Luftschiffhangar in Mülheim an der Ruhr: «Theo» bleibt am Boden
Auf dem Verkehrsflugplatz in Mülheim an der Ruhr (D) wurde ein neuer Luftschiffhangar in Betrieb genommen. Bei der 26 Meter hohen Halle handelt es sich um eine reine Holzkonstruktion, die 2023 mit dem Architekturpreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet wurde.
Für viele Jahre konnte man regelmässig das 58 Meter lange
Prallluftschiff «Theo» über Nordrhein-Westfalen (und auch darüber hinaus) am
Himmel sichten. Dabei prangte auf seiner textilen Hülle über lange Zeit hinweg
das Logo des Film- und Unterhaltungselektronikherstellers «Fuji». «Theo»
befindet sich inzwischen im Ruhestand und wird sich wohl nie wieder in die
Lüfte schwingen. Allerdings kann man nunmehr in den Sommermonaten für rund 600
Euro Rundflüge mit dem Nachfolger «Hugo» buchen. Die wärmere Jahreszeit ist
nicht nur aus thermischen Gründen für den Luftschiffbetrieb erforderlich, sie
empfiehlt sich auch aus Gründen des Komforts, da die Acht-Personen-Kabine
nicht beheizt ist. «Theo» wurde allerdings nicht verschrottet, auch wurde das
ihn tragende Helium-Gas in seiner Textilhülle belassen.
Ohne eine Flugzulassung schwebt er nun dauerhaft,
gewissermassen als hochfotogene Innendekoration, in dem neu errichteten
Luftschiffhangar am Verkehrsflugplatz in Mülheim an der Ruhr. Tatsächlich ist
diese XXL-Garage so gross, dass auch «Hugo», der nun grössere Nachfolger,
ebenfalls darin untergebracht werden kann – sofern er nicht an seinem zweiten
Standort in Friedrichshafen am Bodensee, sondern im Ruhrgebiet weilt. Denn der
2023 fertig gestellte Hangar ist für die Aufnahme von zwei Prallluftschiffen dieser
Grössenordnung ausgelegt.
Unterhalten wird die in ihrer Grösse mehr als beeindruckende
Halle von der ebenfalls dort ansässigen WDL Luftschiffgesellschaft mbH. Die
Firma konstruiert und nutzt die besagten Prallluftschiffe. Die Wertschöpfung
mit den heutigen Luftschiffen erfolgt zum einen mit Rundflügen, zum anderen mit
ihrer Vermarktung als fliegende Werbefläche.
Planung und Realisation
Die neue Luftschiffhalle ersetzt einen etwas kleineren
Vorgängerbau, der im Volksmund gerne als die «Grüne Raupe» bezeichnet wurde. Es
handelte sich um eine leichte Zeltkonstruktion, die von im Halbkreis gebogenen,
Stahlfachwerkbindern getragen wurde. Ihre östliche Stirnseite konnte gleich
einem Tiermaul nach oben geöffnet werden. Dann «verspeiste» sie wahlweise das
darin geparkte Luftschiff oder spie es im Frühjahr wieder aus. Dar alte Hangar
konnte jedoch nicht beheizt werden, was eine winterliche Einhallung der
Luftschiffe verkomplizierte, da sich mit sinkender Temperatur das Gas
zusammenzog und damit an Tragfähigkeit verlor. Auch war infolge der kühlen
Innentemperaturen eine zusätzliche Nutzung der Halle als Event-Location
weitgehend ausgeschlossen.
Quelle: Robert Mehl
Ein jeder der halbkreisförmigen Fachwerkbinder besteht aus vier Teilsegmenten, die in der Zimmerei Wie auch bei der Vorgängerhalle kann die östliche Stirnseite für den Ein- und Ausflug der Luftschiffe geöffnet werden.vorgefertigt und per Tieflader angeliefert wurden.
Quelle: Robert Mehl
Wie auch bei der Vorgängerhalle kann die östliche Stirnseite für den Ein- und Ausflug der Luftschiffe geöffnet werden.
2020 fand der Abriss des alten Hangars statt und der Aufbau
einer neuen, wetterfesten Luftschiffhalle begann unmittelbar danach. Der
Entwurf – ein Direktauftrag – stammt vom ebenfalls in Mülheim an der Ruhr
ansässigen Planungsbüro Smyk Fischer Architekten. Das Tragwerk wurde von dem
die Architekten beratenden Ingenieurbüro Ripkens Wiesenkämper aus Essen
entwickelt. Von ihnen stammt auch der Vorschlag einer im Luftverkehrswesen
ungewöhnlichen Holzkonstruktion. Anlass dafür war der Bauherrenwunsch nach einer
maximalen Nachhaltigkeit des Projekts. Die Ausführung und die Montage der 14,
jeweils in einem Halbkreis angelegten Fachwerkbinder und die darauf aufgelegte
Holzschalung erfolgte durch die in Niederkrüchten ansässige W. u. J. Derix GmbH & Co. Die Halle ist 26 Meter
hoch und misst innen 23 Meter im Lichten. Die Grundfläche des
Hangars ist 92 Meter lang und 42 Meter breit.
