales Risiko darstellen. Experten warnen vor neuen, unterschätzten Gefahren. Es sind Massnahmen notwendig, um auch künftig eine stabile Energieversorgung sicherzustellen.

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Quelle: Kay Felmi


In den letzten Jahren haben Berichte über Stromausfälle in der Schweiz zunehmend Aufmerksamkeit erregt, da die Versorgungssicherheit eine zentrale Rolle in der Energiepolitik des Landes spielt. Angesichts der wachsenden Nachfrage nach Energie, der Integration erneuerbarer Energien und der komplexen internationalen Abhängigkeiten stellt sich die Frage, ob die Schweiz auf eine Zunahme von Stromausfällen zusteuert. Diese Thematik gewinnt vor dem Hintergrund globaler Klimaveränderungen und technischer Herausforderungen zusätzlich an Brisanz.

Stabil und zuverlässig

Die Stromversorgung in der Schweiz gilt als äusserst stabil und zuverlässig. Dies wird durch den jährlichen Bericht zur Stromversorgungsqualität der Schweiz der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom) bestätigt, der die hohe Qualität und Stabilität der Schweizer Stromnetze hervorhebt. Laut dem Bericht 2023 blieb die durchschnittliche Unterbrechungsdauer pro Endverbraucher in den letzten Jahren konstant niedrig, was auf die gut ausgebaute Infrastruktur und das effiziente Management durch die Netzbetreiber zurückzuführen ist.

Die Schweiz profitiert von einem Mix aus Wasserkraft, Kernenergie und zunehmend auch erneuerbaren Energien wie Solar- und Windkraft. Trotz der Herausforderungen, die durch den Übergang zu erneuerbaren Energien und die wachsende Nachfrage entstehen, konnten die Betreiber bisher durch gezielte Massnahmen und Investitionen die Netzstabilität aufrechterhalten. Dies wird durch die Daten des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) unterstrichen, die zeigen, dass es keine signifikante Zunahme von Stromausfällen gab. Dennoch bleibt die Situation dynamisch, da externe Faktoren wie beispielsweise Wetterereignisse und internationale Energiekrisen die Versorgungssicherheit beeinflussen könnten.

Netzüberlastung und der Einfluss des Wetters

Die Ursachen für Stromausfälle in der Schweiz sind vielfältig und umfassen sowohl technische als auch externe Faktoren. Gemäss dem Bericht der Elcom zählen zu den häufigsten Ursachen Betriebliche Ereignisse, die durch eine hohe Nachfrage, Alterung des Materials, Störungen oder Probleme bei der Energieübertragung entstehen können oder Naturereignisse wie Gewitter aber auch extreme Wetterereignisse, wie sie im Klimabericht des Schweizerischen Nationalen Zentrums für Klimadienste (NCCS) beschrieben werden, spielen eine zunehmende Rolle bei der Beeinträchtigung der Stromversorgung.

Internationale Abhängigkeiten verstärken diese Herausforderungen. Da die Schweiz stark in das europäische Stromnetz integriert ist, können auch Ereignisse in Nachbarländern Auswirkungen auf die nationale Versorgung haben. Weiter führen auch die zunehmende Integration von erneuerbarer Energien, die naturgemäss unregelmässig produzieren, zu Herausforderungen auf den unteren Netzebenen und erfordern eine ständige Anpassung und Modernisierung der Netzinfrastruktur und entsprechende Investitionen in die Netze aber auch in neue Technologien, wie dies in der Energiestrategie 2050 des Bundesrates dargelegt wird.

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Quelle: Zbynek Burival

Erneuerbare Energien sind im Aufwind.

Klimawandel und erneuerbare Energien

Experten und Behörden wie das Bundesamt für Energie (BFE) und der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) überwachen die Massnahmen zur Stabilisierung der Stromversorgung und geben regelmässig Einschätzungen zur Versorgungssicherheit ab. Der jüngste Bericht des VSE weist darauf hin, dass der Klimawandel vermehrt extreme Wetterereignisse verursachen wird, die das Netz zusätzlich belasten könnten. Gleichzeitig wird der Ausbau erneuerbarer Energien als wesentlich für die langfristige Sicherheit der Stromversorgung angesehen. 

