Ist rezyklierter Asphalt als Strassenbelag widerstandsfähiger als gedacht?
Trotz Recycling fällt in der Schweiz deutlich mehr Ausbauasphalt an, als in neuen Strassen wieder eingebaut werden kann. Martins Zaumanis von der Empa will die Recycling-Anteile im Asphalt erhöhen – mit angepassten Herstellungsmethoden und einfachen Anleitungen. Zwei Teststrecken mit Recycling-Asphalt in Uster und auf dem Lukmanierpass sind vielversprechend.
Quelle: Empa
Teststrecke auf dem Lukmanierpass: Strassen in Höhenlagen sind besonders anfällig auf Risse.
Mit dem Frühjahr machen sich Baustellen auf den Strassen
breit: Es wird ausgebessert, geflickt und erneuert. Ein Teil des alten
Asphalts wird rezykliert. Allerdings landen in der Schweiz rund 750'000
Tonnen pro Jahr auf den Deponien. Grundsätzlich sind sich Bund und
Kantone einig, dass die Abfallasphaltberge zurück ins Schweizer
Strassennetz sollen. Jedoch ist das Land derart gut erschlossen, dass es
kaum noch neue Strassen braucht. Darum ist es umso wichtiger, dass der
Anteil an Recycling-Asphalt bei Strassensanierungen möglichst hoch ist.
Wie Martins Zaumanis erklärt, braucht es dafür ein besseres Verständnis
wie Ausbauasphalt und neues Material zusammenspielen, es braucht
angepasste Produktionsprozesse sowie praxisnahe Anleitungen und
Instrumente für die Industrie. Diese Ziele setzte sich das
Forschungsprojekt «HighRAP», das der Empa-Forscher zusammen mit dem
Bundesamt für Strassen (Astra), dem Bundesamt für Umwelt (Bafu), den
Kantonen Zürich und Graubünden und mehreren Industriepartnern von 2019
bis Anfang 2023 durchgeführt hat.
Ausbauasphalt ist kein einheitliches Material
Die Gründe für die bisherigen Einschränkungen bei der Verwendung von Ausbauasphalt respektive RAP (Reclaimed Asphalt Pavement) liegen vor allem darin, dass das Bitumen im Asphalt im Laufe der Zeit altert und steif wird. Dies wiederum macht den Asphalt anfällig für Risse. Zudem kann es sein, dass sich während des Mischprozesses das alte Material nicht gut mit dem neuen mischt. Ein weiteres Problem bildet die oft fehlende Homogenität von RAP. Materialien unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Strassenschichten und unterschiedlicher Granulatgrössen treffen aufeinander. Die Herstellung eines Hochleistungsasphalts verlangt aber Kontinuität. Zwar gibt es ausgewiesene Designmethoden für die Mischgutentwicklung und standardisierte Tests für die Qualitätskontrolle. Aber bei Zufügen von Ausbauasphalt in die bestehenden Produktionsprozesse stossen die bewährten Methoden an ihre Grenzen.
Um den Gehalt am Ausbauasphalt allgemein zu erhöhen, sind laut Empa auf mehreren Ebenen Neuerungen notwendig – unter anderem beim Ausbau des alten Asphalts und bei seiner Aufbereitung. Wird der Asphalt von der Strasse gefräst oder gebrochen und anschliessend zerkleinert, bleibt die ursprüngliche Gesteinskörnung bestenfalls unversehrt, und es entsteht möglichst wenig Staub oder vielmehr sogenanntes Füllermaterial, wie Zaumanis erklärt. Solches erschwert die Wiederverwendung. Basierend auf Praxistests stellt der Empa-Forscher nun in seiner Studie neue Kriterien vor, welche eine Charakterisierung der RAP-Verarbeitung vereinheitlichen und so die Wiederverwendung vereinfachen. Neben Körnung und Staubanteilen sind aber vor allem auch der ursprüngliche Bitumengehalt und dessen Eigenschaften von grosser Bedeutung, sie können sich je nach Quelle stark unterscheiden. Zaumanis liefert deshalb ein einfaches Rechenmodell für Praktikerinnen und Praktiker, das die zulässige Variabilität je nach künftiger Anwendung festlegt.
