17:03 BAUPRAXIS

Nachhaltiges Bauen: Lebender Beton für mikrobielle Häuser?

Geschrieben von: Pascale Boschung (pb)
Teaserbild-Quelle: CU Boulder College of Engineering and Applied Science

Beton im Zeichen der Nachhaltigkeit? US-Forscher haben mit Bakterien einen betonartigen Baustoff entwickelt, der lebt, sich vervielfältigt und so gut wie kein CO2 freisetzt.

Form zur Herstellung von lebendigen Ziegeln

Quelle: CU Boulder College of Engineering and Applied Science

Eine Form zur Herstellung von Ziegeln aus dem lebenden Material.

Biologische Materialien wie Holz werden heute häufig verbaut. Diese Materialien seien jedoch nicht mehr lebendig, wendet Will Srubar ein, Assistenzprofessor am Departement für Bau-, Umwelt- und Architekturingenieurwesen (CEAE) an der Universität von Colorado Boulder. Der Ingenieur und sein Team stellten sich in der Folge die Frage: Warum sollten Materialien nicht lebendig gehalten werden, damit die Vorteile ihrer Biologie genutzt werden können?

Auf der Suche nach einer Antwort entwickelte das Team ein Material, das Beton ähnelt und aber lebendig ist. Zur Herstellung des neuartigen Baustoffs braucht es eine Mischung aus Sand und Hydrogel sowie Gelatine, in der sogenannte Synechococcus-Bakterien wachsen. Dank der gelartigen Masse werden sie mit Nährstoffen und Feuchtigkeit versorgt. Auf diese Weise bleiben sie am Leben.

Unter bestimmten Bedingungen produzieren diese Bakterien Calciumcarbonat, was wiederum einen Prozess im Material auslöst: Die Mikroorganismen mineralisieren die Gelatine und fügen den Sand und das Hydrogel nach und nach zu einer festen Masse zusammen. Das Ergebnis: ein Backstein.

Risse selbstständig flicken

ImGegensatz zur herkömmlichen Beton- und Zementproduktion wird bei der Herstellung des lebenden Baustoffs fast kein CO2 freigesetzt. Die Mikroben verbrauchen stattdessen sogar das Treibhausgas bei ihrer Arbeit. Wie die Wissenschaftler weiter berichten, kann der Baustoff in Zukunft sogar selbständig Risse flicken, toxische Luft aus der Umgebung absorbieren und sogar je nach Anforderungen leuchten.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass die mit dieser Technik produzierten Backsteine auch langlebig sind. So weisen die Steine unter verschiedenen Feuchtigkeitsbedingungen ungefähr die gleiche Festigkeit auf, wie heute verwendeter, herkömmlicher Mörtel.

Eine weitere besondere Eigenschaft des Materials ist seine Reproduktionsfähigkeit. So könne ein Stein in zwei Hälften geteilt werden und die Mikroorganismen sorgten dafür, dass aus jeder Hälfte ein neuer Stein entstehe, erklärt Srubar. Die Ziegel sind denn auch widerstandsfähig: Nach Berechnungen der Forscher lebten nach 30 Tagen und drei Ziegel-Generationen noch ungefähr 9 bis 14 Prozent der Bakterienkolonien.

Wil Srubar und Sarah Williams im Labor.

Quelle: CU Boulder College of Engineering and Applied Science

Wil Srubar und Sarah Williams, Absolventin der University of Colorado Boulder, im Labor.

Bakterien als Baumeister

Es sei bekannt, dass Bakterien exponentiell wachsen, wird Srubar in einer Mitteilung der Universität zitiert. Könnte das Material biologisch angebaut werden, liessen sich solche Ziegel demnach auch in exponentiellem Massstab produzieren. Bevor die Forschung soweit sei, gebe es aber noch viel zu tun.

Denn die Bakterien im Material brauchen beispielsweise feuchte Bedingungen, um zu überleben. Diese findet man aber nicht in trockeneren Regionen auf der Welt. Aus diesem Grund ist der Ingenieur mit seinem Team derzeit mit der Entwicklung von Mikroben beschäftigt, die widerstandsfähiger gegenüber Austrocknung sind.

Baustoff mitWasser zum Leben erwecken

Die Möglichkeiten des lebenden Betons sind gemäss Srubar aber dennoch gross. So stellt er sich in ferner Zukunft vor, wie Säcke ausgeliefert werden könnten, die alle Zutaten für den Baustoff in getrockneter Form enthalten. Vor Ort müsste man dann nur noch etwas Wasser hinzugeben, um danach mit dem Bau mikrobieller Häuser anfangen zu können.

Zur Mitteilung: https://www.colorado.edu/today/2020/01/15/building-materials-come-alive

Zur Studie: https://www.cell.com/matter/fulltext/S2590-2385(19)30391-1

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