Photovoltaik: Wo sich die grössten Solarpotenziale befinden
Trotz Skepsis der Bevölkerung kommt der Solarexpress voran. Grosses Potenzial haben auch andere Anwendungsfelder der Solartechnik. Der Solarpotenzialkataster könnte dazu beitragen, die Planungssicherheit zu erhöhen.
Quelle: Solarexpress - Nalpsolar
Der Bau einer alpinen Solaranlage bei der Staumauer Lai da Nalps ist vorteilhaft, weil für den Anschluss ans Stromnetz bestehende Infrastruktur genutzt werden kann. Visualisierung: Geplante Anlage «Nalpsolar».
Obwohl beim Solarexpress klare Terminvorgaben für die Einmalvergütung von Investitionen bestehen, ist der Projektstatus evaluierter alpiner Solaranlagen sehr unterschiedlich. Die Realisierung der alpinen Solaranlage beim Schiltgrat oberhalb von Mürren mit einer Produktionskapazität für rund 3000 Haushalte war auf gutem Weg. Eigentümer der Alpflächen und der Gemeinderat von Lauterbrunnen stimmten Anfang 2024 für den Bau der Anlage, auch die Finanzierung war gesichert. Doch nach einem Referendum stimmte die Gemeindebevölkerung schliesslich dagegen. Ein Solarprojekt bei Hasliberg stiess ebenso auf Ablehnung, im Juni ein weiteres in Saanen. Auf Zustimmung von Bevölkerung und Baubewilligungsbehörde stiess dagegen das Projekt bei der Alp Morgeten im Simmental, wobei inzwischen eingesprochen wurde.
Auch im Kanton Graubünden hat der Solarexpress an Fahrt eingebüsst. Pläne für den Bau von Solaranlagen zerschlugen sich in der Gemeinde Surses sowie auf den Alpen Schnaus und Rueun. Eine Solaranlage plant der Stromkonzern Axpo unmittelbar beim Stausee Nalps auf dem Gebiet von Tujetsch. Das Projekt befindet sich in der Submissionsphase und in der Detailplanung, wie das Unternehmen mitteilt. Eine Teilinbetriebnahme bis Ende 2025 sei immer noch realistisch, wobei der Investitionsentscheid noch gefällt werden müsse. Die Bündner Regierung hat kürzlich mehrere solare Grossanlagen in der Surselva bewilligt, darunter die Projekte «NalpSolar» und «SedrunSolar».
Baubewilligung in Laax liegt vor
Nach wie vor werden Ideen für Solarprojekte lanciert wie im Skigebiet Rosswald oberhalb von Brig VS, während die Bevölkerung von Varen und Albinen gegen den Bau von Solaranlagen stimmte. Nach dem Ja an der Gemeindeversammlung von Hérémence kommt dagegen die Realisierung des Projekts «Prafleuri solaire» mit einem Produktionspotenzial von 25 Gigawattstunden voran. Wegen der Lage im Gebiet der Dixence-Staumauer kann bereits vorhandene Infrastruktur genutzt werden. Ziel ist es, dass bis Ende 2025 ein erster Teil der geplanten Anlage den Betrieb aufnehmen kann.
Aufgrund der Ausmasse sind bei solaren Grossprojekten politische Auseinandersetzungen absehbar. Daran ändert auch der Umstand wenig, dass Solaranlagen in touristisch geprägten Gegenden mit bestehenden Beförderungs- und Beschneiungsanlagen geplant werden. Für die Ablehnung ins Feld geführt wird trotzdem oft die intensivere Nutzung der Landressourcen, wie eine Umfrage der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und der TU Wien ergab.
Gleichwohl hat die alpine Solaranlage unterhalb des Vorabgletschers auf dem Gemeindegebiet von Laax dieser Tage die Baubewilligung erhalten. Hinter dem Projekt stehen die Weisse Arena Gruppe und Repower. Geplant sind auf einer Fläche von rund 150'000 Quadratmetern etwa 22'000 Solarmodule, die bei einer Produktionsleistung von rund 8,6 Megawatt im Jahr voraussichtlich rund 12 Gigawattstunden Strom liefern sollen. Auch bei diesem Projekt steht dem Vernehmen nach der Investitionsentscheid noch aus.
Stromlücke füllen
Schweizweit sind 124 Ausbauprojekte geplant, wie der Verband der Schweizer Elektrizitätsunternehmen (VSE) in einer Momentaufnahme den Stand der Entwicklung bei grossen Solaranlagen zeigt. Viele der Bauvorhaben befinden sich in höheren Regionen des Alpenkamms sowie in den Voralpen. Bei Realisierung sämtlicher Grossprojekte könnte laut dem VSE eine Jahresproduktion von 4,6 Terawattstunden (TWh) resultieren und im Winter zusätzlich mindestens 3,8 TWh.
