14:42 BAUPRAXIS

Le Corbusiers Farben: «Kleine Auswahl, starke Wirkung»

Geschrieben von: Claudia Porchet (cet)
Teaserbild-Quelle: Roland Fischer / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

Le Corbusier setzte Farben wirksam in seinen Bauten ein, zudem entwickelte er zwei eigene Farbpaletten. Das Baublatt hat die Architektin und Farbgestalterin Bettina Gerhold gefragt, worin für sie die besondere Qualität der Corbusier-Farben besteht.

Pavillon Le Corbusier

Quelle: Roland Fischer / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

Die strahlenden, emaillierten Farbflächen bilden eigenständige Kompositionen, die das grosse Volumen des Pavillons optisch auflösen.

Frau Gerhold, was fasziniert Sie an Corbusiers Farben?

Die zwei Farbpaletten Le Corbusiers bestehen zusammen aus 63 Farbtönen. Das ist relativ wenig. Le Corbusier hat ein Minimum an Farben so ausgewählt, dass damit ein Maximum an harmonisch und lebendig wirkendenden Kombinationen möglich wird. Kleine Auswahl – starke Wirkung – auf diese Formel könnte man es bringen. Wie ihm das gelungen ist, fasziniert mich.

Zu welchem Zweck hat le Corbusier seine beiden Farbpaletten entwickelt?

Für die Kollektionen der Basler Tapeten-fabrik Salubra. Seine erste Palette erschien 1931, die zweite 1959.

Warum hat er gleich zwei Paletten geschaffen – und nicht nur eine?

Die beiden Paletten erfüllen unterschiedliche Funktionen. Während die zartere erste vor allem eine Reaktion auf die fehlenden Materialwerte in der weissen Moderne war, ist die zweite eine Reaktion auf den «beton brut» in der Nachkriegsarchitektur. Die zweite Palette besteht aus 20 kräftigeren Einzelfarben, die sich untereinander alle kombinieren lassen. Die Strahlkraft dieser Farben muss dem rohen Material des rauen Sichtbetons standhalten können.

Was zeichnet die erste Palette aus?

Sie umfasst zwölf Farbklaviaturen mit insgesamt 43 Tönen. Eine Farbklaviatur besteht aus drei breiten Streifen mit vor-wiegend hellen Farbtönen, die für die stimmungsbildenden Hauptwände eines Raumes vorgesehen sind. Zwischen ihnen sind zwei schmale Streifen mit Kontrastfarben angeordnet für die untergeordneteren Bauteile. Le Corbusier hat als Werkzeug für Laien einen Schieber aus Karton entwickelt, mit dem sich immer passende Farbkombinationen von drei bis fünf Farben isoliert betrachten lassen. Die Hauptfarben vermitteln vertraute Stimmungen, man assoziiert sie zum Beispiel mit dem Himmel, mit Samt, Sand oder einer Landschaft. Le Corbusier liefert zu jeder Raumstimmung die harmonischen Kontrastfarben.

Arbeitersiedlung Pessac bei Bordeaux

Quelle: Fred Romero / Wikimedia / CC BY 2.0

In der Arbeitersiedlung Pessac bei Bordeaux übertrug Le Corbusier die Polychromie auf die Fassaden.

Arbeitersiedlung Pessac bei Bordeaux

Quelle: Ville de Pessac / Nikolas Ernult.

In der Arbeitersiedlung Pessac bei Bordeaux übertrug Le Corbusier die Polychromie auf die Fassaden.

Wie ist Le Corbusier vorgegangen, um seine erste Palette zu entwickeln?

Le Corbusier hat untersucht, wie Farben die Wahrnehmung der Räume modifizieren und beeinflussen. Er wählte überwiegend Farben aus der Natur aus. Dabei dachte er zugleich als Architekt und als Maler. Architektonisch motiviert war sein Anliegen, mit Farbe die fehlende Materialwertigkeit der weissen Moderne zu kompensieren und so die Raumwirkung zu differenzieren. Als Maler bemühte er sich darum, mit Farbe an alltägliche Erfahrungen des Menschen anzuknüpfen und so beim Betrachter Assoziationen und Emotionen hervorzurufen.

Erklären Sie das an einem Beispiel!

Hellblau und Rot sind die Farben mit den ausgeprägtesten raumverändernden Eigenschaften. Rottöne grenzen den Raum ein, helle Blautöne dagegen öffnen den Raum. In der Bildergalerie der Villa La Roche kombinierte Le Corbusier die beiden Effekte.

Haben Sie auch ein Beispiel für eine Fassadengestaltung?

In der Arbeitersiedlung Pessac bei Bordeaux rhythmisierte Le Corbusier die Strassenansicht der Siedlung, indem er die Fassaden abwechslungsweise braun und weiss streichen liess. Dadurch werden gleichfarbige Flächen optisch als Einheit gelesen und die Abstände zwischen den dicht stehenden Häusern als grösser wahrgenommen.

Die Idee der farblichen Fassadengestaltung des Pavillon le Corbusier in Zürich scheint eine ganz andere zu sein.

So ist es. Hier kam – mit einigen Abweichungen – die zweite Palette zum Einsatz. Die strahlenden, emaillierten Farbflächen fungieren hier weniger als Stimmungsträger und decken sich nicht mehr mit einzelnen Bauteilen, vielmehr bilden sie eigenständige Kompositionen, die das grosse Volumen des Pavillons optisch auflösen.

