Hitzeresistente Ziegel für die erste industrielle Produktionsanlage für Solartreibstoffe
Im deutschen Jülich befindet sich die weltweit erste industrielle Produktionsanlage für Solartreibstoffe. Hinter der Anlage steht das ETH-Spin-off Synhelion, das für diese mit der Empa Ziegel entwickelt hat, die 1200 Grad widerstehen. Bislang sind laut Empa keine der auf dem Markt erhältlichen Hochtemperaturziegel für derartige Bedingungen gedacht gewesen.
Quelle: Empa
Keramikproben aus unterschiedlichen keramischen Materialien, bevor sie den korrodierenden Bedingungen ausgesetzt worden sind.
Den CO₂-Kreislauf schliessen, in dem klimaschädliches Kohlendioxid zurück in Kerosin, Benzin oder Diesel umgewandelt wird: Dies ist die Idee von Synhelion. Das ETH-Spin-off nutzt die Wärme der Sonne, um aus CO₂ und Wasser synthetische Treibstoffe- sogenannte Synfuels - herzustellen. Im nordrhein-westfälischen Jülich hat Synhelion vergangenen Juni mit «DAWN» die weltweit erste industrielle Anlage zur Produktion von Solartreibstoffen eröffnet. Dass die Anlage rund um die Uhr betrieben oder vielmehr auch nachts betrieben werden kann, verdankt sie auch einer Zusammenarbeit mit dem Empa-Labor für Hochleistungskeramik.
Damit «DAWN» aus CO₂ und Wasser wieder Treibstoffe herstellen kann, braucht die Anlage in allererster Linie Energie: Ein grosses Spiegelfeld fokussiert das Sonnenlicht auf einen einzigen Punkt am Solarstrahlungsempfänger. Darin befindet sich Wasserdampf, der durch die geballte Energie der Sonne eine Temperatur von bis zu 1200 Grad Celsius erreicht. Mit dieser Hochtemperatur-Prozesswärme wird der «DAWN»-Reaktor am Laufen gehalten. Die überschüssige Wärme wird gespeichert in einer mehrere Kubikmeter grossen Kammer, gefüllt mit Spezialziegeln. Diese Ziegel – eine gemeinsame Entwicklung der Empa und von Synhelion – dienen als Zwischenspeicher für die enorme Hitze. Über Nacht ist es dieser «Wärmevorrat», mit dem der Reaktor betrieben wird.
Hitzresistenter Ziegel der Superlative gesucht
Allerdings: Ziegel ist bei 1200 Grad nicht gleich Ziegel. Hierin lag auch die Herausforderung. Denn bei direktem Kontakt mit dem ultrahocherhitzten Wasserdampf korrodiert selbst Keramik. Keine der auf dem Markt erhältlichen Hochtemperaturziegel seien für diese Bedingungen gedacht gewesen, heisst es in der Medienmitteilung der Empa.
Quelle: Empa
Nach bis zu 500 Stunden im Ofen zeigen viele der Materialien sichtbare Anzeichen von Korrosion.
Daher kam Synhelion auf die Empa zu. «Die Forschungsgruppe um Empa-Forscher Gurdial Blugan ist eine der wenigen, die sich mit dem Korrosionsverhalten von Keramik bei derart hohen Temperaturen befasst», erklärt Lukas Geissbühler, Head Thermal Systems bei Synhelion. In der Folge machten sich Blugan und die Sena Yüzbasi von der Emap während eines zweijährigen, von der Innosuisse geförderten Projekts mit Synhelion auf die Suche nach der perfekten Keramik. Dabei war jedoch die Korrosionsbeständigkeit nur ein Aspekt. Denn das Material sollte zudem eine hohe Wärmekapazität aufweisen, mechanisch robust sein und Temperaturschocks widerstehen, die beim Herunterfahren der Anlage entstehen können. Zuletzt sollte es günstig in der Herstellung sein. Denn die Anlage sei für Synhelion nur der Anfang, schreibt die Empa.
Somit entwarf das Forschungsteam zusammen mit der Werkstatt der Empa und Synhelion einen eigenen Hochtemperatur-Rohrofen. Darin setzten man unterschiedliche Keramikproben während bis zu 500 Stunden der korrodierenden Wasserdampfatmosphäre aus. Schliesslich fand man ein Material, das den extremen Bedingungen stand hält. In der Folge wurde die Zusammensetzung des Materials perfektioniert und der Herstellungsprozess optimiert, um die Eigenschaften weiter zu verbessern und die Kosten zu senken. Darauf wurden die Ziegel von einem Partnerunternehmen in Deutschland hergestellt und in «DAWN» verbaut. «Als Forscherin erlebt man nicht oft, dass die eigene Forschung auf so einer Skala angewandt wird – das ist eine einzigartige Erfahrung», freut sich Yüzbasi, sie ist mittlerweile selbst im Energiesektor tätig ist.
Weitere grössere Synhelion-Anlage in Spanien
Während «DAWN» den Betrieb aufnimmt, planen Synhelion und die Empa das nächste gemeinsame Projekt. Für die weiteren Anlagen wollen sie das Material weiterentwickeln und noch beständiger machen. Die zweite Synhelion-Anlage zur Produktion von Solartreibstoff soll ab 2025 in Spanien entstehen. Das Ziel: noch grössere Speicher, noch höhere Temperaturen. Denn je höher die Temperatur, umso effizienter wird die Treibstoffherstellung. (mgt/mai)