14:53 BAUPRAXIS

Sanierung des Mühlestegs in Zürich: Nachtschicht auf der Limmat

Geschrieben von: Ben Kron (bk)
Teaserbild-Quelle: Ben Kron

In der Werkstatt wurde der Zürcher Mühlesteg saniert und mit neuen, 100 Jahre haltbaren Bodenplatten ausgerüstet. Im Dezember wurde die Fussgängerbrücke über die Limmat in einer spektakulären Nachtschicht wieder eingehoben – in fünf grossen Teilen, deren längstes gegen 40 Meter misst.

Sanierung Mühlesteg Zürich, Brückenbau

Quelle: Ben Kron

Mitten in der Nacht: Das gegen 40 Meter lange, längste Teil der sanierten Brücke wird an seinen Platz gehoben.

Manchmal kann auch ein eher schlichtes Bauwerk zum Publikumsliebling werden. So der Mühlesteg, eine kurze Fussgängerbrücke über die Limmat, an der viele Zürcherinnen und Zürcher buchstäblich hängen: Nach dem Vorbild des Pariser Pont Neuf brachten unzählige Paare ihr «Liebesschloss» an den Seiten der Brücke an. Bald waren es Tausende.

Nicht wegen dieser Liebesschlösser, sondern nach 40 Jahren Nutzung musste der Mühlesteg umfassend instand gestellt werden. Einige Monate lang musste deshalb auf die rund 80 Meter lange Brücke verzichtet werden, die das Niederdorf mit dem Zürcher Hauptbahnhof verbindet. Vorab aber erhielten die Liebespaare die Gelegenheit, mit dem Trennschleifer ihre Schlösser abzumontieren und zu retten. Denn bei den anstehenden Arbeiten hätten diese doch erheblich gestört.

Sanierung Mühlesteg Zürich, Brückenbau

Quelle: Ben Kron

Vorarbeiten: Der 500 Tonnen schwere Kran, der eine Ausladung von 75 Metern erreicht, wird zwischen Strasse und Limmat aufgebaut.

Sanierung Mühlesteg Zürich, Brückenbau

Quelle: Ben Kron

Mit der Zürcher Altstadt und der erleuchteten ETH als Kulisse: Die beiden Pontons sind bereit für den Einbau der Brückenteile.

Spezieller Auftrag

Das Projekt übernahm die Arge «Tebru», bestehend aus der Gebrüder Brun AG, welche die Federführung innehatte,  und der Teko Oberflächentechnik AG. Dominik Burri, Projektleiter bei Brun: «Wir waren für die Organisation, den Aushub und Wiedereinbau zuständig. Dazu haben wir in der betriebseigenen Schlosserei die Stahlbauarbeiten, die Montage des neuen Belags und des Seitenschutzes vorgenommen.» Der Arge-Partner Teko hatte vorab den Oberflächenschutz abgestrahlt und anschliessend erneuert. «Das war ein ganz spezieller Auftrag für uns», so Geschäftsführer Beat Kempf gegenüber der «Urner Zeitung».

Der Zustand der Brücke war dabei generell gut, wie Burri einschätzt. «Einzig die Endquerträger waren stark korrodiert und mussten ersetzt werden.» Zusätzlich musste die Brücke mit zusätzlichen Trägern verstärkt werden. Als Belag wählte das Zürcher Tiefbauamt als Bauherr CPC-Platten (siehe Kasten unten). «Die in der Vergangenheit eingesetzten Holzbohlen sind unterhaltsintensiv», erklärt Mario Rüttimann vom Ingenieurbüro Bänziger Partner AG. «Aufgrund von positiven Erfahrungen des Zürcher Tiefbauamts wurden diese CPC-Platten hier eingesetzt.»

Sanierung Mühlesteg Zürich, Brückenbau

Quelle: Ben Kron

Zuerst werden auf die Pontons die beiden Gondeln gehoben; erst danach folgen die langen Verbindungsteile der Brücke.

Sanierung Mühlesteg Zürich, Brückenbau

Quelle: Ben Kron

Das Brückenteil wird behutsam hochgehoben. Es darf keine Eigenschwingung erhalten, sonst könnte es ausser Kontrolle geraten.

Nächtliche Präzisionsarbeit

Der Einbau der 40 Millimeter starken, auf Mass geschnittenen Belagsplatten, für die ebenfalls Brun verantwortlich war, erforderte exaktes Arbeiten. Dominik Burri: «Alle rund 250 Teile wurden vorab kontrolliert und nachgemessen, bevor wir sie nach Plan an ihrem Platz montierten.»

