20:31 BAUPRAXIS

Nachhaltiges und klimagerechtes Bauen mit Glas

Teaserbild-Quelle: Sigab

Sind verglaste Fassaden, wie sie zurzeit im Trend liegen, noch sinnvoll und klimagerecht? Und wäre es nicht nachhaltiger, vermehrt Altbauten zu sanieren, um wertvolle Ressourcen zu schonen? Diese Fragen standen im Zentrum des zweiten Sigab-Glas-Termins in Biel.

Von Barbara Loepfe *

Das Farelhaus in Biel, eine denkmalgeschützte Architekturikone aus den späten 1950er-Jahren, diente als Veranstaltungsort für den Fachevent der Glas- und Baubranche. Rund 150 Fachleute aus der Glas- und Baubranche sowie Vertreter von Verbänden, Hochschulen, Behörden, Versicherungen und Generalunternehmungen nahmen am zweiten Glas-Termin des Schweizerischen Instituts für Glas am Bau (Sigab) teil.

Worauf muss bei der Sanierung solch denkmalgeschützter Altbauten, insbesondere bei deren Glasbauteilen, geachtet werden? Dieser Frage ging Ivo Thalmann, Architekt und Mitglied der Trägerschaft des Farelhauses, in seinem Eröffnungsreferat nach. Er schilderte die Herausforderungen der nachhaltigen Sanierung, bevor an einer Führung die verschiedenen Räumlichkeiten besichtigt werden konnten.

«Das Baudenkmal ist vor allem ein historisches Zeugnis, und es braucht einen entsprechenden Umgang mit dieser Substanz», meinte die Architektin Isabel Haupt von der kantonalen Denkmalpflege Aargau. Sie sieht das Baudenkmal als anerkannte Ressource in Zeiten eines wachsenden Bewusstseins für die Herausforderungen, die Ressourcenknappheit und Klimawandel mit sich bringen. Die unterschiedlichen Fragestellungen, die bei einer Instandsetzung, Sanierung oder einem Umbau an ein Denkmal herangetragen werden, sollten ihrer Meinung nach auch mit unterschiedlichen und vor allem innovativen Lösungsansätzen beantwortet werden.

Haupt wies darauf hin, dass die energetische Ertüchtigung von historischen Fenstern nicht automatisch bedeute, dass diese historischen Fenster in die Mulde geworfen werden müssen. Es gelte in der heutigen Zeit auch die graue Energie zu bedenken, die in den üblichen Berechnungsmodellen oft nicht berücksichtigt werde.

Haupt empfahl ein Variantenstudium im Hinblick auf einen nachhaltigen Einsatz der finanziellen Ressourcen. Neben den Kosten wird dabei auch der Heizbedarf berücksichtigt. Das Raumklima wird über ein Jahr mit verschiedenen Jahreszeiten und Aussentemperaturen simuliert. Dieser denkmalpflegerische Ansatz eines Variantenstudiums lohne sich auch bei Bestandesbauten, die nicht geschützt seien, sagte Haupt.

Immer mehr Hitzetage

Doch nicht nur die Heizkosten spielen in Zukunft eine Rolle. Durch den Klimawandel werden die Sommer bei uns immer heisser und trockener. Es werden mehr Hitzetage gemessen, und die Temperatur in Wohnräumen muss vermehrt durch Kühlgeräte geregelt werden. Kühl- und Klimatisierungsgeräte benötigen einerseits Energie, und die an Hauswänden angebrachten Geräte sind andererseits aus architektonischer Sicht nicht sehr ästhetisch.

Wie lässt sich die Raumtemperatur beziehungsweise der thermische Komfort ohne Kühlung regulieren? Dieser und weiteren Fragen widmet sich Gianrico Settembrinis Forschung am Institut für Gebäudetechnik und Energie an der Hochschule Luzern (HSLU). «Es muss ein Paradigmenwechsel beim Bauen vorgenommen werden. Von der Winter- müssen wir zur Sommerbetrachtung übergehen. In spätestens 40 Jahren wird der Kühlbedarf grösser sein als der Heizbedarf», ist Architekt Settembrini überzeugt.

Massnahmen zur Optimierung sieht er auf verschiedenen Ebenen: einerseits in der Architektur sowie in der technischen Ausstattung, andererseits auch in der Gesetzgebung und in entsprechenden Normen. Er plädiert für einen bewussteren Umgang mit Fenstern betreffend Grösse, Ausrichtung, Qualität, Positionierung im Raum beziehungsweise in der Fassaden- und Dachfläche.

Ebenso sei ein gezielter Einsatz von architektonischen Elementen wie festen Beschattungen und Balkonen in der frühen Entwurfphase sehr wichtig. Es gelte, eine gute Balance zwischen den drei Feldern der solaren Gewinne, der Tageslichtnutzung sowie des Überhitzungsschutzes im Spannungsfeld zwischen Mensch, Gebäude und Energie zu finden.

