Linoleum: Nachhaltig von der Natur inspiriert
Linoleum ist der Klassiker unter den Bodenbelägen. Seit rund 160 Jahren wird der elastische Belag verlegt. Trotz guter Eigenschaften und natürlicher Rohstoffe musste der Belag lange den kostengünstigeren PVC-Belägen weichen. Inzwischen ist Linoleum in vielen Farb- und Designvariationen wieder im Kommen.
Quelle: zvg
Die modernen Linoleumböden erleben dank ihrer grossen Farb- und Designvielfalt in den letzten Jahren ein Revival.
Linoleum ist wahrscheinlich nur noch den älteren Semestern gut bekannt. Vor allem in Schulen oder öffentlichen Gebäuden lag der sehr strapazierbare Belag, an den in der Vergangenheit hinsichtlich gestalterischer Eigenschaften kaum Ansprüche gestellt wurden.
Meist war er einfarbig braun, rötlich oder grau. In aufgehübschter Variante war er im Wohnbereich auch als zweifarbiges Mosaik verlegt, später mit Ornamenten zu finden. Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte ein Linoleumboden lange Zeit sogar zur gehobenen Ausstattung einer Wohnung.
Relativ schnell verlegt, hielt der Belag über Jahrzehnte, wenn beim Einbau die empfohlene Austrocknungszeit beachtet und während der Nutzung ihm die nötige Pflege gewidmet wurde. Letzteres ist wohl auch ein Grund, warum der Markt für Linoleum in den 1960er-Jahren fast zusammenbrach. Denn PVC-Beläge waren nicht nur günstiger, sondern vor allem pflegeleichter.
Der Pflegeaufwand für Linoleum war relativ gross. Der Belag musste regelmässig gereinigt werden und wurde anschliessend mit einem wachsbasierenden Mittel gebohnert. Die Oberfläche war somit vor Verschmutzung und mechanischen Schäden geschützt, glänzte oft wie ein Spiegel und war dementsprechend glatt mit erhöhter Rutschgefahr. Für das Bohnern gab es sogar spezielle Maschinen, aber auch beharrliches Wienern mit einem weichen Tuch brachte den gleichen Erfolg.
Ganz verschwand das Linoleum nie aus den Lagern der Bodenleger und Baumärkte. Allerdings war das Angebot begrenzt und fand fast nur noch in industriellen Bereichen Anwendung. Seit Mitte der 1980er-Jahre ist der Belag wieder verstärkt gefragt.
Doch gibt es weltweit nur noch wenige Produzenten. 2008 stellten nur noch vier Werke von drei Eigentümern Linoleum her. Alle Produktionsstätten befinden sich in Europa. Der Weltmarktführer für Linoleumprodukte ist das Unternehmen Forbo Flooring Systems.
Umweltfreundlich bauen
Im Wohnbereich ist Linoleum immer noch selten anzutreffen. Das steigende Umweltbewusstsein lässt aber viele zunehmend umdenken. Denn angesichts der verwendeten Materialien und Herstellungsmerkmale können andere Bodenmaterialien Linoleum kaum das Wasser reichen.
Die Ausgangsmaterialien zur Herstellung des Linoleum-Bodenbelages haben sich seit seiner Entstehung kaum geändert. Linoleum besteht hauptsächlich aus oxidativ polymerisiertem Leinöl, Naturharzen, Kork- und Holzmehl, Kalksteinpulver, Titan(IV)-Oxid-Pulver als Weisspigment, Farbstoffen und Jute als Trägerschicht. Alternativ wird statt Leinöl heute auch Sojaöl verwendet. Je nach Farbgebung besteht der Belag zu 97 bis 98 Prozent aus natürlichen Rohstoffen.
So setzt sich beispielsweise der Forbo-Linoleumboden mit dem Markennamen «Marmoleum» zu 73 Prozent aus den nachwachsenden Rohstoffen Leinöl, Tallöl, Holzmehl, Jute und Baumharzen sowie Recyclingmaterialien aus der Produktion zusammen. Weitere 24 bis 25 Prozent sind mineralische Füllstoffe und Farbpigmente. Nur ein geringer Bestandteil von gut zwei Prozent sind chemische Stoffe für den Oberflächenschutz oder Farbpigmente.