Nach dem Abschluss der Sanierung kam die Brücke in zwei Nachtschichten wieder an ihren angestammten Platz, in fünf Teilen, die Just in Time von Tiefladern angeliefert und von einem 500 Tonnen schweren Pneukran eingehoben wurden. Hierfür musste ein eigenes Krankonzept erarbeitet werden, befand man sich doch direkt an der Ufermauer der Limmat. Dazu waren Hublasten von bis zu 13 Tonnen bei einer Ausladung von 75 Metern zu bewältigen. Präzisionsarbeit mitten in der Nacht. 

Sanierung Mühlesteg Zürich, Brückenbau

Quelle: Ben Kron

Das Brückenteil ist an seinem Platz und wird montiert. Gutes Wetter und nur schwacher Wind begünstigten die Arbeiten.

Kampf mit wechselnden Wasserständen

Als Herausforderungen bei diesem Projekt nennt Burri in erster Linie die sehr beschränkten Platzverhältnisse mitten in Zürich. «Bauen im Fluss ist ebenfalls immer ein Thema, da wir auch mit sehr variablen Wasserständen zu kämpfen hatten. Das hat die Erreichbarkeit der beiden Baustellen mitten in der Limmat stark erschwert.» 

Dazu wisse man bei einer Sanierung nie genau, was man antrifft. «Erst nach dem Ausbau und dem Abstrahlen wussten wir genau, in welchem Zustand die Brücke effektiv war.» Deshalb mussten alle Projektbeteiligten grosse Flexibilität an den Tag legen, betont Burri, vom Bauherrn bis zu dem Subakkordanten. «Wir mussten uns zusammensetzen und für das Vorgefundene Lösungen erarbeiten. Was aber ausgezeichnet funktioniert hat.»

Nach einigen letzten Montagearbeiten wurde der Mühlesteg schliesslich Anfang Dezember, rechtzeitig für das weihnächtliche Publikum, feierlich wiedereröffnet. Und schon kurz darauf hingen wieder die ersten Liebesschlösser an den Geländern der Brücke, was auch ausdrücklich erlaubt ist. Das Tiefbauamt der Stadt Zürich hat Sinn für Romantik.

CPC-Platten

«Carbon Prestressed Concrete», mit Carbon vorgespannter Beton, wurden von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Winterthur (ZHAW) und der CPC AG entwickelt. Die Betonplatten werden mit nicht korrodierenden Karbonlitzen vorgespannt, was sie langlebig macht. Beim Mühlesteg in Zürich sollen sie hundert Jahre halten.

Allein schon deshalb und wegen des geringen Carbongehalts weist das Material eine sehr gute Ökobilanz auf. Ausserdem benötigen die dünnen Platten, die 40 oder 69 Millimeter stark lieferbar sind, viel weniger Material als herkömmliche Bauweisen, gemäss Hersteller bis zu 80 Prozent. Aufgrund des sehr geringen Gehalts an Carbon kann der Beton auch ohne spezielle Aufbereitung rezykliert werden. 

Kevin Staubli, Geschäftsführer der CPC Solution AG, die das Material in der Schweiz vertreibt, kann bereits auf rund 150 Projekte mit dem Material verweisen. Und zwar vor allem in vier Bereichen: Balkone, Modulbrücken, Beläge und Treppen- oder Podestelemente. Bald sollen Anwendungen im Hochbau folgen, für Decken- und Wandsysteme. (bk)

Projektbeteiligte

  • Bauherr: Tiefbauamt der Stadt Zürich
  • Baumeister: ARGE «Tebru» (Gebrüder Brun AG, Emmen, Federführung, Teko Oberflächentechnik, Flüelen)
  • Ingenieur: Bänziger Partner AG, Zürich
  • Bauleitung: Go Bau AG, Baden
  • Kranarbeiten: Toggenburger AG, Winterthur 
  • Pontons: Kibag AG, Stansstad
  • Brückenlager: Hebag AG, Winterthur
  • Beratung Korrosionsschutz, Stahlbau: SCE Gmbh, Hombrechtikon

Sanierung Mühlesteg Zürich, Brückenbau

Quelle: Ben Kron

Am nächsten Morgen: Der fast fertige Mühlesteg, an den noch letzte Montagearbeiten vorzunehmen sind. Hier noch vor der Eröffnung und deshalb noch ohne Liebesschlösser.

Sanierung Mühlesteg Zürich, Brückenbau

Quelle: Ben Kron

Am nächsten Morgen: Der Kran hat seine Arbeit getan und posiert als Fotosujet - in der folgenden Nacht wurde er wieder abgebaut.

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Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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