10:20 BAUPRAXIS

Innovatives Bauen mit Beton: Mehrstöckige Häuser aus dem 3D-Drucker

Geschrieben von: Pascale Boschung (pb)
Teaserbild-Quelle: PERI AG

Häuser aus dem Drucker sind heute kein Science-Fiction mehr. In Austin in Texas steht etwa eine Siedlung die komplett gedruckt wurde. Und auch in Deutschland wird die Bautechnik mit dem 3D-Betondrucker vorangetrieben. 

Komplette Wohnhäuser aus dem 3D-Drucker sind längst nichts Neues mehr. Ein Beispiel hierfür ist das amerikanische Unternehmen Icon aus Texas, welches bereits verschiedenste Projekte mit ihrem sogenannten «Vulcan»-System umgesetzt hat. In Austin realisiert die Firma seit geraumer Zeit beispielsweise eine 3D-Druck-Siedlung mit je 37 Quadratmeter grossen Häuschen für etwa 480 Obdachlose.

Die simplen Behausungen aus dem «Icon Vulcan II»-Printer können dabei mit einem Schlafzimmer, einem Bad, einer Küche, einem Wohnzimmer sowie einer Veranda aufwarten. Das Projekt ist Teil der Entwicklungspläne im Nordosten von Austin und soll etwa 40 Prozent der obdachlosen Bevölkerung der texanischen Stadt in der 3D-Druck-Siedlung unterbringen.

Der Bauprozess bedient sich gemäss Icon sowohl der Robotik, als auch automatisierter Materialhandhabung, fortschrittlicher Software sowie dem proprietären Beton «Lavacrete». Diese Bautechnik ermögliche es, schnell erschwingliche Häuser zu bauen, die sowohl widerstandsfähig als auch ästhetisch sind, wie die Firma anlässlich des Projekts im März 2020 mitteilte.

Gedruckte Wohnhäuser in Deutschland

Nebst dem amerikanischen Anbieter gibt es aber auch in Deutschland eine Firma, die das Bauen mit dem Drucker vorantreibt: Die im bayerischen Weissenhorn ansässige Peri GmbH hat bereits zwei Gebäude mit ihrem 3D-Betondrucker realisiert. Ende September 2020 entstand so etwa im westfälischen Beckum das erste gedruckte Wohnhaus von Deutschland.

Beim Objekt handelte es sich um ein zweigeschossiges Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von rund 80 Quadratmetern. Die Bautechnik durchlief erfolgreich alle behördlichen Genehmigungsprozesse, wie Peri damals mitteilte. Das Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat unterstützte bei der Entwicklung des Konzepts, den Entwurf für das Gebäude lieferten die Mense-Korte ingenieure+architekten, Bauherr war die Hous3Druck GmbH.

Das 3D-Betondruck-Projekt wurde zudem vom Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen seines Förderprogramms «Innovatives Bauen» mit 200‘000 Euro unterstützt. Auch für die Peri GmbH war der Bau des Wohnhauses ein Meilenstein, da es sich dabei um das erste Objekt ihrer Betondrucktechnologie handelte.

BOD2 schafft ein Meter pro Sekunde

Für den Bau setzte die Firma auf 3D-Drucker vom Typ «BOD2» des dänischen Herstellers Cobod. Hierbei handelt es sich um einen Portaldrucker: der Druckkopf bewegt sich über drei Achsen auf einem fest installierten Metallrahmen. Der Vorteil dabei: Der Drucker kann sich in diesem Rahmen an jede Position innerhalb der Konstruktion bewegen und muss laut Peri nur einmal kalibriert werden.

Das Material für den Hausbau stammte von HeidelbergCement. Diese entwickelte den sogenannten «i.tech 3D» speziell für die Anwendung mit 3D-Druck. Die Konstruktion des Einfamilienhauses besteht aus dreischaligen Wänden, die mit Isoliermasse verfüllt wurden. Während des Druckvorgangs berücksichtigte die Maschine bereits die später zu verlegenden Leitungen und Anschlüsse für Wasser und Strom.

