12:14 BAUPRAXIS

Moosgarten: Technik und grüne Polster

Teaserbild-Quelle: Alexandra von Ascheraden

Ein Moosgarten schafft eine ganz eigene Stimmung. Damit dies gelingt, braucht es nicht nur einiges an Fachwissen, sondern auch einiges an Technik. Ein Blick hinter die Kulissen eines solchen Gartens.

«Moos hat in den Schweizer Gärten noch lange nicht den Stellenwert, der ihm zustehen sollte», bedauert Gartenbauer Roger Ingold. Er setzt seine Füsse vorsichtig auf die Trittplatten im Innenhof der Jugendpsychiatrie in Basel. Den 36 Quadratmeter umfassenden Moosgarten hat er vor zwei Jahren zusammen mit Kuhn Landschaftsarchitekten angelegt. Jetzt ist ein Kontrollgang fällig.  «Wir haben hier etwa zwei Drittel Moose angepflanzt. Der Rest sind Gehölze und Farn», sagt Ingold. «Alle Moose stammen aus eigener Produktion.»

Struktur geben Kalksteine und Totholz, die ebenfalls teilweise mit Moos überzogen sind, dazu kommen kleine Hügel und Sträucher. Der Innenhof liegt zum grössten Teil ganztags im Schatten. Das Hauptmoos ist daher das schattenverträgliche Zypressenschlafmoos (Hypnum cupressiforme). Es wird ergänzt mit einigen wenigen untergeordneten Moosarten, dazu kommen dicke Moospolster im schattigen Teil des Innenhofs. In den sonnenbeschienenen Teilen sind dagegen besonders sonnenverträgliche Sorten gepflanzt.

Zeigerpflanzen veraten viel

Seit fünfzehn Jahren arbeitet Ingold mit Moos. Er testet alle denkbaren Kombinationen von Arten, Substraten und Bewässerungsarten aus. Ingold findet Moose höchst spannend. «Wenn man die verschiedenen Moose gut genug kennt, sind sie ausgezeichnete Zeigerpflanzen für Lichtverhältnisse, Säure- Stickstoff- und Kalkgehalt und informieren den Gärtner über die Boden- und Luftfeuchte.»  Bei Zeigerpflanzen handelt es sich um Pflanzen, die ganz spezifische Lebensbedingungen brauchen und sensibel auf entsprechende Veränderungen reagieren; sie liefern daher Hinweise auf die Bodenqualität.

Zypressenschlafmoos

Quelle: Robert Flogaus-Faust, eigenes Werk, CC-BY 4.0

Das Zypressenschlafmoos - oder Hypnum cupressiforme - ist sozusagen die Hauptpflanze im Moosgarten der Basler Psychiatrie.

Längst genügt Ingold die Artenauswahl nicht mehr, die die meisten vorkultivierten Matten bieten. «Fast immer werden dafür Moose hergenommen, die auf Pionierstandorte ausgelegt sind. Legt man sie im Garten aus, ohne den Boden entsprechend aufzuarbeiten und in die Bewässerung zu investieren, dann kommt das selten gut», so Ingold. Denn die besonders anpassungsfähigen Pionierarten sind zwar genügsam, können aber der Konkurrenz schwer standhalten. Sie verändern ihre Umgebung so, dass bald auch starkwüchsigere Moose gedeihen können, die dann zusammen mit einfliegenden Sämlingen die Pionierarten alsbald verdrängen – sofern der Moosgarten nicht sachgerecht gepflegt wird.

Ingold hat mit viel Geduld verschiedene Moosgesellschaften entwickelt, die auf ihren künftigen Standort abgestimmt sind. Von Matten für schattige, feuchte, saure Bereiche bis hin zu Matten für kalkhaltige Böden in sonnigen Bereichen. 

Technik im Baumstumpf

Ganz offensichtlich funktioniert beim Moosgarten in der Jugendpsychatrie nicht nur die Pflanzenzusammenstellung, sondern auch das Bewässerungskonzept. Hier ist nicht alles, was es scheint. Die Technik braucht schliesslich ebenfalls Raum. Der imposante Baumstumpf im Zentrum des Gartens beispielsweise wirkt für den Laien einfach nur malerisch. Sein Inneres ist jedoch hohl und verbirgt einen Schwanenhals mit Elektrozuleitung.

Was heute so schlicht und einfach wirkt erforderte einiges an baulicher Vorbereitung. Bauseits musste für die Gehölze eine wurzelfeste Abdichtung erstellt werden. «Ausserdem waren zu wenig Zuleitungen erstellt worden. Nachträglich musste noch einmal eine Kernbohrung durch die Decke gemacht werden, damit die nötigen für Elektrozuleitungen gelegt werden konnten», erinnert sich Ingold. Die Bewässerung funktioniert über die Kombination von zwei Systemen: Eine regulierbare Bewässerung mit Bevorratung, die den Wasserstand auf acht Zentimeter Höhe hält, wurde mit einer Besprühungsanlage kombiniert. Deren Sprühköpfe fügen sich diskret ins Gesamtbild ein. Zwei Überlaufschächte sind unter Deckeln verborgen.

