Recycling von Baumaterial: Wertstoff statt Abfall
Jährlich verarbeitet der Recyclinghub der Spross Debag in Zürich rund 170'000 Tonnen Abfall, das meiste davon aus dem Baugewerbe. Mehr als 70 Prozent des angelieferten Materials verlassen den Hub wieder als Wertstoff, wenn möglich umweltschonend über den eigenen Bahnanschluss.
Wo gebaut wird, fällt Abfall an. Die Bautätigkeit produziert gemäss dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) 84 Prozent des Abfallaufkommens in der Schweiz, das zwischen 80 und 90 Millionen Tonnen pro Jahr beträgt. Allein das Aushub- und Ausbruchmaterial schlägt mit 57 Millionen Tonnen oder 65 Prozent des gesamten Abfalls zu Buche, dazu kommen 17 Millionen Tonnen oder 17 Prozent Rückbaumaterial.
Immerhin: 70 Prozent der Rückbaumaterialien und sogar 75 Prozent des Aushubs und Ausbruchs werden wiederverwertet, womit jährlich noch 5 Millionen Tonnen verbleiben, die auf Deponien abgelagert oder in Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) vernichtet werden. Gemäss Bafu handelt es sich dabei immer noch um eine beachtliche Menge, die es zu senken gilt.
Gartenbau und Recycling
Das ist auch das Ziel der 12 Mitarbeitenden des Recyclinghubs Zürich der Spross Debag AG, die pro Jahr rund 170000 Tonnen Abfälle umschlagen, auch hier vor allem Bauabfälle, dazu solche aus Industrie und Gewerbe sowie Sperrgut und Geräte aus Haushalten. «Wir kommen dabei auf eine Wiederverwertungsrate von über 70 Prozent», sagt Josef Binzegger, Leiter Entsorgung bei der Spross Debag.
Das Zürcher Gartenbauunternehmen Spross, bereits 127 Jahre alt, wurde vom Firmengründer nach und nach um Bereiche wie Immobilien, Lkw und Bagger, Aushub und Rückbau, Muldenservice und Recycling erweitert. Viele Jahre war das Unternehmen auch Sponsor des Fussballclubs Grasshoppers. 2001 kaufte Spross von der damaligen Holderbank die Abfall-Sortieranlage mitten in Zürich und erweiterte sie Schritt um Schritt zum heutigen Recyclinghub. Gebaut werden mussten auch Lärmschutzwände und Sprinkleranlagen, um die umliegende Stadt vor Lärm und Staub zu verschonen.
Vermischter Bauabfall
Den Hauptteil des angelieferten Materials macht vermischter Bauabfall aus. Dieser wird in Mulden von den 30 Lkw des firmeneigenen Muldenservices und von anderen Unternehmen angeliefert und in der überdachten Anlage sortiert und weiterverarbeitet. Dazu kommt Sperrgut aus dem Gewerbe und Haushalten. Seit Kurzem übernimmt der Recyclinghub von der städtischen Sammlung auch Flaschenglas und Getränkedosen.
In einer Reihe von technisch aufwendigen Prozessen werden aus dem Sperrgut Triage-Produkte wie Altholz, Eisen, Buntmetalle, Beton, Steine oder Gips entnommen. Die brennbaren Überreste dienen schliesslich der Energiegewinnung. Nurwas nicht mehr verwertet werden kann, kommt auf die Deponie.
Bezahlung nach Gewicht
Der Ablauf der Abfallanlieferung ist klar geregelt, wie Josef Binzegger erläutert. Anlieferer werden an der Schranke mit Nummernschild erfasst und gewogen. «Früher bezahlte man das angelieferte Material noch nach Kubikmetern, die wir schätzen mussten. Das führte immer zu Diskussionen. Die Waage ist klar und einfach.» Bei der Ausfahrt wird dann das Fahrzeug wieder gewogen, und der Kunde bezahlt die Gewichtsdifferenz je nach Material.
Nach der Eingangserfassung fährt der Lieferant zur Anlage, wo eine Recyclistin oder ein Recyclist die Ladung kontrolliert, mittels Tablet erfasst und dem jeweiligen Material den Ort zuweist, wo dieses abzuladen ist. Tatsächlich arbeiten auf dem Recyclinghof mehrere Frauen, von denen eine erst kürzlich die Abschlussprüfung absolvierte. Bei dieser Prüfung gilt es unter anderem, 60 verschiedene Metalle zu unterscheiden. «Dazu kontrollieren unsere Fachleute die Ladung auf Sonderabfälle und separieren diese, das ist sehr wichtig». Zu den problematische Materialien gehören Geräte- und Autobatterien sowie Farben und Lacke, aber auch Ölkanisteroder Gasflaschen, die in der Zerkleinerungsmaschine explodieren könnten.
Ist der Abfall in der Halle an den richtigen Orten abgeladen, machen sich die beiden je 30 Tonnen schweren Elektrobagger ans Sortieren. Am Steuer eines der Ungetüme sitzt die kürzlich diplomierte Recyclistin. Sie und ihr Kollege ziehen Eisenstücke und Schrott aus den Abfallhaufen und Kabel sowie grosse Steine oder alles Brennbare und werfen es in den jeweiligen Schacht. Das brennbare Material kommt in einen Schredder, wird über ein Bandmagnet vom Eisen getrennt und dann in Bahncontainer gepresst. So gelangt es am Ende in eine KVA zur thermischen Verwertung.
Was der Bagger nicht sortieren kann, kommt aufs Band und in die Anlage. In einer Siebtrommel mit 6 Zentimeter grossen Löchern wird das Feinmaterial getrennt und gewaschen. «Das Feinmaterial weist in Bezug auf die Masse die grösste Oberfläche auf und hat deshalb in der Regel auch die höchste Belastung mit Schadstoffen», so Binzegger. In einer zweiten Siebung wird alles abgetrennt, was kleiner als 30 Zentimeter ist.