Zudem ist der «BOD2» laut der Firma so kalibriert, dass auch während des Prozesses im Druckraum gearbeitet werden kann. Manuelle Arbeiten, wie etwa das Verlegen von Leerrohren oder Anschlüssen, liessen sich so ganz einfach in den Druckprozess integrieren. Die Bedienung des Druckers übernahmen zwei Personen. Mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde sei der «BOD2» aktuell der schnellste 3D-Betondrucker auf dem Markt, erklärte das Unternehmen damals.

Einblick in den Bau des Mehrfamilienhauses in Wallenhausen. (Video: Peri Group)

Erstes 3D-Druck-Mehrfamilienhaus von Europa

Nebst dem Objekt in Beckum realisierte Peri in Wallenhausen auf diese Weise im November 2020 auch ein Mehrfamilienhaus, womit die deutsche Firma den Titel für das grösste gedruckte Wohnhaus in Europa einheimsen konnte. Entstanden ist konkret ein 3-stöckiges Gebäude mit fünf Wohnungen, verteilt auf insgesamt 380 Quadratmeter. Insgesamt sechs Wochen brauchte der «BOD2» für das Haus.

Vier der Wohnungen wurden nach der Fertigstellung regulär vermietet, eine dient seither als Musterwohnung. Mit dem Mehrfamilienhaus konnte die Firma nach eigenen Angaben aufzeigen, dass sich der 3D-Betondruck auch für den Bau von grossen Wohneinheiten eignet. Die Zulassungsprüfungen für das Gebäude übernahm das Centrum Baustoffe der Technischen Universität München.

Nach den beiden Projekten in Deutschland ist nun ein weiteres in Amerika in der Umsetzung: In der Stadt Tempe in Arizona wird derzeit ein eingeschossiges Einfamilienhaus gedruckt. Für die reine Druckzeit sind rund zwei Wochen angesetzt. Das Haus soll im August/September 2021 bezugsfertig sein, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. Bauherr ist die Non-Profit-Organisation «Habitat for Humanity», die in mehr als 60 Ländern Wohnraum für bedürftige Menschen schafft.

House Zero Lake|Flato Architects für Icon

Quelle: LakeFlato

Ein erstes Beispiel für die «Exploration Serie» von Icon: Das «House Zero» der Lake|Flato Architects.

Icon präsentiert 3D-Printer der nächsten Generation

Inzwischen hat auch die amerikanische Icon ihr «Vulcan»-System weiterentwickelt und stellte Ende Mai dazu ihren neuen 3D-Drucker vor, der bis zu 278 Quadratmeter grosse Strukturen bauen kann und dabei 1,5 Mal grösser sowie 2 Mal schneller als der Vorgänger ist. Auf der Homepage von Icon wird angegeben, dass der Vulcan zwischen 1,5 und 1,7 Meter pro Sekunde drucken kann.

Damit ist dieser zwar schneller als die dänische Variante. Anders als der «BOD2» ist das Vulcan-System von Icon allerdings lediglich für Gebäude und Bauten vorgesehen, die einstöckig sind.  Mehrstöckige Häuser zählen also nicht zu seinen Möglichkeiten. Icon wollte mit der neuen Entwicklung nach eigenen Angaben einen digitalen Ansatz für den Hausbau schaffen, die mit einer automatisierten Steuerung sowie einer App für mobile Geräte funktioniert.

Parallel zur Präsentation der neusten Vulcan-Generation präsentierte das Unternehmen ausserdem ihr neues Projekt «Exploration Series». Darin arbeitet Icon mit verschiedensten Architekten aus aller Welt zusammen, um neue Designs und Architekturstile in Verbindung mit 3D-Druck zu entwickeln. Ein erstes Beispiel hierfür ist das Design «House Zero» der Lake|Flato Architects. Das Startobjekt der Serie wird derzeit im Osten von Austin gebaut.

Weitere Informationen unter www.iconbuild.com oder www.peri.com/de

Next Gen Vulcan-Drucker von Icon

Quelle: Icon

Das weiterentwickelte «Vulcan»-System kann bis zu 278 Quadratmeter grosse Strukturen bauen.

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Redaktorin Baublatt

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