Cool und günstig: Werkzeug für das Design von kalt gebogenem Glas
Gebogenes Glas für Glasfassaden ist günstiger, wenn es kalt gebogen wird. Allerdings ist diese Methode äusserst anspruchsvoll, was das Design und die dafür nötigen Berechnungen betrifft. Ein Internationales Wissenschaftsteam will dies mit einer Software ändern.
Quelle: Ruslan Guseinov / IST Austria
Mit dem Tool kann ein ursprüngliches Konzept leicht angepasst und so eine Glasfassade geschaffen werden, die sich mittels Kaltbiegen hergestellen lässt.
Gebogene Glasfassaden können so atemberaubend wie teuer
sein. In der Regel werden Scheiben solcher Gebäudehüllen durch „Heissbiegen“
hergestellt: Das Glas wird erhitzt und dann in Form gebracht. Allerdings ist
dieses Verfahren sehr energieintensiv, zudem fällt viel Abfall an. Eine
günstigere Alternative ist kaltgebogenes Glas: Flache Glasscheiben werden
direkt auf der Baustelle an Rahmen befestigt. Wegen der Zerbrechlichkeit des
Materials ist es jedoch äusserst schwierig, eine Form zu finden, die ästhetisch
anspricht und machbar ist.
Über eine Million Simulationen mit kaltgebogenem Glas
Ein internationales Wissenschaftsteam der IST Austria, der
TU Wien, der Universität Rey Juan Carlos in Madrid und der König Abdullah
Universität in Saudiarabien hat eine Software entwickelt, mit der sich kalt
gebogene Glasfassaden einfach entwerfen lassen. Sie basiert auf über einer
Million Simulationen, die die Wissenschaftler durchgeführt und aus denen sie
eine Datenbank möglicher gebogener Glasformen erstellt haben: Die Fassade kann
am Bildschirm gestaltet oder vielmehr interaktiv manipuliert werden. Parallel
dazu gibt das Programm Rückmeldung, ob sich das gewünschte Design herstellen
lässt und liefert mehrere mögliche Glasformen. Je nachdem kann der Entwurf
angepasst oder automatisch optimiert werden.
„Es ist zwar möglich zu berechnen, wann ein einzelnes Paneel
bricht, oder eine Sicherheitsmarge für zusätzliche Lasten zu simulieren, aber
die gesamte Fassade, die oft Tausende von Paneelen umfasst, ist einfach zu
komplex für herkömmliche Designerwerkzeuge“, erklärt Ruslan Guseinov, Postdoc
am IST. Ausserdem dauert es laut Guseinov auch ganz einfach zu lange, wenn
Spannungen und Verformungen für jede Designänderung mit herkömmlichen Methoden
kalkuliert werden müssen.
Wirtschaftliche, ästhetische und technische Kriterien
Um die Genauigkeit der Simulationen zu überprüfen, fertigte
das Forschungsteam Rahmen und Glasplatten an, die unter extrem hoher Belastung
standen. Alle Glaspaneele waren wie erwartet herstellerbar, im Extremfall
stellten die Wissenschaftler lediglich eine minimale Abweichung von den
vorhergesagten Formen von weniger als einer Paneeldicke fest.
„Wir glauben, dass wir ein neuartiges, praktisches System geschaffen haben, das geometrisches und fertigungsgerechtes Design miteinander verbindet und es ermöglicht, effizient ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen, ästhetischen und technischen Kriterien zu finden“, ist Bernd Bickel, Professor am IST, überzeugt. Laut Bickel und seinen Kollegen könnte das Pogramm in Zukunft um zusätzliche Funktionen für praktisches Architekturdesign erweitert oder zur Erforschung verschiedener Materialien und komplexerer mechanischer Modelle eingesetzt werden. (mai/mgt)