Neue Technik der Pulverbeschichtung für die Fassade der Spitalpharmazie Aarau
Metallfassaden können Gebäuden einen individuellen Charakter verleihen. Für
die Sanierung der Fassade der Spitalpharmazie des Kantonsspitals Aarau wurde eine neuartige Technik der Pulverbeschichtung mit Besenstrich-Finish
entwickelt. Diese Lackierung erfordert neben guten Materialkenntnissen
auch viel handwerkliches Geschick.
Quelle: Michael Bühler, ZH & SO
Detail der Metallfassade mit Pulverbeschichtung der Spitalpharmazie am Kantonsspital Aarau.
Das Kantonsspital Aarau (KSA) ist das grösste Spital des Kantons Aargau. Als überregionales Gesundheitszentrum verfügt es über eine umfassende medizinisch-technische Infrastruktur, die momentan mit dem Grossprojekt «Dreiklang» auf den neusten Stand der Technik gebracht wird. Dadurch soll die medizinische Grundversorgung bis hin zur hochspezialisierten Medizin auch in Zukunft sichergestellt werden.
Die Spitalpharmazie stellt die
pharmazeutische Versorgung des KSA sicher und betreut weitere Aargauer
Gesundheitseinrichtungen. Das sogenannte Haus 17 auf dem Spitalsareal wurde in
den 1980er-Jahren errichtet. Inzwischen haben sich die Anforderungen an die
Spitalpharmazie, die Medikamentenprozesse und die Produktion verändert und
machten eine Sanierung nötig.
Das Gebäude der Spitalpharmazie wurde einst als schlichter
und funktionaler Industriebau erstellt. Die Planung und Ausführung des Umbaus
wurden dem Zürcher Architekturbüro Steiger Concept AG übertragen. Unter Betrieb
musste das Gebäude saniert und flächenmässig vergrössert werden, um die
Organisation und Arbeitsprozesse innerhalb der Pharmazie zusammenlegen und
optimieren zu können.
Quelle: Claudia Bertoldi
Das Gebäude der Spitalpharmazie des Kantonsspitals Aarau erhielt bei der Sanierung eine neue Fassadenverkleidung aus pulverbeschichtetem Aluminiumblech.
Gebäude im Blechkleid
Der komplette Umbau des Gebäudes wurde in BIM realisiert.
Mehr Fläche unter laufenden Betrieb zu schaffen, war in diesem Fall eine
hochkomplexe Aufgabe. Der Laborbetrieb in den partikel- und keimfreien
Reinräumen, wo unter anderem Krebsmedikamente hergestellt werden, musste
weiterlaufen. Die pharmazeutische Produktion garantiert das Funktionieren des
Aarauer Spitals und weiterer vier Kliniken.
«Die Gestaltung der Fassade war nicht ohne Bedeutung,
spielte beim Gesamtprojekt aber eine eher untergeordnete Rolle. Für uns sind
aber auch sekundäre Aufgaben sehr wichtig», sagt Projektleiterin Sabina Bogacz.
Die Architektin stellte das Fassadenteilprojekt während der Veranstaltung
«Konkret – Besenstrich auf Metall» in der Schweizer Baumuster-Centrale Zürich
vor, die anlässlich der Ausstellung «Reaktionen auf Metall» stattfand.
«Wir beginnen jedes Entwurfsprojekt mit Schlüsselbegriffen
und nicht mit Referenzbildern, da Wörter abstrakter sind und eine
Weiterentwicklung des Entwurfs ermöglichen», erklärt Sabina Bogacz. Für die
Fassadengestaltung wurden in diesem Fall die Begriffe «industriell» und
«handwerklich» gewählt. Der industrielle Ansatz wurde durch eine Metallfassade
erreicht, handwerklich hingegen sollte die Oberflächenbehandlung ausgeführt
werden.
Der Entwurf wurde detailliert weiterentwickelt, dem dünnen
Material sollte eine Körperhaftigkeit verliehen werden. Dafür wurden klassische
Metallkassetten mit einer Pulverbeschichtung gewählt. Die Oberfläche sollte mit
einer Bürste strukturiert, die Beschichtung anschliessend eingebrannt und somit
die Struktur dauerhaft haltbar gemacht werden.
«Eine klassische Metallbaufassade hat normalerweise Fugen.
Wir wollten diese Fugen überwinden. Mit konstruktiven Details, durch
aussenliegende Falze, war dies möglich. Der Bau wirkt so sehr monolithisch, die
vorgehängten Metallkassetten sind kaum sichtbar», beschreibt die Architektin
den Aufbau.
Die Blechplatten wurden dabei unter eine markante,
plastische Aufkantung am Rand der nächsten Platte geschoben. So entstehen keine
Plattenstösse. Einzig die horizontale Fuge sei verblieben. Diese sei für den
Baufortschritt von grosser Bedeutung gewesen, denn sie erlaubte einen etappenweisen
Baufortschritt und damit die Sicherstellung des laufenden Laborbetriebs.
