Selbstkrümmendes Holz: Mit Feuchtigkeit in Form gebracht
Seit kurzem schraubt sich in der Nähe von Stuttgart ein geschwungener Holzturm in den Himmel. Er besteht aus Fichtenplatten, die sich dank einem neuen, von der Empa, der ETH Zürich und der Universität Stuttgart entwickelten Verfahren selbst in Form gebracht haben.
Der Turm, der eine der Attraktionen der aktuellen Remstal Gartenschau ist, setzt sich aus zwölf Holzpanelen zusammen. Gebogene Holzkonstruktionen sind nichts Neues, aber wie die Einzelteile des Bauwerks entstanden sind, ist laut Medienmitteilung der Empa „bahnbrechend“. Denn während das Holz bei der herkömmlichen Methode mit viel Gewicht und viel Energieaufwand in die gewünschte Form gepresst wird, funktionierte dies bei dem Turm im Remstal ohne Druck und beinahe von selbst.
Das natürliche Verhalten von Holz
Für das neue Verfahren haben sich Markus Rüggeberg und Philippe Grönquist von der Empa-Abteilung „Cellulose and Wood Materials“ das natürliche Verhalten und seine Reaktion auf Luftfeuchtigkeit zu Nutze gemacht. Zudem griffen sie auf die Erkenntnisse zurück, die Grönquist im Rahmen seiner Doktorarbeit zur Einwirkung von Feuchtigkeit auf Holz gewannen hatte.
Bereits vor hundert Jahren sei eine erste Formel zur Biegung von Holz entwickelt worden, wird Rüggeberg. Die Hochskalierung auf metergrosse Bauteile bedeutete für ihn und seine Kollegen aber eine ziemliche Herausforderung, die sich mittlerweile aber meistern liess. „Nun können wir sogar voraussagen, wie stark sich solch grosse Elemente unter Einwirkung von Feuchtigkeit krümmen“, wird Grönquist in der Medienmitteilung zitiert. Dies wiederum half den Wissenschaftlern dabei zu berechnen, welches Holz sich während des Trocknungsprozesses wie krümmt.
Auf den Winkel der Fasern kommt es an
Das Prinzip ist gemäss Rüggeberg einfach: Zwei Holzschichten werden zusammengeklebt. Wichtig ist dabei, dass die Ausrichtung der Fasern berücksichtigt wird. Denn ändert sich der Feuchtigkeitsgehalt im Holz, quillt oder schrumpft die eine Schicht, während die andere starr bleibt. Weil beide Lagen miteinander verbunden sind, biegt sich das Material. Je nachdem, wie die Holzfasern aufeinanderliegen, ergibt sich eine andere Biegung. Hat das Holz seine endgültige Form erreicht, wird es laminiert. Dies verhindert einerseits eine weitere Verformung und sorgt andererseits für die nötige Wandstärke.
Die Methode entstand an der Empa anlässlich eines Innosuisse-Projektes, zusammen mit der Firma Blumer-Lehmann AG und dem Institut für Computerbasiertes Entwerfen der Universität Stuttgart. Wie die Empa mitteilt, läuft das Projekt noch bis Ende August; weitere Ergebnisse sollen bis Ende Jahr veröffentlicht werden. (mai/mgt)