13:14 BAUPRAXIS

Kreis-Haus: Ein Modellhaus für kreislauffähiges Bauen und Wohnen

Geschrieben von: Pascale Boschung (pb)
Teaserbild-Quelle: Christoph Kaminski / ZHAW

Kreislaufwirtschaft ist in aller Munde. Doch wie sieht diese im Alltag aus? Antworten liefert ein neues spezielles Gebäude in Hombrechtikon ZH: Das «Kreis-Haus» ist ein Modellhaus, mit dem kreislauffähige Technologien und Materialien getestet werden.

Bei Ressourcenknappheit und Klimawandel nimmt der Gebäudesektor eine zentrale Rolle ein: Er ist für 40 Prozent des weltweiten Ressourcen- und Energieverbrauchs verantwortlich. Entsprechend gross sei das Potenzial, um Massnahmen zur Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz in Gebäuden umzusetzen, teilt die ZHAW am Freitag mit. Genau hier soll das neue «Kreis-Haus» ansetzen, das am Freitagmorgen in Hombrechtikon eröffnet worden ist.

Es ist Teil eines Pilotprojekts des ZHAW-Instituts für Umwelt und Natürliche Ressourcen und des Vereins Synergy Village. Der Name steht laut Mitteilung für «Klima-Ressourcen-Effizientes-Suffizienz-Haus». Das Projekt soll aufzeigen, wie eine funktionierende Kreislaufwirtschaft auf kleinstem Raum in Gebäuden umgesetzt werden kann. Dabei wird ein umfangreicher Kreislauf abgebildet: von den Baumaterialien bis zu den Nährstoffen aus dem Abwasser.

Modellhaus für kreislauffähige Technologien und Materialien

Die Forschung entwickle zwar laufend neue kreislauffähige Technologien, Materialien und Konzepte für den Einsatz in Gebäuden, erklärt die ZHAW auf der Webseite zum Projekt. Der Weg von der Grundlagenforschung hin zur breiten Anwendung dauere jedoch sehr lange. Ein Grund dafür sieht die Hochschule darin, dass oft das Risiko zu gross ist, unerprobte Innovationen in der Praxis einzusetzen.

Das neue «Kreis-Haus» biete hierfür nun einen Raum, um diese Technologien und Materialien auszuprobieren und der Öffentlichkeit in Form eines Modellhauses vorzustellen. Dank der Interaktion mit Besuchern könnten die neuen Lösungen und Anwendungen im Haus direkt getestet und laufend verbessert werden. Gesetztes Ziel des Pilotprojekts ist es, klimaneutrales, ökologisches und suffizientes Wohnen für jeden erlebbar zu machen.

Trockentrenntoilette im Kreis-Haus in Hombrechtikon

Quelle: Christoph Kaminski / ZHAW

Die eingebaute Trockentrenntoilette mit Förderband: Dies spare Wasser und ermögliche die Rückgewinnung von Nährstoffen aus den Fäkalien, die dann im Dachgarten als Dünger eingesetzt werden.

Dünger aus der Toilette für den Dachgarten

Das Modellhaus wurde auf dem Grundstück des Vereins Synergy Village in Hombrechtikon gebaut und besteht aus einer Wohneinheit aus Vollholz mit reduzierter Wohnfläche, sanitären Anlagen und einem angebauten Wintergarten. Alle eingesetzten Baumaterialien sind kreislauffähig, ökologisch und frei von toxischen Stoffen. Neben Naturbaustoffen wie Lehm und Holz wurden auch recycelte und wiederverwendete Materialien wie etwa ein Fussboden aus recycelten Glasscherben oder wiederverwendete Fenster eingebaut.

Als Küche wurde eine langlebige Stahlküche eingebaut. Auch die Möblierung folge dem ökologischen Grundgedanken des Hauses, heisst es weiter. Im Gebäude eingebaut ist ausserdem unter anderem eine Trockentrenntoilette mit einem Förderband. Dies spare Wasser und ermögliche die Rückgewinnung von Nährstoffen aus den Fäkalien, die dann mit einem speziellen Verfahren aufbereitet und im Dachgarten als Dünger eingesetzt werden.

Dachgarten Kreis-Haus in Hombrechtikon

Quelle: Christoph Kaminski / ZHAW

Auf dem Dach des Hauses befindet sich ein Garten, in dem Gemüse angebaut wird. Dieses wird von einem Roboter kultiviert.

Solarmodule im Wintergarten und recycelte Batterien

Leicht verschmutztes Abwasser aus Küche und Bad wird laut ZHAW zudem direkt im Gebäude gereinigt und für die Bewässerung genutzt. Im Dachgarten sei zudem ein Pflanzroboter installiert, der sich um das angebaute Gemüse kümmert. Weiter besitzt das «Kreis-Haus» an der Fassade im Wintergarten eine «Bambus-Hydroponic», in der Kräuter direkt im Wasser gezogen werden.