Mit diesem Paradigmenwechsel wird in den kommenden Jahren auch der Fassadenplaner vermehrt konfrontiert werden. Thomas Weidner von der Sutter + Weidner Fassadenplanung GmbH zählte die verschiedenen Anforderungen auf, die an einen Fassadenplaner gestellt werden: der Austausch mit den unterschiedlichsten Akteuren, die an einem Bauprojekt beteiligt sind, sowie die Auseinandersetzung mit vielseitigen Materialien und Technologien, aber auch der steigenden technischen Komplexität im Fassadenbau.

Fensterfront des Farelhauses in Biel

Quelle: Sigab

Fensterfront des Farelhauses in Biel. Das Gebäude mitten in der Stadt ist eine denkmalgeschützte Architekturikone aus den späten 1950er-Jahren.

Dynamische Verglasungen

Vielseitige Technologien finden sich auch in der Glasherstellung. Ideal für heisser werdende Sommer sind Verglasungen mit geringem g-Wertrespektive Gesamtenergiedurchlassgrad. Diese bieten mehr Sonnenschutz, da sie weniger Energie beziehungsweise Wärme durchlassen. Die Wohnräume werden im Sommer dadurch weniger aufgeheizt und müssen entsprechend weniger energieintensiv gekühlt werden.

Nebst den bekannten Sonnenschutzgläsern drängen vermehrt Gläser mit veränderbaren Eigenschaften auf den Markt. Markus Läubli, Architekt und Sigab-Institutsleiter, präsentierte diese dynamischen Verglasungen, die aufgrund ihrer elektrochromen Technologie als Sonnenschutzlösungen dienen. Bei diesen Produkten kann der g-Wert der Verglasung auf Knopfdruck verändert werden. Solche Gläser reduzieren den solaren Eintrag, erhöhen somit den Komfort in den Innenräumen und gewähren dennoch eine freie Sicht nach aussen.

Ebenso würden wieder vermehrt traditionelle Gläser wie vorgestellte Profilbaugläser aus Weissglas zur Verkleidung der Fassade eingesetzt, stellte Läubli fest. Profilbauglas ist ein Glas in U-Form, das im Maschinenwalzverfahren hergestellt wird. Es ist durchscheinend, jedoch nicht durchsichtig.

Der grosse Lichtdurchlass ist besonders für industrielle Gebäude, Sporthallen, Treppenhäuser und architektonische Ausführungen geeignet. Modernste Anwendungen wie vorgehängte Fassaden und teiltransparente Wärmedämmungen lassen sich damit realisieren. Eine neue Sigab-Richtlinie zur Verwendung von Profilbauglas befindet sich in der Vernehmlassung und wird voraussichtlich Ende 2020 publizierte.

Vorhangfassade Farelhaus

Quelle: Sigab

Mit seiner Vorhangfassade ist das Farelhaus ein bedeutender Architekturzeuge seiner Zeit.

Ab hier ist dieser Artikel nur noch für Abonnenten vollständig verfügbar.

Jetzt einloggen

Sie sind noch nicht Abonnent? Übersicht Abonnemente

Anzeige

Firmenprofile

Cosenz AG

Finden Sie über die neuen Firmenprofile bequem und unkompliziert Kontakte zu Handwerkern und Herstellern.

Reports

analyse

Kostenfreie Reports zur Bauindustrie

Jetzt noch mehr inhaltsstarke Quartalsanalysen, kostenlos für Baublatt Abonnent*innen. Neben der Baublatt Analyse, die neu «Baublatt Project Categories» heisst, erhalten Sie ab April 2025 zwei brandneue Reports als Zusatz. Erfahren Sie hier was «Baublatt Top Players» und «Baublatt Regional Projects» zu bieten haben – wie gewohnt digital, prägnant und graphisch auf den Punkt gebracht.

Dossier

Spannendes aus Print und Online für Abonnenten
© James Sullivan, unsplash

Spannendes aus Print und Online für Abonnenten

Dieses Dossier enthält die Artikel aus den letzten Baublatt-Ausgaben sowie Geschichten, die exklusiv auf baublatt.ch erscheinen. Dabei geht es unter anderem um die Baukonjunktur, neue Bauverfahren, Erkenntnisse aus der Forschung, aktuelle Bauprojekte oder um besonders interessante Baustellen.

Bauaufträge

Alle Bauaufträge

Newsletter abonnieren

newsico

Mit dem Baublatt-Newsletter erhalten Sie regelmässig relevante, unabhängige News zu aktuellen Themen der Baubranche.