Normenänderungen für Sichtbeton
Sichtbeton ermöglicht die kreative Gestaltung von Bauwerken und macht sie so zum Blickfang. Für eine qualitativ hochwertige Ausführung sind genaue Planung, optimale Baustofftechnik und Kombination der gestalterischen Möglichkeiten sowie die fachmännische Umsetzung unabdingbare Voraussetzungen.
Beton ist das am häufigsten verwendete Baumaterial der Welt. Neben seiner guten Eigenschaften bezüglich Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit, spielt der Baustoff auch bei der Ästhetik vieler Gebäude eine nicht unwesentliche Rolle. Doch nicht selten enden diese Sichtbeton-Projekte mit Unzufriedenheit bis hin zum Rechtsstreit. Gründe dafür sind teilweise die nicht fachmännische Ausführung und die Nichtbeachtung wesentlicher Material- und Umweltfaktoren während der Herstellung. Aber auch ungenaue Ausschreibungen und damit verbundene falsche Erwartungen und Ansichten seitens des Bauherrn können zu Unstimmigkeiten führen. Was dem einen als gelungene Oberfläche erscheint, kann für den Zweiten voller Mängel sein. Deshalb ist es besonders bei Sichtbeton wichtig, vor Beginn der Arbeiten zu klären, was gewünscht und geboten wird, damit alle Beteiligten auf der gemeinsamen Ausgangsbasis starten.
Hochwertiger Sichtbeton stellt hohe Anforderungen an die Herstellung. Kleinste Unachtsamkeiten und Abweichungen bei Materialqualität, Schalungsmaterial und Ausführung können das gesamte Ergebnis ruinieren. Die materialtechnologischen Einflussfaktoren bei Sichtbeton und die bei der Ausschreibung zu beachtenden Punkte standen deshalb im Mittelpunkt der Weiterbildungsveranstaltung von «Bau und Wissen», Wildegg. Neben den zu beachtenden Rahmenbedingungen beim Bauen mit Sichtbeton wurden Beispiele moderner Sichtbetonbauten und die gestalterischen Möglichkeiten vorgestellt.
«Es gibt sehr viele Vorstellungen, wie eine Sichtbetonoberfläche sein sollte. Die Meinungen gehen dabei sehr aus einander, denn Ästhetik ist sehr persönlicher Aspekt», meint Veranstaltungsleiter Frank Jacobs. Der für Beratung und Expertisen beim der TFB AG, Wildegg, tätige Experte gab einen Überblick in die neusten Normenänderungen für Sichtbeton.
Quelle: Claudia Bertoldi
Das Stadtmuseum Aarau wurde 2015 saniert und erweitert. Das Zwischengeschoss im neuen Treppenaufgang erhielt eine Sichtbetondecke mit Brettstruktur, die einen starken Kontrast zum angrenzenden historischen Bestand bildet.
Neue Norm mit Schwachstellen
Was ist eine Sichtbetonoberfläche? Im Schweizer Normenwerk gab es dafür bisher keine klare Definition. Die neu herausgegebene Fassung der SIA 118/262 vom 1.September 2018 ersetzt die alte Fassung von 2013 und legt jetzt Kriterien für die sichtbar bleibende Betonoberfläche fest. Dabei wird die Sichtbetonoberfläche gemäss Anforderungen und Gestaltungsabsicht definiert.
Die Schalung bestimmt über das Aussehen der Sichtfläche, da die ausgeschalte Fläche die Negativform der verwendeten Schalhaut darstellt. Deshalb finden sich in den Normen auch Angaben zur Schalung wieder. Norm SIA 118/262 «Allgemeine Bedingungen für Betonbau» unterscheidet weiterhin vier Schalungstypen. Es
wurden zwei Sichtbetonqualitäten eingeführt und unzulässige Mängel genau definiert. In Vergangenheit war es in der Praxis gelegentlich zu Vermischungen der SIA 118/262 mit dem Merkblatt von Betonsuisse gekommen. Dies war allerdings nicht zulässig, da es entscheidende Unterschiede gab. Aus diesem Grund und auch, da wesentliche Bestandteile des Merkblattes nun in die neue SIA 118/262 integriert werden konnten, soll das Merkblatt demnächst zurückgezogen werden. «In Zukunft gibt es nur noch eine neue Definition. Aber sie hat immer noch Schwachstellen, vor allem bei Beschreibung. Erkannte Unklarheiten und Widersprüche wurden nicht komplett behoben», findet Frank Jacobs.