Ein ähnlich pragmatisches Rechenmodell legt er auch für die Dosierung des «Verjüngungsmittels» vor: Das sind ölige Stoffe, die das alte Bindemittel im Ausbauasphalt wieder weich und damit wieder nutzbar machen. Diese Verjüngungsmittel basieren zum Beispiel auf Tallöl, einem biologischen Nebenprodukt aus der Papier-Herstellung.
Die Produktion von Asphalt mit RAP ist aufgrund dieser Vielzahl an unterschiedlichen Materialien und Stoffen, die miteinander vermischt werden, deutlich komplexer als die Herstellung von neuem Asphalt. Hinzu kommt die Unsicherheit was die tatsächlichen Eigenschaften der Materialien und deren Zusammenspiel anbelangt. «Das Vorgehen nach Rezeptbuch, wie das beim traditionellen Mischgutdesign gehandhabt wird, greift deshalb zu kurz», so Zaumanis. Vielmehr schlägt er vor, leistungsorientierte Testmethoden in den Prozess einzubinden, um das Material auf Rissbildung oder plastische Verformung hin zu untersuchen.
Teststrecken: Viel Verkehr in Uster, raues Wetter auf dem Lukmanier
«Letztlich
sind es aber vor allem erfolgreiche Pilotprojekte und reale
Teststrecken, die den Strasseneigentümern und den Strassenbauern das
Vertrauen in Asphalt mit einem hohem RAP-Gehalt geben können», sagt der
Zaumanis. Aus diesem Grund ist im Rahmen seines Projekts auf zwei
Strassenabschnitten «HighRAP-Asphalt» eingebaut worden:. auf der
vielbefahrenen Aathalstrasse in Uster im Kanton Zürich und andererseits
auf der Lukmanierpassstrasse, die wegen der Höhenlage klar andere
Anforderungen an den Strassenbelag stellt.
In Uster konnten in
der Deckschicht problemlos 30 Prozent RAP-Gehalt eingebracht werden,
ohne dass es zu Leistungseinbussen kam. «Typischerweise wird heute für
eine derart stark befahrene Strasse in der Deckschicht komplett auf RAP
verzichtet», erklärt Zaumanis. Bei der darunterliegenden Binderschicht
zeigte sich in Uster, dass zwischen 40% und 50% RAP möglich sind. In
beiden Fällen kommt standardmässig Asphalt mit polymermodifiziertem
Binder zum Einsatz. «Um den RAP-Gehalt noch mehr zu erhöhen, könnte man
hoch-polymermodifiziertes Bindemittel einsetzen. Das würde den Mangel an
Polymeren im RAP-Bindemittel ausgleichen», so Zaumanis.
Im
Gegensatz zur Strasse in Uster ist die Strecke über den Lukmanierpass
zwar nicht starkem Verkehr ausgesetzt, dafür aber umso raueren
klimatischen Bedingungen. «In dieser Höhenlage von 1900 Metern können
die starken Temperaturschwankungen Risse im Strassenbelag bewirken»,
erklärt Zaumanis. Dass aber ein Asphalt mit hohem RAP-Gehalt diesen
Bedingungen trotzen kann, zeigte er in seinem Projekt. Eingebaut wurde
ein Asphalt mit 85% RAP-Gehalt in der Fundationsschicht und ein Asphalt
mit 70% RAP-Gehalt in den darüber liegenden Trag- und Binderschichten.
Nach Tests im Labor zeigten sich die Beläge laut Empa insbesondere auch
sehr resistent gegenüber der befürchteten Rissbildung aufgrund von
Temperaturschwankungen.
Schwinden die Asphaltberge auf den Deponien?
In den nächsten Jahren sollen die Teststrecken in Uster und auf dem Lukmanierpass weiter überwacht werden. Sie dienen dazu, das langfristige Verhalten der eingebrachten RAP-Asphalte zu untersuchen.
Zaumanis
ist schon jetzt heute zuversichtlich, dass die schwarzen Berge auf den
Deponien in den kommenden Jahren nicht mehr allzu weit anwachsen
dürften. Nicht nur wegen Projekten wie dem seinen, das die
technologischen Möglichkeiten demonstriert, sondern auch, weil auf
politischer Ebene bereits Rufe nach einem Deponierverbot für
Ausbauasphalt laut geworden sind. Damit sollen die Anreize für eine
komplette Weiterverwertung von Ausbauasphalt gesteigert werden.
(mgt/mai)