Solaranlage auf Staumauer Valle di Lei: Mauerkrone veredeln
Bei der Staumauer Valle di Lei in Graubünden hat das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich eine Photovoltaik-Anlage installieren lassen. Der Zubau von Solarflächen soll auch auf städtischen Gebäuden sowie auf privaten Dächern erfolgen, um die Solarstromproduktion bis 2030 zu vervierfachen. Eine wichtige Rolle spielt auch ein Beteiligungsmodell.
Quelle: Stefan Schmid
Bei der Kraftwerkgruppe Valle di Lei handelt es sich um ein italienisch-schweizerisches Gemeinschaftsunternehmen. Der See befindet sich grösstenteils ennet der Grenze, die Staumauer diesseits. Nutzen werden den Strom der Photovoltaik-Anlage (rechts) Verbraucher der Stadt Zürich sowie jene im EWZ-Versorgungsgebiet in Teilen Graubündens.
Während der Nachwuchs der italienischen Rudernationalmannschaft mit den Booten durch das Wasser des Staubeckens Lago di Lei pflügt, schieben die Facharbeiter des Kraftwerksbetreibers auf der Mauerkrone die letzten Panele in die Trägerkonstruktion. Die Bedingungen auf 1900 Metern sind nicht nur für Höhentrainings ideal, sondern auch für die Nutzung der Photovoltaik (PV).
Neben der Höhenlage bietet auch die Ausrichtung der Staumauer Valle di Lei der Kraftwerke Hinterrhein AG (KHR) beste Voraussetzungen für eine effiziente Stromproduktion. Die rund 700 Meter lange Staumauer ist nach Süden ausgerichtet, sodass die seeseits montierten Solarmodule den Sonnenlauf optimal nutzen können. Mit der PV-Anlage erhöht das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) bei der nachhaltigen Stromproduktion die Schlagzahl.
Bis 2030 will die Stadt Zürich laut Philipp Heinzer, Leiter Energie beim EWZ, die Produktion von PV-Strom vervierfachen. Im Einklang mit der Energiestrategie der Stadt soll das ambitionierte Ziel auch mit dem Zubau von PV-Flächen im hochalpinen Raum und auf städtischen Gebäuden erreicht werden. Der grösste Teil soll jedoch auf Dächern von privaten beziehungsweise institutionellen Eigentümerinnen und Eigentümer realisiert werden.
Gute Erfahrung mit ersten Anlage
Im alpinen Raum funktionieren PV-Anlagen hocheffizient, sodass im Jahresdurchschnitt 25 Prozent mehr Energie produziert werden kann als mit vergleichbaren Flächen im Mittelland. Eine Anlage mit äquivalenter Leistung müsste im Unterland eine um rund 20 Prozent grössere Fläche aufweisen. Die Gründe für die hohe Effizienz liegen in der besseren Sonneneinstrahlung, den tieferen Temperaturen sowie der Reflektion der Sonnenenergie durch Wasser und Schnee. Letzteres wird auch Albedo-Effekt genannt.
Als vorteilhaft erweist sich zudem, dass in höher gelegenen Regionen der Alpen bei PV-Anlagen rund 50 Prozent des Stroms im Winterhalbjahr anfällt, wenn Energie am dringendsten benötigt wird und die Stauseen tiefe Pegelstände erreichen. Erfahrungen des EWZ mit einer Anlage ähnlicher Art bei der Albigna-Staumauer im Bergell zeigen, dass konstant gute Wintererträge resultieren.
Massanfertigung an Bogenmauer
Die Anlage beim Valle di Lei erstreckt sich über eine Länge von rund 550 Metern. Dabei mussten die PV-Module bei der Montage an die Neigung der doppelt gekrümmten Staumauer angepasst werden. In der Mitte beträgt der tiefste Winkel des Mauergefälles rund 65 Grad, seitlich sind es zwischen 80 und 90 Grad. Im Schnitt sind die rund zwölf Meter langen 48 Blöcke mit 22 Panelen bestückt.
Um Inspektionen durchführen zu können, waren Auflagen des Bundesamts für Energie (BfE) zu erfüllen, beispielsweise das Freilassen der Blockfugen zu Kontrollzwecken. Eine knifflige Angelegenheit war daher die Anordnung der Blöcke, um auf der gesamten Länge der Anlage gleichmässig breite Blockfugen zu erhalten, sagt Tamás Szacsvay, Leiter Technik und Engineering der auf Planung und Realisierung von PV-Anlagen spezialisierten Reech GmbH. Das flexible Konzept der Anlage erleichtert zudem die Montage und den Ersatz von Panelen.