Was ist das Besondere an Corbusiers Grautönen?

Die vier Grautöne aus der Farbpalette von 1931 wirken zugleich ruhig und lebendig. Zwei seiner Farbklaviaturen, in denen jeweils Grau eine Hauptfarbe ist, bezeichnet er mit dem Wort «Samt». Das sagt viel über den weichen, wertigen Ausdruck dieser warmen Grautöne aus.

Villa La Roche, Paris

Quelle: Radomir Cernoch/Wikimedia Commons/CC BY-SA 2.0

Villa La Roche, Paris: Hellblau- und Rottöne sind die Farben mit den stärksten raumverändernden Eigenschaften.

Was macht die Leuchtkraft der Farben von Corbusier aus?

Das verwendete Pigment ist das Besondere an jeder Farbe. Die Farben der ersten Palette enthalten vorwiegend Pigmente aus der Natur. Dadurch wirken die Farben ausgesprochen harmonisch. Auch eine kräftige Kontrastfarbe wie das «rouge rubia» kommt in kleinen Mengen in der Natur vor. Die Kristalle der mineralischen Pigmente haben bestimmte Eigenschaften und eine bestimmte Grösse, wodurch das Licht anders gebrochen wird als bei standardindustriell hergestellten Farben. Dadurch entsteht das intensive Leuchten dieser Farben.

Welche natürlichen Pigmente hat Le Corbusier verwendet?

Le Corbusier verwendete vor allem Farbpigmente, die eine raumbildende wie auch eine assoziative, vertraute Wirkung haben. Roter Ocker erinnert an eine umschliessende Mauer, Coelinblau oder Ultramarin aufgehellt an den offenen Himmel oder Englischgrün an grünes Laub.

Wer hat denn die Farben für Architektinnen und Gestalter wieder verfügbar gemacht?

Als 1997 die «Polychromie architecturale. Le Corbusiers Farbenklaviaturen von 1931 und 1959» von dem Architekten Arthur Rüegg reeditiert wurden, begeisterte sich die Farbenchemikerin Katrin Trautwein für die hier veröffentlichte besondere Farbpalette und stellte sich der grossen Herausforderung, die Rezepturen mit den ursprünglich eingesetzten natürlichen und mineralischen Farbpigmenten zu entwickeln und stellte die Farben in ihrer Farbmanufaktur «kt.COLOR» her.

Werden Corbusier-Farben heute noch eingesetzt?

Zum Beispiel werden sie bei der Renovation der Bauten von Le Corbusier selbst eingesetzt. Für die Renovation des Pavillon Le Corbusier in Zürich durch die Architekten Silvio Schmed und Arthur Rüegg im Jahr 2019 lieferte der Hersteller Kabe-Farben – Karl Bubenhofer, die wiederhergestellten Originalfarbtöne.

Bei grösseren Projekten ist es sonst oft schwierig, Corbusiers Farben durchzusetzen, da die sehr hohe Qualität ihren Preis hat. Corbusier-Farben sind teurer als industriell gemäss standardisierten Farbsystemen hergestellte Farben mit künstlichen Pigmenten. Dennoch sind sie immer noch ein vergleichsweise günstiges Gestaltungsmittel. (Interview: Claudia Porchet)


Zur Person

Bettina Gerhold

Quelle: zvg

Bettina Gerhold ist Architektin und Farbgestalterin.

Bettina Gerhold ist Architektin und Farbgestalterin in Zürich. Sie hat in München und Wien Architektur studiert und eine Weiterbildung in Farbgestaltung gemacht. Sie unterrichtet Raum- und Farbgestaltung an der Schweizerischen Textilfachschule (STF) in Zürich und der Akademie für Gestaltung und Design in München.



Lizenzen

Die Fondation Le Corbusier in Paris hat der «Les Couleurs Suisse AG» exklusiv die weltweiten Lizenzrechte für die Le-Corbusier-Farben anvertraut und das Mandat erteilt, Le Corbusiers zeitlose Farbpalette – die «Polychromie Architecturale» – für herausragende architektonische Farbgestaltung zugänglich zu machen.

Unter dem Label «Les Couleurs Le Corbusier» lanciert «Les Couleurs Suisse AG» die Farbenlehre und die originalen Farben von Le Corbusier in Partnerschaft mit internationalen Herstellern von Architektur- und Designprodukten. Die lizensierten und zertifizierten «Les Couleurs Le Corbusier»-Hersteller produzieren Premiumprodukte auf Basis der «Polychromie Architecturale» für Architektur und Farbdesign.

Für überzeugende Farbgestaltung – auf Basis der originalen 63 Farben aus der Polychromie Architecturale produziert die Les Couleurs Suisse AG zudem eine Auswahl an professionellen Arbeitsmitteln (Farbfächer, Farbkarten, Farbmuster sowie Farbenklaviaturen und Buch zur architektonischen Farbgestaltung mit den Le Corbusier Farben).

Geschrieben von

Redaktorin Baublatt

Claudia Porchet ist Philologin und interessiert sich für Architekturgeschichte, Kunst am Bau und Design. Ebenso begeistern sie neue Forschungsresultate aus allen Bereichen. Zudem ist sie für die Kolumnen zuständig und steht deshalb in Kontakt mit allen grossen Verbänden.

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