Die benötigte Energie für das Haus liefern im Wintergarten installierte, halbtransparente Solarmodule auf der Südseite sowie rahmenlose Indach-Solaranlagen mit Dachfenstern auf der Nordseite. Die Anlage produziere die gesamte benötigte Energie im Gebäude. Überschüssiger Strom werde zudem in Second-Life-Batterien gespeichert, die zuvor in Postfahrzeugen eingesetzt wurden.

Auch die Lüftung, Heizung und Warmwasseraufbereitung funktioniert nach dem Grundsatz der Kreislaufwirtschaft: Die warme Gewächshausluft wird über Wärmetauscher und die Lüftung dem Wohnraum zugeführt. Das Warmwasser wiederum wird mit einer Wärmepumpe, welche die warme Abluft vom Wohnraum nutzt, erwärmt.

Aushubmaterial für Dachgarten verwendet

Der Kreislaufgedanke im Projekt schlug sich bereits im Aushub nieder: Der nährstoffreiche Boden wurde nicht deponiert, sondern für den Dachgarten verwendet und in der Umgebung integriert. Gebaut wurde das «Kreis-Haus» auf einem betonlosen Schraubfundament, das den Boden erheblich weniger beeinträchtige, als ein herkömmlicher Unterbau. Dank dieser Bauweise könne das Haus einfach rückgebaut werden, ohne dass langfristige Schäden entstehen. Der Untergrund wurde zusätzlich mit Recyclingkies bedeckt.

Der Bau des Modellhauses kostete laut der Projektwebseite rund 600‘000 Franken, darin enthalten sind auch Materialkosten und die Facharbeit. Rund 70 Prozent dieser Kosten wurden durch über 50 Sponsoren für Material und Facharbeit finanziert. Zirka 30‘000 Franken stammen von Crowdfunding. Daneben lieferten verschiedene Stiftungen Förderbeiträge und die ZHAW und der Verein Synergy Village erbrachten Eigenleistungen.

Würde das Haus in der jetzigen Form nachgebaut werden, könnte es laut der ZHAW um rund einen Drittel günstiger gebaut werden, da die Entwicklungskosten wegfallen würden. Mit der Verwendung von günstigeren Alternativen für die Bauteile könnten weitere 100‘000 Franken eingespart werden. Das eigene Kreis-Haus gäbe es somit ab zirka 300‘000 Franken.

Solarmodule auf Wintergarten im Kreis-Haus in Hombrechtikon

Quelle: Christoph Kaminski / ZHAW

Auf dem Dach des Wintergartens sind semi-transparente Solarmodule installiert.

Im Kreislauf-Haus übernachten

Das Modellhaus dient auch als Vorzeigeobjekt für die Öffentlichkeit. Interessierte können das Gebäude dabei nicht nur besichtigen, sondern auch darin übernachten. Dadurch erfahren sie zum einen, wie es sich in einem kreislaufwirtschaftlichen Gebäude lebt und werden zum anderen Teil des Forschungsprojektes. Die Anwendungen im Haus werden dabei direkt von den Nutzern getestet und können danach entsprechend verbessert werden.

Initiiert und konzipiert wurde das Projekt von Devi Bühler, Umweltingenieurin an der ZHAW und Präsidentin des Vereins Synergy Village. Bühler leitet das von über 40 Partnern und Sponsoren unterstützte Kooperationsprojekt. «Wir haben versucht, das Prinzip der Kreislaufwirtschaft bis ins Detail und auf kleinstem Raum umzusetzen», erklärt Bühler. «Damit möchten wir im Kreis-Haus als ‹Praxislabor› sowohl praktische als auch wissenschaftliche Erkenntnisse sammeln, um das nachhaltige und kreislauffähige Bauen breitflächig zu fördern.» Das Modellhaus wurde am Freitagmorgen eröffnet.

Das Prinzip des Modellhauses im Video. (Quelle: ZHAW)

Veranstaltungstipp: Tag der offenen Tür

Am Samstag, 4. September, wird die Öffentlichkeit ab 13 Uhr zum Tag der offenen Tür eingeladen. Besucher können dabei auf dem Grundstück von Synergy Village in Workshops die Bautechniken des Kreis-Hauses ausprobieren und einen Markt mit nachhaltigen und lokalen Produkten besuchen.

Ab dem 16. September sollen die Geschichten zu den eingesetzten Materialien und Techniken unter dem Titel «1001 Kreislauf» in Führungen vorgestellt werden. Zudem finden regelmässige Workshops zu spezifischen Bauthemen statt.

Weitere Informationen: www.zhaw.ch

Geschrieben von

Redaktorin Baublatt

Zeichnet, schreibt und kreiert gerne. Themenbereiche: Bauprojekte sowohl international als auch regional, News aus Wissenschaft, Forschung, Technik, Architektur und Design.

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