Gebäudetechnik-Kongress: Wege in eine klimaneutrale Zukunft
Klimafreundliche Gebäude sind ein Gebot der Stunde, und die Gebäudetechnik leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Doch wirklich nachhaltig werden unsere Bauten erst, wenn sie dereinst sortenrein rückgebaut und wiederverwendet werden können.
Die Vorgabe des Bundesrates ist klar: Bis 2050 muss die Schweiz klimaneutral sein, also ihren Ausstoss an Kohlendioxid auf null senken. Da unsere Gebäude neben dem Verkehr wichtige Emittenten des klimaschädlichen Gases sind, ist die Branche herausgefordert.
Die Materialien und Bauweisen müssen umweltfreundlicher werden, und wir müssen beim Betrieb unserer Wohn- und Arbeitsgebäude den CO2-Ausstoss massiv senken. Gefordert ist auch die Gebäudetechnik, die Wege in eine klimaneutrale Zukunft aufzeigen muss.Die Technologie befindet sich schon seit längerem in einem Wandel hin zu nachhaltigen Energiequellen. «Wir kommen in eine neue Phase dieses Wandels», konstatiert Adrian Altenburger in der Grussbotschaft zum Gebäudetechnik-Kongress.
Der SIA-Vizepräsident sieht den Wandel von drei Trends geprägt: Dekarbonisierung, Digitalisierung und Dezentralisierung. Deshalb seien Fach- und Prozesskompetenz, solide Ausbildung und vernetztes Denken für die Branche wichtiger denn je. Zwar erlasse die Politik Vorschriften, «doch diese müssen wir als Gebäudetechniker umsetzen.»
Bestand von 2050 wird jetzt gebaut
Peter Richner, stellvertretender Direktor der Empa, widmet sich dem Zeithorizont, den der Bundesrat für die Klimaneutralität vorgegeben hat. «Wir bauen heute den Bestand von 2050. Dann muss die Schweiz laut Bundesrat CO2-neutral sein.» Aus dieser Perspektive gehe es um Betriebsenergie und um kreislaufgerechtes Bauen.
Im Hinblick auf künftige Eingriffe in den Bestand müssten wir einen Zeithorizont von 30 Jahren überblicken. Heute erstellte Neubauten müssen spätestens nach ihrer ersten Sanierung energieneutral sein. «Kreislaufgerechtes Bauen ist deshalb das Gebot der Stunde. Wir brauchen CO2-negative Technologien».
Hierfür müsse die Bauwirtschaft das «Urban Mining» verstärken und Gebäude als temporäre Materiallager betrachten. «Wir sollten die Lebensdauer der Bauteile anschauen: Was heute verbaut wird, muss in 30 Jahren sortenrein rückgebaut werden können. Wir stellen heute die Weichen, ob wir 2050 nachhaltig wirtschaften können.»
Deshalb sei das Gebäude eine Art Lager, woraus man Stoffe entnehme, sie eine Weile benutze und dann wieder dem Kreislauf zurückgebe. «Mit dieser Optik erreichen wir auch eine maximale Modularisierung und Vorfertigung beim Bau.»
Quelle: zvg
Noch blasen wir pro Jahr zu viel Kohlendioxid in die Atmosphäre. Die Schweiz will bis 2050 den Ausstoss ganz reduzieren, wobei die Baubranche dazu ihren Beitrag wird leisten müssen. Das betrifft sowohl den Bau und die verwendeten Materialien als auch den Betrieb und die Gebäudetechnik.
Stromlücke droht
Richner verweist auf ein Forschungsprojekt im Rahmen des NEST-Modulbaus in Dübendorf. «Hier wurden innerhalb von zwei Tagen 124 Quadratmeter Wohnfläche eingebaut.» Zwei Personen haben dies erledigt, jeder nur mit einem Akkuschrauber ausgerüstet. «Es wurde nicht geschweisst und nichts geklebt. Dafür alles am ersten Tag eingebaut und am zweiten die Fassade dicht gemacht. So baut man heute.»
Ein Problem sieht Richner in der forcierten Elektrifizierung unserer Gebäude. «Durch den erhöhten Strombedarf müssen wir im Winter immer wieder auf Importe zurückgreifen.» Als Beispiel führt er den Winter 2017/18 an: Damals wurden 20 Prozentunseres Endverbrauchs im Ausland zugekauft. «Das ist die doppelte Jahresproduktion des soeben stillgelegten AKW Mühleberg. Deshalb erstaunt es nicht, dass das Bundesamt für Energie Szenarien betrachtet, bei denen die verbliebenen Atomkraftwerke zehn Jahre länger am Netz bleiben.»
Wärme dekarbonisieren
Die Baubranche, so Richner abschliessend, müsse sich hin zu geschlossenen Kreisläufen entwickeln, müssen digital und intelligenter werden, mit viel mehr Vorfertigung arbeiten und dabei hohe Qualität erzielen. Und vor allem sei der Kohlendioxidausstoss bei der Gebäudetechnik in den Griff zu bekommen: «Wir müssen die Wärmeerzeugung dekarbonisieren und den Bedarf weiter reduzieren.» Richner sieht die Branche immerhin auf dem richtigen Weg. «Verglichen mit der Mobilität, deren Emissionen sogar noch am Steigen sind, ist der Gebäudesektor sehr gut auf Kurs.»
Barbara Frei, Executive Vice President bei Schneider Electric Europe Operations, widmet sich ebenfalls der drohenden Stromlücke. «In den nächsten Jahrzehnten wird der Strombedarf wegen der Elektrifizierung ganzer Sektoren wie der Mobilität massiv ansteigen.» Laut heutiger Prognose sei mit einer Verdoppelung des Bedarfs in den nächsten 40 Jahren zu rechnen. «Aber wir sprechen zu oft über die Stromproduktion. Der Fokus sollte vielmehr auf dem Verbrauch liegen.»
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