Quelle: Claudia Bertoldi
Eingangsbereich der neugestalteten Spitalpharmazie des Kantonsspitals Aarau.
Lange Experimentierphase
Die Idee der Fassadengestaltung hätte ohne Fachleute, die sich ausgezeichnet mit Pulverbeschichtungen auskennen, nicht verwirklicht werden können. Mit selbsthergestellten Mustern der dünnen Metallplatten mit dem unregelmässigen, per Hand gezogenen Besenstrich wandten sich die Projektanten an den Farbenhersteller Karl Bubenhofen (Kabe Farben) in Gossau SG.
«Wir haben ein Modell aus Karton erhalten, das ist nicht
üblich. Es wurde mit Acrylfarben und einem gewissen Struktureffekt kreiert. Ein
Besenstrich-Effekt stellt für die Pulverbeschichtung eine hohe Herausforderung
dar», berichtet Marco Capizzi, Leiter Anwendungstechnik bei Kabe Farben.
Einerseits bestünden hohe Qualitätsansprüche für Fassadenbeschichtungen,
andererseits sei der Farbton entscheidend.
«Es war klar, dass ein Zweischichtsystem zur Anwendung
kommen muss. Diese Lackierung besteht aus einer Grundierung und einer
Deckbeschichtung. Auf der Deckschicht ist dann der Besenstrich aufzubringen»,
so Capizzi. Dies stelle eine hohe Herausforderung an die Farbtoneinstellung
dar. Denn in den «Tälern» der Pulverschicht werde die Grundierung sichtbar, was
nach dem Aufbringen des Besenstrichs den Farbton verändert.
Quelle: Kabe Farben
Lange wurde bei Kabe Farben experimentiert, bevor der richtige Farbton für die Pulverbeschichtung der Metallplatten gefunden war.
In kleinem Massstab wurden im Labor zunächst die Komponenten
vorgemischt. Die Rohstoffmischung wird zu einer zähflüssigen Paste extrudiert,
anschliessend auf einem Kühlband abgekühlt, danach als kalte, flachgepresste
Platten zu Pulverlack-Chips gebrochen. Dieser Ausgangsstoff wird im Anschluss
in der Mühle zu einem definierten Korn-Spektrum vermahlen. Die Pulverkörner
haben je nach Produkt eine Grösse von rund zwei bis 120 Mikrometern (1 µm
entspricht 0,001 Millimeter).
Somit erhält man den Basisfarbton, der entsprechend dem
Vorlagemuster eingestellt wird. «Man musste dabei berücksichtigen, welche
Effektpigmente zusätzlich benötigt werden, da es sich um einen Effektlack
handelt, der so perfekt wie möglich eingestellt werden soll», fährt Capizzi
fort. Der Basiston ergibt erst in entsprechender Kombination mit den
Effektpigmenten den eigentlichen Farbton.
Quelle: Kabe Farben
Verschieden grosse, beständige Aluminiumpigmente und ein Goldpigment wurden vermischt, um die gewünschte Farbgebung zu erreichen.
Kein Nullachtfünfzehn-Projekt
Im Laufe der Bemusterung wurden sowohl der Basisfarbton als
auch die Effektpigmente mehrfach angepasst. Es waren zahlreiche Versuche nötig,
um das richtige Mischverhältnis für die gewünschte Farbgebung zu erreichen.
Dabei kamen verschieden grosse, für die Fassadenanwendung beständige
Aluminiumpigmente und ein Goldpigment zum Einsatz. Da ein sehr brillanter,
silbriger Effekt gewünscht wurde, musste dementsprechend eine sehr grosse Menge
von Effektpigmenten eingesetzt werden.
Dies erforderte wiederum einen Veredlungsprozess, das
sogenannte Bonding, was eine einheitliche Farbgebung ermöglicht. Beim Bonding
heften sich die Effektpigmente unter hohen Temperaturen an die einzelnen
Pulverlackkörner. Nach dem Bonding wurden die ersten A4-Bleche beschichtet und
eingebrannt. Anschliessend konnte die zweite Farbschicht appliziert und die
Besenstrich-Struktur per Handaufgetragen werden.
«Erst nachdem die zweite Beschichtung eingebrannt ist, kann
man das Muster nochmals in die Coloristik geben und den Farbton anpassen. Denn
der Farbton verändert sich leicht, wenn eine Struktureingebracht wird und die
Wirkung der ersten brillanten Schicht zur strukturierten Deckschicht einen
gewissen Kontrast bildet», so Capizzi. «Das war die grösste Herausforderung. Es
war relativ aufwendig, aber das erzielte Resultat ist ein tolles Ergebnis»,
meint er. Es sei ein gewagtes Vorhaben gewesen, aber dafür auch kein
Nullachtfünfzehn-Projekt wie die üblichen Standardfassaden.
Quelle: Kabe Farben
Viele Versuche waren nötig, um das gewünschte Resultat zu erhalten. Die drei Bleche zeigen die Schritte der Materialbearbeitung bis zum gewünschten Ergebnis.
