Sanierung in der Zürcher Altstadt: Im Dörfli ist Geduld gefragt
Das Zürcher Nieder- und Oberdorf erhält neue Wasserrohre, Elektrokabel und Gasleitungen. Wegen dem knappen Platz im Altstadtquartier, das zudem im Sommer für den Tourismus frei sein muss, erfolgen die Arbeiten in fünfzehn zeitlich versetzten Etappen. Bis 2028 wird das «Dörfli» deshalb zur Dauerbaustelle.
Quelle: Ben Kron
Bauarbeiten ohne Absperrungen: Dank ausgeklügeltem Sicherheitskonzept und erfahrenem Personal auf der Baustelle möglich.
Baustellen sind Arbeitsplätze mit erhöhtem Unfallrisiko. Deshalb bleiben sie in der Regel abgesperrt; nur befugte Personen haben Zutritt. Und auch die nur mit der branchenüblichen Schutzausrüstung: Sicherheitsschuhe, Helm und Leuchtweste sind das Minimum. Doch auf der Baustelle im Zürcher Nieder- und Oberdorf ist alles anders: Fussgängerinnen und Fussgänger laufen unmittelbar neben Baugruben und an Baumaschinen vorbei. Die Männer und Frauen auf der Baustelle müssen ihre Arbeit immer wieder unterbrechen, um Personen passieren zu lassen.
Die Platzverhältnisse waren und sind die grösste Herausforderung bei diesem Vorhaben. Das Niederdorf erfährt umfangreiche Erneuerungs- und Sanierungsarbeiten: Neue Wasserrohre, Elektrokabel und Gasleitungen kommen in den Untergrund, dazu teilweise neue Hausanschlüsse. Die bestehenden Leitungen sind, je nach Medium, zwischen 40 und 100 Jahre alt.
Quelle: Ben Kron
Auch zum Limmatquai und den Tramschienen hin ist der Platz mehr als knapp.
Diverse Sperrzeiten
Die Arbeiten erfolgten in den engen, verwinkelten Gassen der Zürcher Altstadt, die eine wichtige Touristenattraktion darstellt. Dies stellt neben der räumlichen Enge eine weitere Herausforderung dar: Im Sommer ruhen die Baustellen in den Hauptgassen, um den Läden und vor allem auch den Restaurants im «Dörfli» einen geregelten Betrieb zu ermöglichen. Auch für Events wie zum Beispiel das Dörflifest gibt es Sperrzeiten für alle Arbeiten. Dazu müssen nicht nur Fahrwege für die Entsorgung frei bleiben, sondern auch Zufahrten für Notfallfahrzeuge.
Eine weitere, massgebende Randbedingung ist die möglichst unterbruchsfreie Versorgung der Bewohner mit Wasser, Strom und Gas sowie eine funktionierende Entsorgung des Abwassers. «Damit dies möglich ist, werden vor den eigentlichen Grabarbeiten und der Erneuerung der Werkleitungen umfangreiche Provisorien verlegt und angeschlossen», so eine schriftliche Information von der Bauherrschaft. Damit können Versorgungsunterbrüche auf ein Minimum beschränkt werden.
Quelle: Ben Kron
Baumaschine in einer Altstadtgasse: Während der Sommermonate ruhen die Arbeiten im Niederdorf weitgehend.
Hauptarbeiten im Winter
Um all diesen Anforderungen Genüge zu leisten, mussten die Arbeiten auf vier Teilgebiete und zwanzig Baufelder aufgeteilt werden, deren Realisierung zeitlich versetzt und vor allem in den kalten Monaten erfolgt. «Soweit möglich setzen wir alles von Oktober bis Frühling um», erklärt die Bauherrschaft an einer Informationsveranstaltung im November 2022. «Nur in den Nebengassen finden auch im Sommer arbeiten statt.» Installationsplätze konnte man am Hirschengraben, auf dem Grossmünsterplatz und in der Unteren Zäune erstellen.
Die Planung erfolgte laut Bauherrschaft im Rahmen einer Machbarkeitsstudie über den Gesamtperimeter. «Anschliessend wurde das Gebiet in Teilgebiete eingeteilt und vier Projektverfasser submittiert, die das Vor- und Bauprojekt erarbeitet haben. Parallel wurden übergeordnet alle Be-dürfnisse, Anforderungen und Anlässe zusammengetragen und in das Projekt integriert.» Diese sehr umfangreichen Randbedingungen bildeten also bereits die Grundlage für die komplexe Bauphasenplanung.
Die Baufelder wurden anhand dieser Rahmenbedingungen festgelegt. «Die Koordination je Teilgebiet, das mehrere Baufelder umfasst, wird durch den jeweiligen Projektverfasser sichergestellt.» Die übergeordnete Koordination erfolgt im Wesentlichen durch die Bauherrenunterstützung, im Rahmen verschiedener Sitzungsgremien.
Quelle: Ben Kron
Baggern vor malerischer Kulisse: Der Platz für jeden Container musste in der Planung ermittelt werden.
Quelle: Ben Kron
Saugarbeiten beim Grossmünster: Zur Planung gehört auch, solche lärmintensiven Maschineneinsätze auf das Ruhebedürfnis der Anwohner abzustimmen.
Grosse Flexibilität notwendig
Zur Detailplanung der einzelnen Eingriffe existierten noch diverse Unterlagen von der letzten Altstadtsanierung vor rund 40 Jahren. Zudem wurden einzelne Leitungen vorgängig sondiert. Trotzdem ist bei der Ausführung der neuen Werkleitungen oftmals eine grosse Flexibilität notwendig. Zudem sind häufige Absprachen mit allen Werken auf der Baustelle erforderlich.
