Handwerk: Kalkbrennerei im Freilichtmuseum Ballenberg
Gebrannter Kalk war früher Grundlage für Anstriche oder diente als Bindemittel. Schliesslich geriet seine Herstellung beinahe in Vergessenheit. Das Freilichtmuseum Ballenberg stellt an den Europäischen Denkmaltagen die Kalkbrennerei vor. Dass man sich hier schon relativ mit dem alten Handwerk befasst, hat praktische Gründe.
Quelle: Ballenberg
Wird wieder entdeckt: Kalk und die Kalkbrennerei.
Einst alltägliches Baumaterial, heute wieder entdeckt: Gebrannter und gelöschter Kalk war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wichtigstes Bindemittel für die Herstellung von Mörtel und Putz, zudem diente er als Basis für Anstriche. In fast jedem Dorf gab es jemanden, der die Technik des Kalkbrennens (siehe Kasten) beherrschte. Schliesslich lösten Industriezement und chemische Farbstoffe den Kalk ab. Aber mittlerweile erlebt er eine Renaissance, sei es beim ökologischen Neubau oder in der Denkmalpflege.
Wer miterleben will, wie Kalkbrennerei funktioniert, kann dies unter anderem im Freilichtmuseum Ballenberg; Seit bald zwanzig Jahren ist sie eine von vielen historischen Handwerkstechniken, die hier gepflegt und demonstriert werden. Dies sei eine Pionierleistung, die in der Schweiz massgeblich zur Kalk-Renaissance beigetragen habe, heisst es beim Freilichtmuseum. Dass man sich im Museum schon so lange damit beschäftigt, hat konkrete Gründe: Für den Unterhalt der historischen Museumsgebäude wurde dringend Kalk benötigt, allerdings war er in den1990er-Jahren auf dem Schweizer Markt nicht in ausreichender Qualität erhältlich. Und so begann man selbst Kalk zu brennen – das Experiment glückte.
Grundlagen der Kalkbrennerei kennenlernen
An den Europäischen Denkmaltagen vom kommenden Wochenende können Interessierte am Sonntag auf dem Ballenberg die Grundlagen des Kalkbrennens kennenlernen. Zunächst stellen Fachleute das Material vor: Es geht um Kalk, Zement und Gips als Material, danach um Bauen und um die Kalkbrennerei auf dem Ballenberg. Anschliessend wird Kalk gelöscht, Kalkfarbe angerührt und die Trotte aus Schaffhausen SH geweisselt. Das Freilichtmuseum lädt die Besucher ein, zu helfen und das Baumaterial kennenzulernen. Am Ende soll die Trotte aus Schaffhausen SH wieder kalkweiss leuchten. (Weitere Informationen zum Programm: www.ballenberg.ch) (mai/mgt)
Europäische Tage des Denkmals: Sie finden alljährlich statt, heuer am 14. und 15. September. Diesjähriges Thema: „Farben“. Und so stehen in der ganzen Schweiz an über 400 Orte an rund 1000 Veranstaltungen politische, historische oder ästhetische Aspekte von Farben im Zentrum. Unter anderem kann man in die Atmosphäre farbiger Innenräume eintauchen, Klangfarben hören, die Lieblingsfarbe mischen oder als Weltkulturerbe ausgezeichnete Werke und Kulturstätten näher kennen lernen. Informationen zu den einzelnen Anlässen finden sich auf www.hereinspaziert.ch: Auf einer interaktiven Karte kann man sich Veranstaltungen in der eigenen Region anzeigen lassen. (mgt/mai)
Kalk – gelöscht und eingesumpft
Das Grundprinzip bei der Kalkmörtelherstellung besteht darin, den rohen Kalkstein so aufzubereiten, dass er mit Sand und Wasser zu einem Bindemittel angerührt werden kann: plastisch als Mörtel, flüssiger als Anstrich. Dazu muss das Kalkgestein gebrannt werden.
Der rekonstruierte Kalkofen des Freilichtmuseums Ballenberg fasst sechs bis sieben Kubikmeter Kalkgestein, jeder Brand erfordert über zwanzig Ster Holz. Nach einer Aufheizphase wird das Kalkgestein innert dreier Tage auf 1000 Grad Celsius erhitzt. Dann beginnt das Kohlendioxid im Stein zu entweichen. Ausgekühlt oder vielmehr als sogenannter Brandkalk haben die Kalksteine drastisch an Volumen, Gewicht und Festigkeit verloren und müssen nun für die Lagerung «gelöscht» werden. Sie werdem mit Wasser übergossen und lösen sich schliesslich vollends auf. Sie ergeben nun eine Teigmasse, die „eingesumpft“ wird, das heisst, in einer Sumpfgrube feucht gelagert wird. Beim Löschen erwärmt sich Masse wie von Zauberhand, sie dampft und zischt – ein Spektakel. (mai/mgt)