Damit lässt sich jedoch nur ein Teil der Stromlücke füllen, die mit dem 2017 von der Schweizer Stimmbevölkerung beschlossenen Atomausstieg bis 2035 entsteht und die der VSE auf 37 TWh beziffert. Daher stellt sich die Frage, welchen Beitrag andere Bereiche für die Versorgungssicherheit leisten können. Mitunter wird das Potenzial der Photovoltaik (PV) je nach Anwendungsfeld über- oder unterschätzt. Denn oft stellt sich bei der Evaluation heraus, dass die Bedingungen für die PV-Nutzung weniger günstig sind als angenommen oder dass eine Reihe von Restriktionen zu beachten ist.
Welche Orte sich für PV eignen
Bei der flächendeckenden Nutzung der Photovoltaik ist entscheidend, wo in der Schweiz die Sonneneinstrahlung hinsichtlich Intensität und Dauer jene Bedingungen schafft, die für den Betrieb von Solaranlagen optimal sind. Anhaltspunkte dazu liefert der Solarpotenzialkataster. Er bildet die Basis für die Potenzialberechnung alpiner Freiflächen und Anwendungen auf Dächern, Fassaden oder Parkplätzen. Im Auftrag von Swissolar hat Meteotest gesamthaft eine Potenzialberechnung der Photovoltaik in der Schweiz durchgeführt. Die Bundesämter Swisstopo, Meteo Schweiz und das BfE stellen mit der Anwendung «Sonnendach.ch» den Kataster für die Schweiz bereit. Meteotest hat dafür die Solarpotenzialanalyse erstellt.
Quelle: Wikimedia Commons – Aschroet – eigenes Werk
Das grösste Potenzial ausschöpfen lässt sich laut der Studie mit Solaranlagen auf Hausdächern. Lediglich Teile der Dachflächen zu nutzen, ist weder aus ökonomischer noch ästhetischer Hinsicht empfehlenswert.
Bei einer räumlichen Auflösung von 0,5 Meter sind jeweils die mittlere und aktuelle monatliche Sonneneinstrahlung, die PV-Potenziale für Dächer und Fassaden der Gebäude in der Schweiz berücksichtigt und ermöglicht auf diese Weise eine systematische und umfassende Betrachtung photovoltaischer Anwendungen. Basis für die Berechnung bilden Satellitendaten von Meteo Schweiz und das 3D-Gebäudemodell von Swisstopo. Die Sonneneinstrahlung auf Dachflächen und Fassaden inklusive Abschattungseffekte von Gebäuden, Vegetation und Topographie wurde anhand von Modellen durchgerechnet und die Werte pro Dachfläche und Fassade gemittelt. Für die Analyse abgeschätzt wurde auch die potenziell fehlende gesellschaftliche Akzeptanz von alpinen Solarprojekten.
Unentbehrlich wegen Winterstrom
In Lagen zwischen 1500 und 2500 Metern funktionieren PV-Anlagen bei einem Neigungswinkel der Module von rund 70 Grad und südlicher Ausrichtung am effizientesten. Dann produzieren Anlagen in dieser Höhe laut der Analyse in der jahreszeitlichen Betrachtung jeweils praktisch gleich viel Energie. Bei der Integration in das bestehende Schweizer Stromsystem ist dies gemäss den Autorinnen und Autoren ein wesentlicher Aspekt. Im Jahresverlauf erreicht die Ausbeute in den Wintermonaten maximale Werte. Solare Grossanlagen in alpinen Höhenlagen liefern daher den im Winter dringend benötigten Strom. Denn zurzeit muss die Schweiz im Winter auf Importe zurückgreifen, während sie im Sommer überschüssigen Strom exportiert. In die Analyse einbezogen wurde zudem, dass im Bereich der PV-Flächen weiterhin eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung möglich sein soll.
Als Standorte ausgeschlossen wurden sämtliche Schutzgebiete sowie Geröllhalden, Gletscher oder Sumpfflächen. Eine weitere Restriktion ist die Erschliessung. Demnach sollten die für Solaranlagen in Frage kommenden Gebiete in einer Entfernung von höchstens einem Kilometer zur nächsten befahrbaren Strasse liegen. Weil solche Einschränkungen die Erstellungskosten erhöhen können, wurden zu teure Solaranlagen für die Abschätzung der kurz- und mittelfristigen Nutzung der Photovoltaik realistischerweise nicht berücksichtigt. Zur Ermittlung des ausschöpfbaren Potenzials wurden für bestimmte Projekte bei der nutzbaren Fläche prozentuale Abschläge vorgenommen. Das Ergebnis: Mit grossen Solaranlagen auf alpinen Freiflächen liessen sich pro Jahr 16,4 TWh Strom produzieren.