Ein weiteres wichtiges Thema war und ist natürlich die Sicherheit auf den Baustellen. Hier wurden bei allen beteiligten Unternehmern umfangreiche Massnahmen ausgeschrieben, deren Umsetzung von Bauleitung und Oberbauleitung eng kontrolliert und optimiert werden. Dazu führt eine übergeordnete Stelle regelmässige Kontrollen durch. In kritischen Bereichen kommen auch Verkehrsdienste zum Einsatz, die einen sicheren Durchgang für den Personenverkehr gewährleisten. «Nicht zu unterschätzen ist auch der Einsatz von qualifiziertem Baustellenpersonal, das Erfahrung beim Bauen in innerstädtischem Gebiet hat.»
Quelle: Ben Kron
Baubüro neben der Predigerkirche: Noch gut vier Jahren dauert die Sanierung des Altstadtquartiers am Fusse der Universität.
Quelle: Ben Kron
Dumperparkplatz in einer Nebengasse: In der Enge ist auch Improvisationstalent gefragt.
Umfassende Information
Und schliesslich ist es bei einem so komplexen Projekt unumgänglich, die Anwohner und Gewerbetreibenden mit an Bord zu holen, denn sie werden noch lange mit den Emissionen und Behinderungen wechselnder Baustellen leben müssen. Das Tiefbauamt hat hierfür ein Kommunikationsbüro zugezogen und informiert auf verschie-denen Kanälen über die Arbeiten: Nebst Infoanlässen und Baustellenbegehungen erhalten die Betroffenen regelmässig ein Baustellen-Infoschreiben mit präzisen Angaben zu den bevorstehenden Eingriffen.
Noch gut vier Jahre lang ist also Geduld im Dörfli gefragt. Mit dem voraussichtlichen Ende der Arbeiten im Januar 2028 kehrt dann wieder Ruhe ein. Indes: Derzeit wird die Möglichkeit geprüft, das Quartier ans Fernwärmenetz anzuschliessen. Für Mitte Jahr werden die Ergebnisse dieser Untersuchung erwartet. Sollte der Fernwärmeanschluss kommen, muss neuerlich die Pflästerung in einigen Gassen ausgebaut werden. Doch das war unvermeidlich: «Mit der aktuellen Sanierung konnte wegen dem Zustand der bestehenden Werkleitungen nicht zugewartet werden», erklärt die Bauherrschaft. Aber immerhin: Diese nächste Baustelle würde erst nach dem Jahr 2040 aktuell.
Quelle: Tiefbauamt Stadt Zürich
Vier Teilgebiete und zwanzig Baufelder umfassen die bis 2028 dauernden Sanierungsarbeiten in der Zürcher Altstadt am rechten Flussufer.
Sechs Jahre Bauzeit
Die Arbeiten im Nieder- und Oberdorf begannen im Januar 2023 und werden sich bis Anfang 2028 hinziehen. Das 81,5 Millionen Franken teure Projekt wird realisiert vom Tiefbauamt der Stadt Zürich, in enger Zusammenarbeit mit dem Elektrizitätswerk, der Wasserversorgung Zürich und der Energie 360° AG. Wobei die Kosten des Energieversorgers nicht im städtischen Kredit enthalten sind.
Insgesamt werden rund 17 000 Meter Leitungen verbaut, zum Teil mehrlagig. «Wasser- und Gasleitungen werden wo möglich mittels Inline-Verfahren saniert», erläutert die Bauherrschaft an der Informationsveranstaltung: «Nur am Anfangs- und Endpunkt des Eingriffs muss eine kleine Grube erstellt werden. Von dieser aus wird das neue Rohr ins bestehende hineingeschoben.» Generell gilt, dass die Arbeiten in zwei Bauphasen erfolgen. «Wir können in der kurzen Zeit jeweils nicht alle Arbeiten erledigen», so die Bauherrschaft weiter. In einer ersten Phase werden die Leitungen saniert und die Oberflächen danach, vor allem in den Hauptgassen, provisorisch mit einem Asphaltbelag verschlossen.
Nach einem Unterbruch erfolgt dann der Einbau einer neuen Pflästerung. Diese wird in den schmalen Gassen exakt wie die bestehende ausgeführt. In den Hauptgassen aber verlegt man einen breiten Mittelstreifen mit einer speziellen, neu entwickelten Oberfläche. «Wir haben mit Behindertenorganisationen mehrere Materialien getestet und uns für diese Lösung entschieden. Die bearbeiteten Pflastersteine haben eine sehr flache, rutschsichere Oberfläche und ein schmales Fugenbild.» So kann diese Pflästerung merklich besser mit Rollstühlen und Rollatoren befahren werden. (bk)
Quelle: Ben Kron
Zentimeterarbeit in der Gasse: Trotz aller Vorsicht sind Einschränkungen für die Anwohnenden unvermeidlich.
Quelle: Ben Kron
Wo es technisch möglich war, wurden Leitungen mit dem Inline-Verfahren saniert, das nur an beiden Enden eine kleine Baugrube erfordert.
Quelle: Ben Kron
Provisorischer Belag beim Grossmünster: Die neue, behindertengerechte Pflästerung wird erst in einer zweiten, späteren Bauphase eingebaut.
Quelle: Ben Kron
Der grösste Stellplatz konnte bei der Unteren Zäune eingerichtet werden, gleich neben dem Zürcher Obergericht (links).
Quelle: Ben Kron
Aushub einer Baugrube in der Niederdorfstrasse: Die Arbeiter haben stets ein Auge auf Passanten und müssen ihre Arbeit oft unterbrechen.