Wer einen schönen Sichtbeton wünscht, darf auf keinen Fall sparen. «Low cost-Varianten erfüllen meist nicht das gewünschte Ergebnis. Viele Details müssen beachtet werden, um einen schönen Sichtbeton und eine gute Oberfläche zu erreichen», so Jacobs. Deshalb müssten alle Beteiligten gemeinsam planen, abstimmen und arbeiten. Sei eine geschalte Oberfläche geplant, würde sich die neue Norm gut eignen.
Quelle: Claudia Bertoldi
Die Sichtbetonfassade dieses Wohnhauses ist sehr gleichmässig und ohne grosse sichtbare Mängel ausgeführt.
Schalungstypen und fünf neue BOK
Schalungstyp 1 ist eine normale Betonoberfläche ohne besondere Anforderungen mit beliebiger Oberflächenstruktur und ohne Nachbearbeitung von Graten und Überzähnen. Typ 2 mit einheitlicher Struktur besitzt eine freie Brett- oder Tafelgrösse, Grate und Überzähne werden nachbearbeitet. Eine einheitliche Brettstruktur ohne Graten und Überzähne und mässiger Anzahl an Lunkern sowie gleichmässiger Farbtönung wird für den Typ 3 verlangt. Bei Typ kommen Tafel statt Brettern zum Einsatz, ansonsten bestehen Anforderungen wie bei Typ 3. Sind erhöhte Anforderungen bezüglich Abdichtung der Fugen, versetzten Stössen, der Brettrichtung oder einem Strukturbild gemäss Schalungsplan, sind diese gesondert zu vermerken. «Diese Schalungstypen sind unverändert. Allerdings ist es immer empfehlenswert, eine Referenzfläche heranzuziehen und anhand dieser klare Forderungen festzulegen», empfiehlt Jacobs.
Neu sind die Betonoberflächenklassen (BOK). Sie werden den Schalungstypen zugeordnet. Fünf an der Zahl legen die BOK die Anforderungen an die Betonoberfläche fest. BOK 0 und 1 stellen keine oder geringe Ansprüche an die Gestaltung, können also mit den Schalungstypen 1 und 2 ausgeführt werden. BOK 2 und 3 werden mit den Schalungstypen 3 und 4 ausgeführt. Beide weisen keinerlei Beschädigungen der Schalhaut auf. Während bei BOK 3 wenige und kleinere fachmännisch ausgeführte Reparaturen zulässig sind, sind bei BOK 4 keinerlei Schäden zulässig. BOK S hat die gleichen Anforderungen wie BOK 3 zu erfüllen, muss aber nach Angaben des Planers ausgeführt werden
«Um weniger Diskussionen auf der Baustelle zu haben, werden die häufig anzutreffenden Details festgelegt. Deshalb ist die Norm wesentliche präziser als bisher und enthält auch mehr Details», betont Jacobs. Klare Anweisungen gibt es zu Fugen, Stössen, Graten, Ankerlöchern, Lunkern, Kanten oder zur Grösse und Struktur der Schalungselemente. Ganz zufrieden ist der Experte aber dennoch nicht: «Zur Bearbeitung der Flächen wie Säuern, Strahlen oder anderes sagt Norm nicht viel aus. Forderungen müssen bis ins Detail im Werkvertrag beschrieben werden.» Bei Nachbesserung müssen diese Forderungen klar erfüllt werden. Wenn die Fehler vom Auftraggeber akzeptiert werden, ist eine Preisminderung normal, berichtet Jacobs.
Doch Vorsicht auch bei Nachbesserungen. Unauffällige, kleinere Unregelmässigkeiten gehören zu einer Sichtbetonfläche. Wird zu überstürzt gehandelt, kann das Ergebnis schlimmer als Ausgangszustand ausfallen. Dann wird eine sehr teure Betonkosmetik nötig. Auch bei falscher Lieferung des Betons ab Werk ist letztendlich der Unternehmer verantwortlich. Bereits bei der Bestellung ist deshalb zwingend anzugeben, dass das Material für Sichtbetonflächen verwendet werden soll und bei jeder Lieferung die gleichen Eigenschaften aufweisen muss. Die Kontrolle des Frischbetons unterliegt dem Bauunternehmen.