Im Vergleich haben PVC-freie Kunststoff- oder Kautschukböden einen wesentlich geringeren Anteil organischer Inhaltsstoffe. Bei Kautschukböden beträgt dieser lediglich rund fünf Prozent. Umso höher sind hingegen die Anteile mineralischer Füllstoffe und chemischer Materialien.
Quelle: zvg
Robust und strapazierbar sind die Marmoleum-Böden, die sich dadurch besonders für hochfrequentierte Bereiche wie Geschäfte und Büros eignen.
CO2-neutral bedeutet nicht CO2-frei
Linoleum wird umweltschonend gefertigt und ist nach Ablauf der Nutzungsdauer biologisch abbaubar. Diese ökologischen Faktoren spielen bei der Herstellung und Ausstattung von Bauwerken eine immer grössere Rolle. Die graue Energie für die Herstellung, die Langlebigkeit und die Zusammensetzung sind dabei wichtige Bewertungspunkte. Laut Forbo-Produktinformation wird der Linoleum-Belag gemäss der «Environmental Product Declaration» (EPD) als CO2-neutral eingestuft.
Doch was bedeutet das konkret? Diesem Thema widmete sich Jörg Lamster, unabhängiger Energieplanungs- und Bauphysik-Experte sowie Geschäftsleiter der Durable Planung und Beratung GmbH, während einer Veranstaltung mit dem Thema «Design und Gewissen» in der Baumuster Centrale Zürich.
«Die Ökobilanz beim Bauen, aber auch das ökologische Gewissen der Menschen werden immer entscheidender bei der Wahl der Materialien. Dennoch muss auch bei Linoleum genau darauf geachtet werde werden, was deklariert wird, denn zwischen den Normen in der EU und der Schweiz bestehen Unterschiede», erklärt Lamster. Linoleum sei laut der EPD als CO2-neutral eingestuft.
Dies bedeute aber nicht, dass das Material effektiv CO2-frei sei. Der Ursprung der Ausgangsstoffe von «Marmoleum» könne genau zurückverfolgt werden Ebenso könne der Herstellungsprozess und die dazugehörige Energiebilanz nachvollzogen werden. Für die Herstellung von «Marmoleum» wird zudem Ökostrom eingesetzt. Da die natürlichen, nachwachsenden Rohstoffe bereits während ihres Wachstums durch Fotosynthese das Treibhausgas CO2 binden, gilt der Herstellungsprozess CO2-neutral.
Nicht erwähnt wird dabei allerdings der Transport, also wie weit und womit das Material vom Werk bis zum Kunden transportiert wird. Dafür werden nur Durchschnittswerte angesetzt. Dies habe mit der Produktion im eigentlichen Sinne nichts zu tun, müsse aber dennoch beachtet werde und gehöre wie auch der Putzmitteleinsatz während der Nutzungsphase zur Gesamtbilanz.
«Bei Einbezug dieser Faktoren kann auch dieser Boden in der CO2-Bilanz nicht als neutral eingestuft werden», so Lamster. Dennoch – im Vergleich mit anderen Belägen schneidet Linoleum sehr gut ab. Aufgrund der aufwendigen Gewinnungs- und Bearbeitungsprozesse liegen hingegen Natursteinböden entgegen allen Annahmen ganz weit unten in der Ökobilanz.
Passend für jedes Ambiente
Linoleum-Böden sind längst nicht mehr langweilig und eintönig. Die Hersteller haben sich dem Trend angepasst und bieten eine grosse Produktpalette mit verschiedenen Farben und Designs an. Die Chefdesignerin der Forbo-Flooring-Abteilung in Holland, Tamar Gaylord, zeichnet für die Zusammenstellung der Farbkarten verantwortlich. Die Kombination von Farbe und Material spiele bei der Entwicklung der Marmoleum-Marbled-Kollektion eine besondere Rolle, erklärt sie.
Anregungen liefere die Natur selbst, wo in Gesteinsformationen, in Wüstenlandschaften am Meer oder in der Flora ein unerschöpflicher Farbenreichtum mit feinsten Abstufungen und Nuancierungen zu finden sei. Dies spiegle sich auch in den insgesamt 90 naturinspirierten Farben in fünf unterschiedlich intensiven Marmorierungen wider, so Gaylord.