Baumstrunk

Quelle: Alexandra von Ascheraden

Der Baumstrunk ist mehr als eine Zier, in ihm verbirgt sich die Technik, die den Moosgarten versorgt.

Wichtig war auch die Installation einer Entkalkungsanlage. «Moose vertragen kalkhaltiges Wasser schlecht. Ausserdem braucht es bei einer Tropfleitung sowieso entkalktes Wasser, weil die Löcher sonst spätestens nach einem Jahr zu sind», fasst der Gartenbauer zusammen. Bewässerung ist seiner Erfahrung nach ohnehin das zentrale Thema bei Moos. «Meist wird zu viel bewässert. Die Leute vergessen, dass Moose mit Trockenphasen sehr gut umgehen können. Sie gehen dann in eine Art Ruhemodus über. Dasselbe kann man auch bei Frost beobachten.» Stimmen Feuchtigkeitsangebot und Temperaturen wieder, regenerieren sie sich schnell.

Fachkundige Pflege gefragt

Ein Jahr nach der Anlage geht es dem Moosgarten im Innenhof der Klinik jedenfalls prächtig. Ganz von selbst gedeiht das Moos natürlich nicht. Im ersten Jahr haben die Gärtner zwölf Pflegedurchgänge gemacht. Im zweiten werden voraussichtlich acht genügen. Ingold erläutert: «Die Arbeiten beinhalten vor allem das Entfernen von auflaufenden Beikräutern und braunen Farnblättern. Bei Bedarf machen wir leichte Korrekturen an den Gehölzen. Zudem arbeiten wir während der Vegetationszeit immer wieder an der Optimierung der oberirdischen Bewässerung.» Dazu kommen im Frühling natürlich noch der Rückschnitt der Farne und das Düngen der Farne und Gehölze, wobei die Gärtner hier sorgfältig darauf achten, dass das Moos keinen Dünger abbekommt.

"Moose des Waldbodens"

Quelle: zvg

"Moose des Waldbodens"

Buchtipp «Moose des Waldbodens»

Nicht umsonst schätzt man die angenehm kühle feuchte Waldluft, an der Moose grossen Anteil haben. Ihre Rolle im Ökosystem ist nicht zu unterschätzen: Sie speichern Wasser und geben es langsam wieder ab.

Fast ein Viertel der Europäischen Moose steht auf der Roten Liste.  Weltweit gibt es zwar 24000 Moosarten, aber kaum noch Experten, die sie bestimmen können. «Der Artenkenntnis wird allgemein weniger Bedeutung beigemessen, obwohl der Erhalt der Biodiversität als wichtige Aufgabe angesehen wird. Besonders die Moosflora wird bei botanischen Übungen als vernachlässigbar eingestuft. Nicht zuletzt, weil sie sich nur mit Anstrengung erschliesst», schreibt Biologin Christine Rapp in im Vorwort ihres Bestimmungsführers «Moose des Waldbodens». Wer erst einmal begonnen hat, Rapps grosszügig illustrierte Einführung zu lesen, wird das Buch für den nächsten Ausflug in den Wald mit Sicherheit einpacken. Es gelingt der Autorin, die diese kaum bekannte Pflanzengruppe sehr spannend erscheinen zu lassen.

Durch einen klar gegliederten Bestimmungsschlüssel erlaubt das Bestimmungsbuch auch Laien die den Zugang zu dieser schwierigen Pflanzengruppe. Jedes Moos wird im zweiten Teil des Buches auf einer eigenen Doppelseite vorgestellt. Das reiche Bildmaterial mit Detailaufnahmen sorgt für Sicherheit bei der Bestimmung. Wichtige Details sind in vergrösserten Aufnahmen zusätzlich mit Pfeilen gekennzeichnet, wenn sie für die Unterscheidung der Arten zentral sind. Wenn all das nicht genügt, sind wissenschaftliche Zeichnungen beigefügt. So kommen sowohl Botaniker als auch Fachleute der Grünen Branche genauso auf ihre Kosten wie interessierte Spaziergänger. Sehr zum empfehlen! (ava)

«Moose des Waldbodens – ein Bestimmungsführer», Christine Rapp
200 Seiten, rund 200 Fotos und 30 Zeichnungen, Haupt Verlag, ISBN 9783258081397, ca. 44 Franken

Geschrieben von

Regelmässige freie Mitarbeiterin für das Baublatt. Ihre Spezialgebiete sind Raumplanung, Grünräume sowie Natur- und Umweltthemen.

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