Quelle: Stefan Schmid
Das flexible Konzept der Trägerstruktur ermöglichte eine rationelle Montage der 1056 Panele.
Hohe Anforderungen an die Planung stellte die Stabilität der Trägerkonstruktion aus Stahl. Diese muss heftigen Winden widerstehen, die an den zahlreichen Panelen Angriffsflächen finden. Um die Auswirkung von den dabei auftretenden Vibrationen zu minimieren, entschieden sich die Planer für den Einsatz von Doppelglaspanelen. Die insgesamt 1056 Module erbringen eine Leistung von 343,2 Kilowattpeak (kWp), wobei die Masseinheit für die Leistung der PV-Module unter Standardtestbedingungen steht. Erwartet wird eine jährliche Stromausbeute von 380 Megawattstunden, was den Bedarf von 160 Stadtzürcher Haushalten deckt.
Europäische Lösung beim Material
Die Montage der Tragkonstruktion erfolgte von der Mauerkrone aus mittels eines Gerüsts. Anschliessend wurden die Panele von der Mauerkrone passgenau in die Profile geschoben. Verbaut wurden grösstenteils Produkte europäischer Produzenten. Panele und Beschläge sowie Wechselrichter sind deutscher Provenienz. Profile wurden aus Norditalien geliefert, Stahlteile aus der Slowakei, während bei Kabelkanälen auf Schweizer Lieferanten zurückgegriffen wurde.
Die Montage wurde grösstenteils von Mitarbeitern der KHR und weiteren lokalen Spezialisten wie der Tüfer GmbH ausgeführt. Wie in vielen Bereichen der Industrie verzögerte der stockende Materialnachschub zeitweise den Bau der Anlage, was jedoch nur marginalen Einfluss auf den Termin der Inbetriebsetzung hatte. Im Vergleich können chinesische Produkte zwar mit etwas tieferen Gestehungskosten punkten, doch erwiesen sich die kürzeren Lieferdistanzen im Rahmen einer europäischen Lösung als Vorteil.
Seit Juli wurde an der Anlage gebaut, in welche das EWZ rund 800000 Franken investierten. Nach der technischen Abnahme ging das solarbetriebene Kraftwerk Anfang Herbst ans Netz. Das städtische Elektrizitätswerk evaluiert in einem nächsten Schritt weitere Standorte für PV-Anlagen im hochalpinen Raum, wo allenfalls auch unverbaute grössere Freiflächen genutzt werden sollen. Dabei gelte es abzuwägen zwischen Landschaftsschutz, nachhaltiger Stromproduktion und Versorgungssicherheit, wie bei der Begehung mehrmals betont wurde.
Quelle: Stefan Schmid
Die PV-Fläche besteht aus Doppelglaspanelen, die von heftigen Winden verursachten Belastungen besser standhalten.
Viele Standorte in alpinen Regionen sind allerdings nicht für Grossanlagen geeignet, da es sich um lawinen- und steinschlaggefährdete Gebiete handelt. Auch die Infrastruktur für die Einspeisung des Stroms sollte bei den in Frage kommenden Flächen in nützlicher Distanz bereits vorhanden sein. Das war der Fall beim PV-Projekt Valle di Lei. Auch die Wasserkraft wird übrigens grenzüberschreitend genutzt. Das Staubecken befindet sich mehrheitlich auf italienischem Staatsgebiet befindet, während die Staumauer diesseits der Grenze liegt.
Schneller, aber noch zu langsam
Mittlerweile hat in der Schweiz der Bau von Solaranlagen Fahrt aufgenommen, wie Szacsvay mit Genugtuung konstatiert. Als Planer setzt er sich seit Jahrzehnten für die Belange der Photovoltaik ein. «Wir sind aber immer noch zu langsam unterwegs», gibt Szacsvay zu Bedenken. Immerhin seien letztes Jahr in der Schweiz PV-Flächen zugebaut worden, die eine zusätzliche Produktionsleistung von rund 700 Megawatt ermöglichten.