Quelle: zvg
Wie vor über 100 Jahren sind die Ausgangsmaterialien für Linoleum fast unverändert geblieben: Leinöl, Holz- und Kalksteinmehl, Jute, Naturharze, mineralische Füllstoffe und Farbpigmente.
Die Linoleum-Herstellungsverfahren
Linoleum wurde 1860 vom englischen Chemiker Frederick Walton erfunden. Der Name setzt sich aus den lateinischen Begriffen «linum» und «oleum» zusammen und verweist auf zwei der Grundstoffe: Lein und Öl. Das Leinöl wird aus den Samen der Flachspflanze gewonnen. Die Jute dient als rückseitiges Trägermaterial.
Walton entwickelte das erste sogenannte Tücher-Linoxinverfahren (auch Walton- oder Alt-Walton-Verfahren). Dafür wurden feine Stoffbahnen aus Baumwolle oder Nesseltuch in geheizte Oxidationsschuppen gehängt und regelmässig mit Leinölfirnis berieselt. Mit dem Sauerstoff der Luft reagierte der Firnis zu Linoxin. Nach vier bis fünf Monaten war die Stärke des Lanoxins auf den Bahnen auf bis zu 1,5 Zentimetern angewachsen und konnte weiterverarbeitet werden. Das Verfahren wurde trotz des hohen Arbeits- und Zeitaufwands bis in die 1950er-Jahre verwendet. Denn das gewonnene Lanoxin war von sehr hoher Qualität.
1871 entwickelte William Parnacott das nach dem Fabrikanten Caleb Taylor benannte Taylor-Verfahren. Bei diesem künstlichenOxidationsverfahren wurde das Leinöl mit Oxidationsbeschleunigern versehen und unter Rühren und Einblasen von Sauerstoff auf gut 300 Grad erhitzt. In nur einem Tag war das Endprodukt fertiggestellt, allerdings von geringerer Qualität, dunkler Farbe und somit beschränkten Einsatzmöglichkeiten.
Ein weiteres Verfahren patentierte Frederick Walton im Jahr 1894. Das Schnelloxidationsverfahren (auch Bedford- oder Neu-Walton-Verfahren) unterteilt sich in zwei Arbeitsschritte: die Firnisbereitung in grossen Oxidationstürmen und die anschliessende Bereitung des Linoxins in den liegenden Bedford-Trommeln. Der Firnis wurde darin bei 55 Grad unter Rühren zu einer zähen gelbroten Masse eingedickt. Das Linoxin wurde zur Reifung eingelagert und anschliessend wieder eingeschmolzen. Durch Zugabe verschiedener Harze konnte daraus der sogenannte Linoleumzement hergestellt werden, der wiederum zwei Monate bis zur endgültigen Weiterverarbeitung gelagert wurde.
Heutige Verfahren basieren auf dem Schnelloxidationsverfahren. Die einzelnen Schritte sind weitgehend zusammengefasst worden. Das Leinöl wird bereits in den Bedford-Trommeln mit Trocknungsstoffen versetzt. Bei rund 80 Grad erfolgt unter ständigem Rühren dann die Firnisbereitung und Oxidation. Sobald die Masse eine bestimmte Viskosität erreicht hat, erfolgt die Zugabe der eingeschmolzenen Harze. Die Verfahren sind computergesteuert, sodass Trommeln auf eine vorgesehene Temperatur aufgeheizt oder abgekühlt werden können, um die gewünschte Konsistenz und das optimale Mischungsverhältnis zu erreichen.
Mit diesen technischen Hilfsmitteln dauert die Herstellung heute weniger als einen Tag. Der Masse wird während der Oxidation Linoleummehl zugegeben, das durch Zerkleinern und Mahlen von Produktionsresten entsteht. Durch das bereits oxidierte Material der Reifeprozess des neuen Linoleumzements beschleunigt, ausserdem werden Abfälle vermieden.
Der fertige Linoleumzement wird durch eine Presse zu einem Strang gedrückt und in vordefinierter Länge gekürzt. Nach der Abkühlung in mit Kreide oder Holzmehl eingestäubten Eisenkästen wird er im Anschluss zur Nachreife und Abkühlung bis zur Verwendung gelagert. (cb)