Die zukünftigen Herausforderungen für die Stromversorgung in der Schweiz sind vielfältig und komplex. Der VSE-Bericht von 2024 hebt hervor, dass eine der grössten Herausforderungen die Anpassung des Stromnetzes an den steigenden Anteil erneuerbarer Energien sein wird. Dies erfordert nicht nur den Ausbau der Netzinfrastruktur und von Speicherkapazitäten, sondern auch die Weiterentwicklung intelligenter Netztechnologien. Zudem könnten Veränderungen in der europäischen Energiepolitik, insbesondere im Hinblick auf Importabhängigkeiten, direkte Auswirkungen auf die Schweizer Energieversorgung haben.

Flexibel und innovativ auf neue Herausforderungen reagieren

Die befürchtete Zunahme von Stromausfällen auf breiter Ebene ist demnach nicht nachweisbar. Diese Einschätzung basiert auf aktuellen Daten des Bundesamts für Energie und des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen. Dennoch steht die Schweiz vor grossen Herausforderungen, insbesondere durch den Übergang zu erneuerbaren Energien und die steigende Abhängigkeit von internationalen Strommärkten. Um auch in Zukunft eine zuverlässige Stromversorgung sicherzustellen, sind kontinuierliche Investitionen in die Infrastruktur und eine enge Zusammenarbeit zwischen privaten Unternehmen und öffentlichen Institutionen unerlässlich. Die Schweiz muss flexibel und innovativ auf diese Herausforderungen reagieren, um ihre Energieversorgung auch in einer sich wandelnden Umwelt und unter veränderten Rahmenbedingungen sicherzustellen.

Quellen

  1. Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom), Stromversorgungsqualität 2023.
  2. Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), Jahresbericht 2023. 
  3. Nationales Zentrum für Klimadienste (NCCS), Klimabericht 2022.
  4. Bundesamt für Energie (BFE), Ursachenanalyse von Stromausfällen 2023. 
  5. Energiestrategie 2050 des Bundesrates.
  6. Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), Bericht zur Netzinfrastruktur 2024.
  7. Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), Herausforderungen der Netzmodernisierung 2024.

Nachgefragt... bei Peter Bryner

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Quelle: zVg

Peter Bryner

Das Baublatt hat einen Experten zu den Risiken von Stromausfällen in der Schweiz befragt und wie man diese verhindern kann. Peter Bryner ist diplomierter Elektroinstallations- und Sicherheitsexperte sowie MAS Energieexperte FHNW. Er leitet bei Electrosuisse das Team Bildungsmedien und ist Autor von Standardwerken.

Herr Bryner, stellen Stromausfälle ein zunehmendes und reales Risiko in der Schweiz dar und warum ist das so? 

Peter Bryner: Das Risiko von Stromausfällen in der Schweiz ist in den letzten Jahren leicht gestiegen. Die Gründe hierfür sind die Integration erneuerbarer Energien ins Netz, die Abhängigkeit von Stromimporten, steigende Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen und Herausforderungen durch den Klimawandel. Die Komplexität des Energiemarkts und die zunehmende Dezentralisierung erschweren die Planung und Steuerung der Netze. 

Inwiefern stellt der Klimawandel eine Herausforderung für die Stromversorgung dar? 

Der Klimawandel führt zu häufigeren und intensiveren Extremwetterereignissen wie Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen, die sowohl die Energieerzeugung als auch die Netzinfrastruktur belasten können. Dies erhöht die Volatilität und erschwert die Planung und Sicherstellung einer stabilen Stromversorgung. 

Gibt es weitere technische und externe Faktoren, die eine Rolle für die Zunahmen von Stromausfällen spielen? 