Potenziale auf Dächern ausloten
Auf Grundlage der Daten von Meteotest lässt sich auch das ausschöpfbare Solarpotenzial von Dach- und Fassadenflächen oder Parkplätzen abschätzen. In einem vier-stufigen Verfahren wurde dazu der effektiv nutzbare Bereich bestimmt, denn tatsächlich kann nicht die gesamte Fläche von Hausdächern für PV-Installationen einbezogen werden. Die ursprüngliche Methode wurde bei der Detailuntersuchung verfeinert. Statt einer pauschalen Reduktion des Potenzials aufgrund definierter Abschlagswerte, bildeten Satellitendaten die Basis für die Ausscheidung ungeeigneter Flächen.
Quelle: Mensi_pixelio.de
Solarflächen an Fassaden sollten laut der Studie einen Mindestumfang haben. Anhand von Satellitendaten lässt sich zeigen, wo die Sonneneinstrahlung für PV-Anwendungen ideal ist.
Im Auftrag des BfE hat das Unternehmen «e4plus» für ein Testgebiet die netto für PV-Installationen zur Verfügung stehenden Flächen eruiert, indem die Werte um Dachaufbauten, Kamine, Dachfenster und -türen oder bei Fassaden von Balkonen oder Türen bereinigt wurden. Ausgeschlossen wurden zudem Flächen auf geschützten Gebäuden, obwohl auch für diese laut den Autorinnen und Autoren mittlerweile anerkannte PV-Produkte angeboten werden.
In einem Zwischenschritt wird auch das technische Potenzial ausgewiesen, wobei der Flächenumfang von Anlagen sowie die Sonneneinstrahlung eine zentrale Rolle spielen. Vor der Klassierung nach Gebäudetyp und Leistungsklasse werden Dachflächen aus dem aggregierten Gesamtpotenzial entfernt, etwa wenn sie weniger als 10 Quadratmeter umfassen und sich laut der Studie aufgrund der zu «geringen» oder mittelmässigen Sonneneinstrahlung für PV-Anwendungen nicht eignen. Bei Fassaden beträgt das Mindestmass der Solarfläche 20 Quadratmeter.
Kleine Flächen, grosser Effekt
Ein besonderes Augenmerk galt der Grösse von PV-Anlagen auf Dächern. Demnach können Grossanlagen, die gemäss Energieförderverordnung eine definierte Leistung von mehr als 100kW haben, lediglich einen vergleichsweisen kleinen Beitrag an den Ausbau der Photovoltaik leisten. Die Autoren der Analyse finden ihre Aussage bestätigt in einer im Auftrag der Schweizerischen Energiestiftung SES erstellten Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. In der Schweiz entfallen weniger als 20 Prozent des ausschöpfbaren Potenzials von Dächern auf diese Grössenkategorie, die rund 43'000 Flächen umfasst.
Quelle: Wikimedia Commons – Wikitarisch – eigenes Werk
Böschungen und Stützmauern entlang von Strassen bieten Potenzial für die PV-Nutzung. Auch neben Bahntrassees liessen sich Brachen für die Stromproduktion erschliessen.
Das grösste ausschöpfbare Potenzial auf Gebäuden orten die Studienautoren bei kleineren Anlagen ohne oder mit geringem Eigenverbrauch. 61 Prozent der geeigneten Dachflächen befinden sich auf Mehrfamilienhäusern, Bauten mit Mischnutzung, Industrie-, Gewerbe und Bürogebäuden. Aufgrund des ausschöpfbaren Potenzials der Kleinanlagen betonen die Autoren die Dringlichkeit eines einfach umsetzbaren Anreizsystems. Der Vorschlag von Swissolar: Ein einheitlicher minimaler Rückliefertarif in Kombination mit einer Einmalvergütung. Empfohlen wird für diese Grössenkategorie von Anlagen eine vollflächige Installation, da eine Teilnutzung der Dachflächen sowohl in ökonomischer als auch ästhetischer Hinsicht als fragwürdig erachtet wird.
Bestätigung durch weitere Studie
Gemäss dem Solarpotenzialkataster können ungefähr 50 Prozent der Dachflächen und rund 30 Prozent der Fassaden wirtschaftlich genutzt werden. Bei der Potenzialanalyse für PV-Anwendungen auf Dächern ist wiederum der Faktor Zeit von Bedeutung. Das kurzfristig nutzbare Potenzial auf Gebäudedächern beziffern die Auto-rinnen und Autoren auf rund 26 TWh und bei Fassaden auf 9 TWh. Mittelfristig ist laut der Studie das ausschöpfbare Potenzial auf Gebäuden jedoch rund doppelt so hoch. Bei Dächern liege das ausschöpfbare Potenzial somit bei 55 TWh und bei Fassaden im Bereich von 18 TWh.