Holzkonstruktion
Ein jeder der halbkreisförmigen Fachwerkbinder besteht aus
vier Teilsegmenten, die in der Zimmerei vorgefertigt und per Tieflader
angeliefert wurden. Vor Ort wurden zunächst jeweils zwei Segmente am Boden
zusammengefügt und dann mittels Autokränen aufgerichtet. Dann wurde der Vorgang
mit der zweiten Fachwerkbinderhälfte wiederholt und schliesslich die beiden
Halbbögen in ihrem Scheitel aneinander gekoppelt. Nach dem Stellen des nächsten
Binders wurden diese mit stabilisierenden Querverbindungen verbunden. Alle
Fachwerkbinder wurden anschliessend mit einer Holzschalung belegt. Diese dient
nicht nur als Träger für die Dachhaut, sondern fungiert auch als
Queraussteifung der Hallenkonstruktion. Die Aussenseite der hölzernen
Hallenschalung wurde mit 15 Zentimeter starker Mineralwolle gedämmt und
schliesslich mit einem Stehfalzblech aus Zink verkleidet.
Eine Ausführung des Hangars als Holzkonstruktion war mit
Blick auf den vorbeugenden Brandschutz unbedenklich. Denn anders als zu den
grossen Zeiten der Zeppeline in den 1930er-Jahren sind die heutigen
Prallluftschiffe nicht mehr mit dem feuergefährlichen Wasserstoff, sondern mit
dem Edelgas Helium befüllt. Feuerkatastrophen, wie 1937 der Brand der
Hindenburg in Lakehurst bei New York, sind deshalb nicht mehr zu befürchten.
Aber natürlich muss der Hangar die regulären Brandschutzauflagen einer
Industriehalle dieser Grösse erfüllen und mindestens eine
Feuerwiderstandsklasse T30 aufweisen.
Quelle: Robert Mehl
Auf der westlichen Seite hat der Hangar eine am Boden beginnende Verglasung erhalten, die der natürlichen Hallenbelichtung dient.
Macht hoch die Tür
Der Mittelbereich des Fussbodens der 3864 Quadratmeter
grossen Halle besteht aus insgesamt 525 quadratischen, jeweils 1,50 Meter
grossen Betonfertigteil-Bodenplatten. Bei diesen handelt es sich um eine
unmittelbare Zweitverwendung (Reuse) eines Industriebodens, der aus einer etwa
sechs Kilometer entfernten und mittlerweile abgerissenen Halle stammt.
Wie auch bei der Vorgängerhalle kann die östliche Stirnseite
für den Ein- und Ausflug der Luftschiffe geöffnet werden. Dabei bilden die
beiden Torflügel jeweils sphärisch gekrümmte Dreiecke, die beim Ausfahren nur
von der unteren Türangel gehalten werden. Der Öffnungsvorgang erfolgt separat
für jeden Torflügel über einen zweiten, beweglichen Auflagerpunkt, den man sich
in seiner Funktion wie eine kleine Rangierlok vorstellen kann. Dieser Antrieb
ist fest mit dem Torflügel verbunden und sitzt auf einer Eisenbahnschiene, die
einen Drittelkreis von der Tormitte nach aussen beschreibt. Mit starken
Elektromotoren werden damit Räder angetrieben, die sich auf diesen Schienen
bewegen. Im geschlossenen Zustand sind die beiden doppelt gekrümmten Torflügel
in ihren Scheitelpunkten arretiert. Wird das Tor geschlossen, wird mit einem
mechanischen Greifer eine spezielle Hakenkonstruktion in der Torflügelspitze
erfasst und diese wasserdicht an die eigentliche Hallenkonstruktion gezogen.
Auf der westlichen, dem Rollfeld des Flugplatz Mülheim
zugewandten Seite hat der Sockelbereich des Luftschiffhangars eine am Boden
beginnende übermannshohe Verglasung erhalten. Sie dient der natürlichen
Hallenbelichtung und gewährt einen fulminanten Panoramablick auf die Start- und
Landebahn und auf praktisch alle Flugzeugbewegungen auf dem Verkehrsflugplatz.
Die neue Halle ist in der kalten Jahreszeit beheizt, um für die darin
untergebrachten Luftschiffe thermisch stabile Bedingungen zu gewährleisten. Damit
empfiehlt sich die an eine Kathedrale erinnernde Halle aber auch als
Event-Location der besonderen Art, da sie keine 30 Autominuten vom grossen
Düsseldorfer Flugplatz entfernt liegt. Sowohl kleinere Messen, besondere
Konzerte oder richtig grosse Familienfeierlichkeiten finden hier regelmässig
statt.
Mastwagen erforderlich
Interessant zu wissen ist auch, dass für jedes Luftschiff in
heutiger Zeit ein eigener Mastwagen erforderlich ist, der den Flug desselben
immer am Boden begleitet. Will nun ein Luftschiff seinen Flug beenden, stellt
sich das Fahrzeug am Landeplatz auf und fährt einen gut 30 Meter hohen
Teleskopmast senkrecht nach oben aus. Daran wird das zugehörige Luftschiff mit
seiner Bugspitze festgemacht. Dazu kann der Pilot, ähnlich einem maritimen
Schiffsanker, über einen Mechanismus aus der Bugspitze heraus ein Stahlseil
ablassen, das dann von Helfern am Mastwagen fixiert wird. Parkt das Luftschiff
im Freien, wird es immer nur an seiner Bugspitze gehalten. So kann sich jeder
Zeppelin – ähnlich einem Windsack – immer mit dem Wind drehen. Darüber hinaus
gilt die Auflage, dass die Kanzel eines im Freien abgestellten Luftschiffs
durchgehend von einem Piloten besetzt sein muss.
Der Luftschiffhangar wurde im Jahr 2023 mit dem
Architekturpreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.
Quelle: Robert Mehl
Die beiden sichtbaren Motoren im Sockelbereich dienen dem Öffnen des Portals. Sie fahren auf zwei Schienenbögen am Boden.