Technische Faktoren wie die Alterung der Netzinfrastruktur, begrenzte Speicherkapazitäten und mangelnde Flexibilität der Stromnetze spielen eine Rolle. Externe Risikofaktoren sind Abhängigkeiten von Importen, Wetterextremen und Cyberangriffen. Auch Ereignisse wie die Energiekrise aufgrund geopolitischer Spannungen (z.B. Russland-Ukraine-Konflikt), Engpässe bei Stromimporten, und wetterbedingte Ausfälle von erneuerbaren Energien in Nachbarländern haben Auswirkungen auf die Schweizer Stromversorgung gehabt. 

Welche Massnahmen für eine stabile Energieversorgung sind unabdinglich oder empfehlenswert? 

Die bisherigen Gegenmassnahmen umfassen Lastmanagement, Flexibilisierung der Netzlasten, Einsatz von Reservekraftwerken, sowie verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Diese Massnahmen stossen jedoch an ihre Grenzen, da die Nachfrage steigt und die Integration erneuerbarer Energien weiter voranschreitet. Ohne erhebliche Investitionen in die Netze und Speicherlösungen könnten diese Massnahmen in den nächsten Jahren unzureichend sein. Der Ausbau der nationalen Stromproduktion, insbesondere von erneuerbaren Energien wie Solar und Wind ist eine weitere wichtige Massnahme. Die Digitalisierung, smart Grid und Automatisierung der Netze werden ebenfalls als wichtige Elemente angesehen. Neue Anreize in der Regulierung um Flexibilitäten zu nutzen sind bereits in den Entwürfen der Verordnungen enthalten und werden Auswirkungen auf die Tarife und auf den Verbrauch haben. 

Gibt es eine Möglichkeit, als Verbraucher für die persönliche Versorgungssicherheit vorzusorgen? 

Verbraucher können durch den Einsatz von Batteriespeichern und Solaranlagen, die im Inselbetrieb betrieben werden können, eine gewisse Versorgungssicherheit für ihren Haushalt schaffen. Dies erfordert jedoch eine entsprechende technische Ausstattung und Investition. 

Ergeben sich auch neue Chancen in der aktuellen Lage?

Eine dezentrale Stromversorgung eröffnet Installateuren zahlreiche Chancen, massgeschneiderte Energielösungen für Endkunden anzubieten. Zu den zentralen Technologien zählen Photovoltaik-Anlagen (PV), Batteriespeicher, kleine Windkraftanlagen, Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Energie-Management-Systeme. Diese innovativen Lösungen ermöglichen es Installateuren, sich in einem wachsenden Markt zu positionieren und ihren Kunden nachhaltige, unabhängige Energieversorgungskonzepte zu bieten. Durch den Einsatz dieser Technologien wird das Stromnetz entlastet, effizienter genutzt und intelligenter gesteuert, was einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leistet. Installateure können so nicht nur ihr Serviceportfolio erweitern, sondern auch aktiv die Zukunft der Energieversorgung mitgestalten. 

Welche Rolle spielt die zunehmende Elektromobilität? 

Die zunehmende Elektromobilität stellt das Stromnetz vor neue Herausforderungen, da der Strombedarf erheblich steigen wird. Ohne geeignete Massnahmen wie Lastmanagement, bidirektionales Laden und Erweiterung der Netzkapazitäten könnten Ladevorgänge die Netzstabilität beeinträchtigen. 

Ist das bidirektionale Laden von Elektrofahrzeugen eine Möglichkeit, die Versorgung sicherzustellen? 

Bidirektionales Laden, auch als Vehicle-to-Grid (V2G) bekannt, bietet die Möglichkeit, E-Fahrzeuge als temporäre Energiespeicher zu nutzen und damit die Netzstabilität zu unterstützen. In der Schweiz gibt es erste Pilotprojekte. Die Technologie wird zunehmend als Teil einer nachhaltigen Energiezukunft gesehen, ist jedoch noch nicht etabliert. (Interview: Marianne Kürsteiner)

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