Quelle: Swissolar
Das grösste ausschöpfbare Potenzial auf Gebäuden orten die Studienautoren bei kleineren Anlagen ohne oder mit geringem Eine Studie der EPFL kommt bei Potenzialschätzungen von Dachflächen auf ähnliche Werte. Für den Zeithorizont 2035/2040 erachten die Studienautoren auf Dächern einen Potenzialwert von 24,6 TWh als realistisch. Ermittelt wurde der Wert in einem zweistufigen Verfahren mit Daten des Kantons Genf. Dabei wurden zuerst Dachflächen umfassend berücksichtigt und dabei eine «optimale» Installation der Anlagen unterstellt. Danach wurde mithilfe des maschinellen Lernens die Gesamtfläche um die Dachaufbauten korrigiert.
Flächen an Trassees und Strassen
Als Standorte von Grossanlagen kommen auch Parkplätze, Lärmschutzwände, Lawinenverbauungen, Staumauern und Freilandanlagen in Frage. Bei überdeckten Parkplätzen sehen die Autoren ein ausschöpfbares Potenzial von 4,9 TWh pro Jahr, wobei davon 3,9 TWh kurz- bis mittelfristig nutzbar sein könnten. Bei Autobahnböschungen liegt das ausschöpfbare Potenzial bei 5,6 TWh pro Jahr, wiederum mit einer kurz- bis mittelfristig realisierbaren Nutzung im Umfang von 3,9 TWh. Bei der Nutzung von Lärmschutzwänden hat der Kanton Bern übrigens eine Vorbildfunktion inne. Auf dem Kantonsgebiet befinden sich 1300 Infrastruktur-objekte, die für Installation von Solar-anlagen geeinigt sind. Zwei Konsortium installieren im Berner Mittelland und im Oberland PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von über 10 Megawatt.
Bei der Förderung der Photovoltaik ist der Solarpotenzialkataster ein entscheidender Beitrag für mehr Planungssicherheit. Und angesichts der Potenziale könnte der Solarenergie ein ähnlicher Erfolg beschieden sein wie bei der Nutzung von Wärmepumpen.
Solarexpress bleibt in Fahrt
Die PV-Nutzung soll zeitlich abgestuft umgesetzt werden mit kurz- bis mittelfristiger sowie langfristiger Wirkung der ausschöpfbaren Solarpotenziale. Beim Solarexpress zentral ist die an Termine gebundene Einmalvergütung. Der Bund bezahlt bis zu 60 Prozent der Investitionskosten für die neuen Solarkraftwerke, wenn bis Ende 2025 zehn Prozent der Produktionskapazität einer Anlage genutzt und Strom ins Netz eingespeist wird. Mit der Fristsetzung will der Bund die Bewilligungsverfahren beschleunigen und vermeiden, dass Projekte durch Einsprachen blockiert werden, wie dies beim beabsichtigten Ausbau der Wasserkraft mit der Erhöhung der Staumauer beim Grimselsee oder dem Bau des Speicherbeckens an der Trift der Fall war. (sts)
Bedarf und Potenzial
Laut Erhebungen des Bundesamts für Energie (BfE) umfasst in der Schweiz der Energieverbrauch aktuell vor allem aus Erdöl gewonnene Brenn- und Treibstoffe (43%) und Gas (15%) sowie Elektrizität (26%). Je ein Drittel entfällt dabei auf Privathaushalte und den Verkehr. Industrie und der Dienstleistungssektor machen je knapp einen Fünftel des Verbrauchs aus. Die Stromproduktion erfolgt hauptsächlich mit Wasser- (62%) und Atomkraft (29%) sowie mit konventionell-thermischen und erneuerbaren Anlagen (9%). Laut dem BfE ist der Energieverbrauch pro Person in der Schweiz seit Jahren rückläufig. Obwohl die Bevölkerung zwischen 1990 und 2020 um 28,7 Prozent gewachsen ist, hat im gleichen Zeitraum der Energieverbrauch pro Person um 5,9 Prozent abgenommen.
Aktuell decken PV-Anlagen rund vier TWh des Strombedarfs. Das ausschöpfbare Gesamtpotenzial der Jahresproduktion von Solarstrom in der Schweiz sieht der Verband Swissolar, der die Anliegen von Organisationen und Unternehmen der Solarwirtschaft vertritt, bei rund 118 TWh. (sts)