10:13 BAUPRAXIS

Schaumhaus im Grünen

Teaserbild-Quelle: Ester Havlova

Wer in der Nähe der tschechischen Provinzstadt Cernin spazieren geht, dürfte verblüfft werden: Mitten in der Landschaft steht die Villa Hermina, ein mit rosa Polyurethan-Schaum verkleidetes Haus, das wie ein überproportionaler Kaugummi aussieht.

Eigentlich ist das Haus nichts Besonderes: „Die Struktur ist traditionell: In einem Betonskelett befinden sich Wände aus Backstein und hölzerne Böden“, beschreibt Architekt Jan Sepka das Gebäude, das er mit seinen beiden Partnern Tomas Hradecny und Petr Hajek vom Büro HSH Architekti gebaut hat. Das Grundkonstrukt dürfte aber das einzig Traditionelle sein an der Villa Hermina im Süden Tschechiens, nahe der Grenze zu Österreich, die sich der tschechische Psychiater Michael Cillik für 280'000 Franken bauen liess.

Das 2009 fertig gestellte Einfamilienhaus in der Provinzstadt Cernin, dessen Grundfläche nur 59 Quadratmeter misst, steht wie ein riesiger Bazooka-Kaugummi in der Landschaft. Das Haus ist mit einer dicken Schicht rosa Polyurethan-Schaum (PUR) verkleidet, was ihm einen leichten Touch der Unwirklichkeit verleiht. „Wir wollte die Mauern und das Dach des Hauses mit demselben Material bedecken“, erklärt Sepka. „Deshalb wählten wir den Schaum, der zwei weitere Vorzüge aufweist: Er ist schnell aufgebracht und relativ günstig.“

Dämmstoff für Türzargen

Polyurethan-Schaum wird schon seit Jahren vor allem in der Fahrzeugindustrie als leichter, aber stabiler Werkstoff verwendet. Im Hausbau dient er als Dämmstoff, beispielsweise bei der Montage von Fenstern oder Türzargen. Das Material, das nach dem Auftragen rasch aushärtet, ist gegen Wasser, Öl, Benzin, Laugen und zahlreiche Lösungsmittel resistent. Ebenso ist es unverrottbar und fäulnisresistent.

Ein Nachteil des Schaumes ist die Tatsache, dass er beim Aushärten aufquillt und eine raue Oberfläche erhält. „Diese Rauheit der Hülle war beabsichtigt“, so Sepka weiter. „Deshalb haben wir auf eine weitere Verarbeitung verzichtet: Ungünstig ist auch der Umstand, dass der Schaum für Luftfeuchtigkeit undurchlässig ist. „Das Innere des Hauses muss deshalb stets gut belüftet werden.“

Hang im Haus

Die Belüftung wird erleichtert durch den Umstand, dass es sich beim Innern der Villa Hermina um einen einzigen Raum handelt. Nur Toilette und Bad befinden sich in abschliessbaren Kammern. Die Architekten entschieden sich für dieses Ein-Raum-Konzept, um der Passion des Bauherrn und der Neigung des Baugrundes Rechnung zu tragen: Der Psychiater Cillik wünschte sich ein Haus, das auch als Heimkino dient, und sein Baugrund liegt an einem relativ steilen Abhang. Die Lösung für das Haus im Hang bestand darin, den Hang ins Hans zu holen: Der Innenraum verfügt über drei Ebenen, die durch schräge Rampen miteinander verbunden sind. Ebenen und Rampen bilden zusammen eine Art Spirale, die im Innenraum hochsteigt. Die Rampen folgen ebenso wie das Dach der Schräge des Untergrundes. Da auch der Zuschauerraum eines Kinos geneigt ist, wurde die untere Rampe so gestaltet, dass sie zu einem kleinen Kinosaal umfunktioniert werden kann.

Bis jetzt sind es zwei Jahre, welche der Psychiater und seine Familie in seinem Schauhaus zugebracht haben, und noch immer überwiegt die Begeisterung. Auch an die Schräge der Rampen habe man sich gewöhnt, meint der Hausherr und verweist auf die Bewohner des Andenhochlandes von Ecuador. Diese würden ja ihr ganzes Leben auf schiefen Ebenen verbringen und bekanntlich bis ins hohe Alter rüstig bleiben. (bk)

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