«No risk, no fun»
Für die Pulverbeschichtung in der Werkstatt lagen die
Prototypen aus den Laborversuchen vor. Wie die Fertigung in grossem Umfang
umsetzen werden kann, war hingegen unklar. Auf die Ausschreibung hin erhielt Kabe
zehn Anfragen zur Fertigung des «Besenstrichs auf Metall». Letztendlich gingen
drei Offerten ein, darunter auch jene von Luigi Gelsomino, Inhaber des Traub
Pulverbeschichtungswerks in Kreuzlingen. Mit ihm wurde nun Neuland betreten und
die Umsetzung im grossen Massstab verwirklicht.
«Als wir die Anfrage erhalten haben, gab es erst einmal Verwunderung, wie wahrscheinlich zuvor auch bei Kabe», erzählt Gelsomino. «Was ist denn das für eine Schnapsidee? Geht das denn überhaupt? Und wollen wir uns wirklich auf so etwas einlassen?», haben wir uns erst gefragt. Mit den Mitarbeitern wurde das Projekt begutachtet und versucht, eine Lösung zu finden. Denn: «No risk, no fun – warum nicht probieren?», so Gelsomino.
Quelle: Traub
Ein Mitarbeiter beim Anbringen des Besenstrichs auf die pulverbeschichteten Metallplatten. Ein gleichmässiger Druck und eine ruhige Hand sind dabei unbedingt nötig.
Die Anfrage sei sehr einfach aufgebaut gewesen. Gefordert wurde eine exakte Quadratmeterzahl an Aluminiumfassade mit einseitiger Beschichtung und Besenstrich. Weder waren die Geometrie des Bauteils noch dessen Grösse bekannt. Dennoch wagte Gelsomino sich an das Projekt.
«Als Qualicoad-zertifizierter Betrieb sind wir stark daran interessiert, dass solche Objekte in der Schweiz realisiert werden und wir es zur Ausführung bringen können», betont der Beschichtungsfachmann. Von Marco Capizzi wurde Luigi Gelsomino über die Fertigung der Prototypen informiert. Mit diesen wenigen Informationen gab er ein Preisangebot als Subunternehmer an die Firma Metall Pfister in Dielsdorf ZH ab.
Um sich von der Ausführung vor Ort zu überzeugen, machte sich Projektleiterin Sabina Bogacz mit ihren Kollegen auf den Weg nach Kreuzlingen. «Wir bekommen selten Besuch von Planern oder Firmen, die sich das Endprodukt anschauen möchten. Zunächst empfindet man dies als Störfaktor, man möchte nicht alles preisgeben», erzählt Luigi Gelsomino. Doch offene Kommunikation sei wichtig und ehrliche Arbeit könne auch gezeigt werden. Der Besuch sei letzten Endes eine Bestätigung dafür gewesen, dass man auf dem richtigen Weg sei.
Die richtige Borstenhärte und der exakte Besendruck
Die Bearbeitung mit dem Besen erfordert viel handwerkliches Geschick. Je nach Applikation entstehen unterschiedliche Ergebnisse. Die richtige Borstenhärte und der Druck des Besens auf das Blech spielen dabei die entscheidende Rolle. In der Werkstatt habe man im Vorfeld verschiedene Besen ausprobiert, ohne ein zufriedenstellendes Resultat zu erhalten.
Bei der ersten Produktion wurden weitere Tests gemacht und die Arbeit dann erfahrenen Mitarbeitern übergeben. «Die Schwierigkeit des Projekts lag zudem in der grossen Vielzahl von unterschiedlicher Blechgrössen, sodass eine Automatisierung von Anfang an ausgeschlossen werden musste», berichtet Gelsomino.
Die Pulverbeschichtung ist frei von Lösungsmitteln. Der einzige Nachteil sei, dass die Farben nicht selber hergestellt werden können. Es bedürfe also immer der Zusammenarbeit mit spezialisierten Firmen wie Kabe, die die Farbe nach den Wünschen der Architekten und Bauherrschaften zur Verfügung stellen. Eine Pulverlackbeschichtung hat zudem den Vorteil, dass im Bedarfsfall der identische Farbton auch nach Jahren nachbestellt werden kann.
Quelle: Claudia Bertoldi
Ein Fassadenelement , das in der Schweizer Baumuster-Centrale Zürich anlässlich der Ausstellung «Reaktionen auf Metall» gezeigt wurde
Zusammenspiel entscheidend
Nur das Zusammenspiel aller Beteiligten habe bei diesem Projekt zum Erfolg geführt. «Wir würden jederzeit wieder einen derartigen Auftrag übernehmen. Jetzt erst recht, da wir nun über das Know-how verfügen», meint der Pulverbeschichtungsfachmann. «Wir haben vor allem bei der Logistik viel hinzugelernt.»
Bei der ersten Anlieferung waren an den Platten diverse Beschädigungen beim Aufstellen aufgetreten. «Dank der guten Kommunikation mit Metall Pfister und dem Montageteam haben wir gemeinsam die beste Lösung gefunden, um das Material besser handhaben und schadensfrei transportieren zu können», so Gelsomino.