Prora: Der Koloss am Ostseestrand
An einem der schönsten Strände der Ostseeinsel Rügen steht ein gigantisches Bauwerk aus der Nazi-Zeit. Es sollte einst als «Seebad der 20'000» deutsche Arbeiter auf Systemtreue trimmen. Nun mutiert es zur Feriendestination.
Wer auf der deutschen Ostseeinsel Rügen dem weissen Sandstrand bei Binz entlang schlendert, traut seinen Augen kaum. Direkt hinter Dünen und Kiefernwäldern erhebt sich ein nicht enden wollender Gebäudekomplex: der «Koloss von Prora». Die etwa 2,5 Kilometer lange Anlage ist eine der grössten baulichen Hinterlassenschaften der nationalsozialistischen Zeit und steht deshalb unter Denkmalschutz. Dennoch ist es bereits seit Jahren gleichzeitig eine Grossbaustelle: Die Ruinen des nie fertiggestellten Nazi-Seebads wandeln sich sukzessive in Wohnblocks mit Ferienwohnungen und Hotelzimmern. Die erfolgreich begonnene Transformation zum Feriengebiet für Besserverdiener dürfte sich allerdings noch jahrelang hinziehen.
Eine Urlaubsmaschinerie
Wie es zum NS-Monumentalbau am Ostseestrand kam, erfährt der Besucher vor Ort in der Dauerausstellung des Dokumentationszentrums Prora. Das deutsche Nazi-Regime hatte sich in den 30er-Jahren zum Bau eines gigantischen Seebads an der Meeresbucht des «Prorer Wiek» entschieden. Im Komplex der NS-Organisation «Kraft durch Freude» (KdF) sollten bis zu 20'000 Arbeiter gleichzeitig Ferien machen können und sich so gemäss der Propaganda von den alltäglichen Strapazen erholen. Mit diesen Aussichten wollte das Nazi-Regime seine Arbeiter bei der Stange halten.
Auf 4,7 Kilometern entlang der Küstenlinie plante der beauftragte Architekt Clemens Klotz den Bau von acht je 500 Meter langen, identischen Bettenhäusern, die symmetrisch um einen Festplatz angeordnet sein sollten. 1936 starteten die Bauarbeiten für das «KdF-Seebad Rügen» mit seinen geplanten 10'000 Gästezimmern. Doch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden 1939 alle Aktivitäten eingestellt und die Bauarbeiter für kriegsrelevante Projekte abgezogen. Die Anlage in Prora blieb unvollendet und wurde nie als Seebad genutzt.
Quelle: Klugschnacker, CC BY-SA 3.0
Die Luftaufnahme aus dem Jahr 2011 zeigt die Prora-Nordflügel 1 und 2 an der Ostsee (im Hintergrund: Kleiner Jasmunder Bodden).
Quelle: Klugschnacker, CC BY-SA 3.0
Die Luftaufnahme aus dem Jahr 2011 zeigt die Prora-Nordflügel 1 und 2 an der Ostsee (im Hintergrund: Kleiner Jasmunder Bodden).
Quelle: Klugschnacker, CC BY-SA 3.0
Die Luftaufnahme aus dem Jahr 2011 zeigt die Prora-Nordflügel 1 und 2 an der Ostsee (im Hintergrund: Kleiner Jasmunder Bodden).
Im Wandel der Zeit
In den Jahren zwischen 1945 und 1949 wurden drei der acht Seebad-Bettenhäuser grösstenteils zerstört. Das DDR-Regime entschied sich anschliessend, die vom Koloss übriggebliebene Bausubstanz zur Kasernenanlage umzubauen. Prora wurde ab 1950 für über vier Jahrzehnte militärisch genutzt und zur berüchtigten Sperrzone. Nach der deutschen Wende hatte die Kaserne am Ostseestrand dann ausgedient. An der leerstehenden, 1994 unter Denkmalschutz gestellten Anlage nagte der Zahn der Zeit.
Um den Erhalt des zeitgeschichtlichen Baudenkmals sicherzustellen, strebte die deutsche Bundesregierung nun die Privatisierung von Prora an. Doch die Umnutzung erwies sich als anspruchsvoll. Erst ab 2004 gelang es, die einzelnen Gebäudeblöcke nach und nach an Privatinvestoren zu veräussern. Ein wichtiger Meilenstein war zudem im Sommer 2011 die Eröffnung einer grossen Jugendherberge mit 402 Betten im nördlichsten Teil des Komplexes.
Weitere Informationen: www.prora.eu