Forscher entwickeln vorgespannte Pflaster für die Sanierung alter Bauten
Seit vielen Jahren werden sanierungsbedürftige Betonbauwerke mit kohleverstärktem Kunststoff stabilisiert. Forscher der Empa arbeiten in Dübendorf derzeit an einer neuen Variante für diese Technologie – mit vorgespannten Lamellen.
Quelle: S&P Clever Reinforcement Company AG
Sanierung einer der Autobahnbrücken zwischen Küssnacht und Brunnen SZ: Im Oktober 2018 wurden Betonträger erstmals mit CFK-Lamellen mit der Ebrog-Methode verstärkt – allerdings noch ohne Vorspannung.
Durchgebogene Betonbalken, Risse an Unterseiten von Brücken, Rostgefahr für die Armierung: In der Schweiz sind viele Bauwerke in die Jahre gekommen, wie die Empa in einer Mitteilung von Dienstag schreibt. Ein Beispiel hierfür seien die Nationalstrassen: Laut dem Astra-Zustandsbericht 2019 wurde ein grosser Teil der Brücken von Mitte 1960 bis 1980 errichtet – und damals noch für deutlich geringere Verkehrsbelastungen als heute.
CFK-Lamellen werden in Rillen eingesetzt
Für die Sanierung von Tragwerken, die unter ihren Lasten ächzen, würden seit langem kohlefaserverstärkte Kunststoffe (CFK) eingesetzt, wie die Empa erklärt. Dies in Form von flachen Lamellen, die auf die Unterseite geklebt werden und so der Belastung entgegenwirken. Bei der sogenannten «Ebrog»-Methode werden dazu vorab schmale Rillen in Längsrichtung in den Träger gefräst, wodurch mehr Fläche für die Kraftübertragung entsteht, die zudem tiefer in den Beton hineinwirkt. Dieses Verfahren kam gemäss Mitteilung erstmals 2018 bei einer Brückensanierung in Küssnacht zum Einsatz.
Nun entwickeln Forschende der Empa die Methode in einem Innosuisse-Projekt gemeinsam mit dem Industriepartner S&P Clever Reinforcement Company in Seewen SO weiter. Das Team um Christoph Czaderski von der Forschungsabteilung «Ingenieur-Strukturen» testet darin vorgespannte CFK-Lamellen, die Betonbalken aktiv verstärken: Sie werden unter Zugspannung mit Epoxidharz aufgeklebt. Ist die Verbindung erhärtet, werden die Enden entspannt – und die Streifen, die sich zusammenziehen «wollen», wirken der Durchbiegung noch stärker entgegen.
Quelle: Empa
Epoxidharz als Kleber für CFK-Lamellen: Empa-Forscherin Niloufar Moshiri und Industriepartner Martin Hüppi bei den Vorbereitungen.
Zugkräfte von bis zu 14 Tonnen
Was zunächst simpel klinge, sei im Detail knifflig – insbesondere an den Enden der Streifen, an denen gewaltige Zugkräfte von bis zu 14 Tonnen wirken würden. Damit diese nicht abreissen, müssen sie zuverlässig fixiert sein. Bislang wird dies mit Aluminiumplatten sichergestellt, die geklebt und mit Dübeln gesichert sind. Das Team der Empa hat für die neue Methode nun aber eigens U-förmige Bügel aus CFK entworfen. Die Vorteile dieser Bügel: Eine präzisere Übertragung der Kräfte und vor allem eine metallfreie Konstruktion – die damit immun gegen die gefürchtete Korrosion sei.
«Eine Lösung aus einem einzigen Material ist immer besser als aus zweien, die sich unterschiedlich verhalten», erklärt Czaderski in der Mitteilung. Gerade für die Verankerung habe man im Labor viele Versuche gemacht. Das Team profitierte dabei von Erfahrungen an der «Isfahan University of Technology» im Iran. «Dort wurde viel Grundlagenforschung gemacht», so Czaderski. «Unsere Postdoc-Mitarbeiterin Niloufar Moshiri kam mit der Idee zu uns, das Ebrog-Verfahren mit Vorspannung zu kombinieren.»
Das Potenzial der neuen Methode sei gross, wie Versuche im Labor zeigen würden. So erhöhe das Verfahren mit Vorspannung und CFK-Bügeln die Belastungsfähigkeit einer Betonplatte um 77 Prozent gegenüber der «klassischen» Verstärkungsmethode ohne Rillen und Vorspannung. Selbst ohne Vorspannung waren es noch 34 Prozent, wie aus der Mitteilung hervorgeht.
Grossversuche mit Betonplatten
Um die Technologie marktreif zu machen, sollen zunächst Grossversuche an Betonplatten mit einer Spannweite von sechs Metern weitere Erkenntnisse liefern. Danach soll 2021 ein reales Sanierungsprojekt folgen. Beim Industriepartner arbeite man derweil bereits an praktischen Aspekten. Für die U-Bügel – die bislang in Handarbeit aus Karbonprofilen geformt werden – entwickeln die Fachleute ein industrielles Verfahren. Und die Ausrüstung, mit der die Lamellen bislang vorgespannt werden, «müssen wir für das neue Verfahren umdesignen», erklärt Martin Hüppi, der das Projekt bei S&P leitet.
All das seien Mühen, die sich lohnen könnten, wie die Empa weiter schreibt. Denn jedes Bauwerk, das saniert und nicht neu errichtet wird, spart Kosten und CO2-Emissionen ein. Zudem wäre das Verfahren beim Einbau leichter und schneller zu handhaben. «Es wäre auch preislich für Bauherren vertretbar», sagt Hüppi, der gute Chancen für Anwendungen sieht – nicht nur bei gealterten Grossbauwerken wie Brücken, sondern auch bei Sanierungen im Wohnungsbau. «Ich sehe dafür absolut einen Markt», sagt Hüppi, «und mit der Vorspannung nutzt man das Potenzial des Materials ja erst voll aus.» (mgt/pb)
Weitere Informationen: www.empa.ch