Gebremst werde der Ausbau momentan durch die Material- und Personalverfügbarkeit. Gleichwohl gibt er sich optimistisch: «Wenn sich das Tempo weiter auf diese Weise beschleunigt, sollten die Produktionsziele erreichbar sein.» Dies sei vor allem dann der Fall, wenn der Zubau im Gigawattbereich erfolge. Das wäre dann soviel Energie, wie wenn alle drei Jahre ein Atomkraftwerk von der Leistung des KKW Mühleberg ersetzt würde.
Beteiligungsmodell des EWZ
Seit 2015 unterhält das EWZ ein Beteiligungsmodell, bei dem Strombezüger PV-Fläche kaufen können. Einmalig sind dabei 560 Franken pro Quadratmeter Solarpanel zu entrichten, was 20 Jahre lang zum Bezug von 180 Kilowattstunden (kWh) Strom berechtigt. Als kleinste Verkaufseinheit gilt ein halber Quadratmeter, maximal kann man fünf Quadratmeter erstehen. Der Solarstrom wird dann auf der Stromrechnung der Panelbesitzer gutgeschrieben beziehungsweise rückvergütet. Das niederschwellige Modell ermöglicht es neben Eigentümerinnen und Eigentümern auch der Mieterschaft, sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen. Bei der Anlage Valle di Lei sind die 1795 Quadratmeter Solarfläche bereits verkauft. (sts)
Verordnung in Revision
PV-Anlagen werden grundsätzlich mit der Einmalvergütung (EIV) gefördert. Dank der EIV und weil beim Strombezug vom Hausdach keine Netzgebühren und Abgaben anfallen, lassen sich PV-Anlagen für den Eigenverbrauch wirtschaftlich betreiben. Das gilt jedoch meist nicht für Anlagen mit geringem oder keinem Eigenverbrauch. Die Stromproduktion mittels einer PV-Anlage auf ein Scheunendach oder einer Lagerhalle übersteigt vielfach den Bedarf eines Landwirts oder eines Gewerbebetriebs. Die Betreiber müssen daher die Elektrizität vollständig oder grösstenteils ins Netz einspeisen. Solche «Volleinspeisungsanlagen» haben zwar ein grosses Potenzial, doch werden sie zurzeit selten realisiert. Auch um solchen Anlagen zum Durchbruch zu verhelfen, befindet sich die Energieförderungsverordnung (EnFV) momentan in Revision.
Rentabler Betrieb mit Auktionen
Seit der Änderung des Energiegesetzes im Oktober 2021 besteht bereits die Möglichkeit, PV-Anlagen ohne Eigenverbrauch mit einer höheren EIV zu fördern. Das Gesetz sieht zudem die Einführung eines Auktionsmodells vor, das mit der Revision auf Verordnungsstufe nun konkretisiert wird. Der Förderbedarf von PV-Anlagen mit geringem Eigenverbrauch kann aufgrund der Investitionskosten und dem Verkaufserlös stark variieren, wie das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK im erläuternden Bericht zur EnFV-Revision schreibt. Um einen rentablen Betrieb gewährleisten zu können, haben Projektanten beim Auktionsverfahren die Möglichkeit, ihren konkreten Förderbedarf in Franken pro Kilowatt (kW) anzubieten. Solange das entsprechende Angebot zu den günstigsten zählt, erhalten sie beim Zuschlag den angebotenen «Preis» pro kW Leistung zugesichert («Pay as bid»).
Bonus für Neigung und «volle Dächer»
Die teilweise Abschaffung des Grundbeitrags per 1. Januar 2023 soll zudem Anreize für den Bau von grösseren Anlagen schaffen und die Nutzung möglichst gesamter geeigneter Dachflächen vorantreiben. Bei der Förderung zur Diskussion steht dabei das Prinzip «Bonus für volle Dächer».
Über die Verordnung soll künftig auch im Detail geregelt werden, wie Installationen mit stark geneigten Flächen wie Fassaden und Mauern gefördert werden sollen. Ein so genannter «Neigungsbonus» ist laut den Erläuterungen vorteilhaft, weil erfahrungsgemäss der Ertrag im Winterhalbjahr pro Kilowatt installierter Leistung bei solchen Flächen um rund 30 Prozent höher liegt als bei PV-Installationen auf Flachdächern und etwa gleich hoch wie bei typischen Schrägdachanlagen. (sts)