Ein Magnet scheidet danach Eisen aus, ein Windsichter mittels eines Luftstroms die leichten Materialien. Das leichte Material wiederum wandert in den Presscontainer. Was übrig bleibt, sind Beton, Mischabbruch, Gips, Ziegel, Nichteisen-Metalle, schweres Holz und Plastik, alles kleiner 30 Zentimeter. Dieses Gemisch wird seit kurzem mit einem Sortierroboter getrennt.
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Dank den zwei Bahngleisen, die uns zur Verfügung stehen, können wir die Abfälle auf die Bahnwagen verladen, wann wir wollen.
Josef Binzegger, Leiter Entsorgung bei der Spross Debag AG
Josef Binzegger, Leiter Entsorgung bei der Spross Debag AG
Fleissiger Sortierroboter
Er verfügt über Infrarot-Sensoren, eine 3DKamera und Metalldetektoren, die ihm beim Unterscheiden der Stoffe helfen. Emsig und schnell greift die Zange nach den Brocken auf dem Band und lässt sie in den entsprechenden Schacht fallen. Der Roboter unterscheidet Beton und Stein von Metall und Brennbarem, wobei Binzegger einräumt, dass er nicht hundert Prozent des Materials sortieren kann.
«Aber er schafft 1800 bis 2000 Stücke pro Stunde und optimiert unseren Prozess.» Vor dem Sortierroboter befindet sich eine Vibrorinne, die das Material gleichmässig aufgibt. Dies ist nötig, weil der Roboter aufeinander liegende Teile nicht identifizieren kann. Die Stücke, die grösser als 30 Zentimeter sind und nach der Siebung noch übrig bleiben, werden sodann von drei Männern händisch sortiert.
Unter freiem Himmel befinden sich die Lagerfächer für sortenreine mineralische Fraktionen wie Beton, Mischabbruch und Aushub. Der Beton und Mischabbruch wird für die Wiederverwertung von einemBagger von Plastik und Kanthölzern befreit, bevor er vorgebrochen und mit Gross-Lkw wieder abtransportiert und als Kiesersatz für die Produktion von Beton Verwendung findet.
Bahnanschluss als Standorttrumpf
Der grosse Trumpf der Recyclinganlage der Spross Debag ist ihre Lage mitten in Zürich, gleich neben der Hardbrücke und mit eigenem Gleisanschluss. «Dank den zwei Bahngleisen, die uns zur Verfügung stehen, können wir die Abfälle auf die Bahnwagen verladen, wann wir wollen.»
Die Bahn ist natürlich auch für den Abtransort der Container mit brennbarem Material ideal und umweltschonend. Jeden Tag geht eine Zugskomposition mit 12 Waggons auf die Reise, die je 34 Kubikmeter oder 12 Tonnen brennbares Material enthalten. Der Hauptteil dieser Abfälle geht anschliessend nach Winterthur zur thermischen Verwertung.
Jüngstes Standbein Altglas
Regelmässig fährt auch ein Zug mit 900 Tonnen Aushubmaterial für die Rekultivierung eines Kieswerks nach Hüntwangen. Von den umgeschlagenen 170000 Tonnen Abfällen pro Jahr erfolgt gemäss Josef Binzeggerknapp die Hälfte der Abtransporte immer noch per Lkw. «Der Lastwagen ist halt flexibel und günstig und benötigt keinen Bahnanschluss am Abladeort. Die Bahn ist aber zuverlässiger als die Strasse. Sie garantiert einen sicheren Abtransport.» Zudem können mit einem 900-TonnenZug rund 40 Lkw-Fahrten vermieden werden, was den Strassenverkehr in der Stadt Zürich zusätzlich entlastet.
Das jüngste Standbein des Recyclingwerks ist das Sortieren von Altglas. «Da wir sehr zentral gelegen sind und den Bahnanschluss besitzen, gewannen wir die Ausschreibung für das Altglas der Stadt Zürich», so Josef Binzegger. 13 000 bis 14000 Tonnen werden jährlich angeliefert, nach Farben getrennt in Boxen zwischengelagert und auf Bahnwaggons verladen. Jeweils 4 Waggons à 25 Tonnen stehen für das weisse, grüne und braune Glas bereit.
Geschäumte Pneus
Im Sommer können Wespen ein Problem sein, die von süssen Getränkeresten auf den Scherben angelockt werden. Zudem wäre es möglich, dass ein Flaschenhals oder Boden sich durch die dicken Reifendes Radladers drückt, weshalb dessen Pneus geschäumt sind, um ihn gegen Plattfüsse zu wappnen.
Die Stadt Zürich verkauft das Altglas an ein Unternehmen, das aus dem Rohstoff wieder Flaschen produziert. Zurzeit geht das Rohmaterial nach Österreich oder Kroatien. In der Schweiz finden sich keine Abnehmer grosser Mengen mehr, da nur noch eine relativ kleine Glashütte in Betrieb ist.
Wahrzeichen Eidechsenvilla
So zentral der Recyclinghub der Spross Debag in Zürich gelegen sein mag: Nur wer mit dem Zug über die Letzigrabenbrücke der Durchmesserlinie fährt, kann auf die Mulden und Hallen herunterschauen. Von der Strasse aus sind nur die Rückwand der Recyclinghalle zu sehen und an deren Seite das Wahrzeichen des Areals: die 1991 errichtete Eidechsenmauer aus grossen Quadersteinen. Josef Binzegger: «Ich arbeite hier seit 2001 und ich habe heute noch jeden Tag Freude an unserer ‹Eidechsenvilla›».