Raumklima in der Steinzeit: Schädliche Luftqualität in Çatalhöyük
Die Luftqualität war vor rund 9000 Jahren in den Häusern der jungsteinzeitlichen Siedlung Çatalhöyük äusserst schlecht. Sie dürfte zum Teil heftige Gesundheitsprobleme verursacht haben und hätte heutigen Anforderungen nicht genügt. Dies zeigt eine aktuelle Studie.
Quelle: Wolfgang Sauber, eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
Modell der Siedlung Catalhöyük im Museum für Ur- und Frühgeschichte in Weimar (D).
In der jungsteinzeitlichen Siedlung Çatalhöyük lebten während rund 2000 Jahren
bis zu 2500 Menschen. Allerdings hatte die Ansammlung aus Lehmbauten in der
anatolischen Hochebene wenig mit den Städten gemein, wie man sie heute kennt:
Es gab weder Plätze noch Strassen.
Die äusserst dicht aneinander gedrängten Häuser bildeten mit ihren flachen Dächern eine komplexe Stufenlandschaft. Sie hatten in der Regel einen viereckigen Grundriss. Im Innern verteilten sich die einzelnen Bereiche auf unterschiedlichen Ebenen oder vielmehr Stufen. Betreten wurden die Häuser über das Dach, wo sich auch das öffentliche Leben abspielte. Und ihre wenigen Fenster waren vergleichsweise winzig, damit es drinnen bei sengender Sonne kühl blieb.
Feuern wie in der Jungsteinzeit
Wer die mittlerweile zum Unesco-Welterbe erklärte Stätte heute besucht, findet neben den Jahrtausende
alten Mauerresten auch ein nachgebautes Haus, das zeigt, wie die Bewohner der
Siedlung gewohnt haben: Zu den Einrichtungen der Häuser gehörte jeweils eine
Feuerstelle, die mit getrocknetem Dung
oder Holz befeuert wurde.
Die Luftqualität hätte keinesfalls heute üblichen
Standards genügt. Zu diesem Schluss gelangt die Studie eines internationalen Teams von Umweltingenieuren und Archäologen unter anderem von der Universität Newcastle. Für ihre Untersuchungen verbrannten die Wissenschaftler in
der Feuerstelle des nachgebauten Hauses unterschiedliches Brennmaterial und
massen danach die Schadstoffwerte: Dabei stellten sie fest, dass die
durchschnittlichen Feinstaubwerte über einen Zeitraum von zwei Stunden extrem
hoch waren und dass die Konzentrationen auch bis zu 40 Minuten nach dem Ausglühen
noch immer hoch gewesen sind.
Dabei handelt es sich um Feinstaub oder vielmehr um PM2,5. Das heisst um Schwebstaubteilchen, deren Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer ist, und die besonders gesundheitsschädlich sein können.
Fehlende Schornsteine sorgten für Probleme
Dass die Häuser in Çatalhöyük nicht über richtige Schornsteine verfügten und die Gebäude aus einem einzigen Raum bestanden, hatte laut Lisa-Marie Shillito von der Universität von Newcastle zur Folge, dass jeder, der sich drinnne aufhielt, unsicheren Feinstaubwerten ausgesetzt war. „Die Kombination aus offenem Feuer und mangelnder Belüftung hat sich mit ziemlicher Sicherheit negativ auf die Gesundheit dieser Menschen ausgewirkt“, so die Archäologin.
PM2,5-Partikel können tief in die Lunge eindringen, wo sie sich im Gewebe festsetzen und auch in den Blutkreislauf gelangen können, was eine Entzündungsreaktion ausserhalb der Lunge auslöst. Shillito und ihre Kollegen stellten fest, dass die sterblichen Überreste vieler Bewohner von Çatalhöyük Anzeichen von Osteoperiostitis oder Knochenläsionen aufwiesen, die eine Reaktion auf eine Infektion sein können. Die Ursache dafür sehen sie im Umstand, dass sie zu Lebzeiten chronisch PM2,5 ausgesetzt gewesen waren. (mai)
3D-Animation zu Çatalhöyük, basierend auf vorhandenen Daten, von 2017. (Institute for the Bio-Cultural Study of Religion (IBCSR) und Virginia Modeling, Analysis, and Simulation Center (VMASC))