09:28 BAUPRAXIS

Den Untergrund mit biomineralen Bindemitteln stabilisieren

Teaserbild-Quelle: Alain Herzog

Das EPFL-Spin-off Medusoil hat eine biomineralbasierte Lösung entwickelt, um sandige und kiesige Untergründe zu stabilisieren und umliegende Infrastrukturen zu schützen. Das Team konnte den Bodenstabilisierungsprozess bereits erfolgreich an einer Klippe testen.

Bodenerosion, Erdrutsche, steigende Meeresspiegel und extreme Wetterbedingungen können den Boden bei Infrastrukturen erheblich schwächen. Damit die strukturelle Integrität erhalten bleibt, muss häufig der Untergrund stabilisiert werden. Bei bestehenden Lösungen kommen oftmals Zement, Kalk oder technische Harze zum Einsatz. Diese sind aber nicht langzeitstabil und beeinträchtigen teilweise die Qualität des Bodens durch Mikroplastik oder toxische Substanzen, wie aus einer Mitteilung der ETH Lausanne (EPFL) hervorgeht.

Gefriergetrocknete Mikroorganismen

Das EPFL-Spin-off Medusoil hat eine Antwort für dieses Problem: Das Unternehmen ist das weltweit erste, dass zur Bodenstabilisierung eine Lösung entwickelt hat, die auf einem natürlichen Prozess aufbaut und diesen lediglich stark beschleunigt. Dies geschieht in Form des Minerals Calcit, einem starken Bindemittel, das den Boden von Innen auf mikroskopischer Ebene härtet.

Durch die Lösung von Medusoil wird im behandelten Gestein ein Mineralisierungsprozess gestartet, bei dem Calcit-Kristalle entstehen. Diese sorgen wiederum dafür, dass sich die Kies- oder Sandpartikel fest miteinander verbinden und das Gestein stabilisiert wird. Für die dafür entwickelte Tinktur verwendeten die Forscher sogenannte «Sporosarcina pasteurii»-Mikroorganismen, die zur leichteren Handhabung gefriergetrocknet wurden.

In Kombination mit Harnstoffmolekülen setzen diese Mikroorganismen im Inneren des Gesteins Carbonat frei, das sich wiederum an das Kalzium bindet und dadurch Calcit-Kristalle bildet. Letztere binden sich im Prozess auch an Partikel im Boden und wachsen in Anzahl und Grösse stark an. Durch ein Enzym, das die Mikroorganismen freisetzen, wird dieser Wachstumsprozess um bis zu 1‘000 Mal beschleunigt. So können beispielsweise Klippen innert weniger Tagen oder sogar Stunden stabilisiert werden.

Mobile Spritzeinrichtung für Baustellen

Die biomineralbasierte Lösung konnte das Team bereits 2018 im Kanton Waadt bei einer instabilen Sandsteinklippe testen, deren Oberfläche durch Wind und Regen stark erodiert war. Nach der Behandlung wurden geophysikalische Messungen und seismische Untersuchungen durchgeführt, die erfolgreiche Resultate erbrachten. So passierten beispielsweise Stosswellen, die durch den Boden gesendet wurden, nach dem Mineralisierungsprozess fast doppelt so schnell als zuvor. Laut der EPFL-Mitteilung weist dies daraufhin, dass der Boden kompakter und im Falle eines Erdbebens weniger anfällig für Beschädigungen ist.

Der Stabilisierungsprozess von Medusoil ist einfach: Die Mischung wird in regelmässigen Abständen durch Rohre in den Boden injiziert. Kommt es mit Kalzium in Kontakt, bildet es unter der Oberfläche Calcit, ein Hauptbestandteil vieler Arten von Sedimentgesteinen. Der Prozess könne auch bei Bodenbewehrungs- oder Bauprojekten angewandt werden. Bereits geringe Mengen an Calcit könnten eine ausreichende Partikelelastizität erzeugen, um den durch ein schweres Erdbeben entstehenden Schubspannungen standzuhalten.

Neben der Stabilisierung von Hängen könne die Lösung ausserdem auch an bestehenden Fundamenten eingesetzt werden. Mit noch konzentrierterem Calcit-Gehalt könnten die in der Lösung enthaltenen Biominerale laut den Forschern auch als Baustoff oder zur Bodenversiegelung eingesetzt werden. Mittlerweile hat Medusoil eine Einrichtung zur Grossproduktion des Stabilisierungs-Destillats sowie eine mobile Spritzeinheit eingerichtet, die direkt auf Baustellen ausgeliefert werden kann. (mgt/pb)

Weitere Informationen: www.medusoil.com

Zur Mitteilung der ETH Lausanne: actu.epfl.ch/news/stabilizing-a-cliff-using-biomineral-binders

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