Forscher entwickeln Gummi-Beton aus alten Reifen für Wohnungsbau
Australische Forscher haben einen Beton für den Wohnungsbau entwickelt, für den ausgediente Pneus rezykliert werden. In der Praxis konnte sich der Baustoff nun beweisen: Er ist belastbarer, als herkömmlicher Beton.
Quelle: Santeri Viinamäki wikimedia CC BY-SA 4.0
Ausgediente Auto-Reifen: Derzeit wird an verschiedenen Ansätzen geforscht, um diese für Beton wiederzuverwenden.
Die Kombination aus Beton und alten Reifen ist nicht neu. Weltweit verfolgen Forscher verschiedenste Ansätze in diesem Bereich. So stellten etwa vor rund zwei Jahren Wissenschaftler des Royal Melbourne Institute of Technology (RMIT University) bereits ein neues Material vor, das aus einem Mix aus Recycling-Beton-Granulat (RCA) und Gummi bestand. Dieses sollte nach Ideen des Teams für den Unterbau von Strassen genutzt werden können.
Bodenplatten auf Uni-Campus gegossen
Einen weiteren Ansatz für das Recycling von ausgedienten Reifen fanden Wissenschaftler der University of South Australia (UniSA). Ihr Material sollte jedoch anders als jenes der Kollegen des RMIT nicht im Strassen- sondern im Wohnungsbau eingesetzt werden. In einer neuen Studie im Fachmagazin «Structures» wurden nun die Ergebnisse eines langjährigen Praxistests mit dem Gummi-Beton publiziert. Die Wissenschaftler arbeiteten dafür mit den Kollegen vom RMIT zusammen.
Um die praktische Anwendung für den Bau von Wohngebäuden zu testen, wurden 2018 auf dem Campus der UniSA zwei jeweils mit dem Gummi-Baustoff verstärkte Betonplatten sowie zwei herkömmliche Betonplatten gegossen. Die Platten befanden sich dabei laut einer Mitteilung der Hochschule bei einem stark frequentierten Tiefbaulabor, wodurch das Team die Leistung der Materialien im Laufe der Zeit genau beobachten konnte.
Krümelgummi-Beton im Wohnungsbau
Das neuartige Material wird im Communiqué als «Krümelgummi-Beton» bezeichnet. Und genau das ist es auch: Für seine Herstellung werden Gummireifen zerkrümelt, wobei eine Art Sand entsteht. Anschliessend wird mit diesem ein bestimmter Anteil der Menge Sand ersetzt, die es normalerweise braucht, um daraus mit Zement, Wasser und anderen Bestandteilen Beton herzustellen.
Die Ergebnisse des langjährigen Praxistests sind positiv. «Wir haben festgestellt, dass bewehrter Krümmelgummi-Beton mit bis zu 20 Volumenprozent Sandersatz konventionellem Beton in mancher Hinsicht überlegen ist», erklärt Studienautor Osama Youssf. So weise das Material eine höhere Schlagfestigkeit, Belastbarkeit und Dehnbarkeit auf, aber auch einen höheren Dämpfungsgrad sowie eine bessere Wärme- und Schalldämmung auf und sei leichter.
Jedes Jahr 51 Millionen Reifen auf Deponien
Faktoren wie Schlagfestigkeit und Belastbarkeit sprächen für die Langlebigkeit des Betons, heisst es weiter in der Medienmitteilung. Für das Team sei dies von zentraler Bedeutung, da die Herstellung von Beton kohlenstoffintensiv sei und die Umwelt von einem Material, das Risse bekomme und in der Folge ersetzt werden müsse, noch mehr belastet werde. Die Herstellung langlebigerer Beton-Formen und die Verwendung von alten, biologisch nicht abbaubaren Reifen könnten laut der Hochschule daher in mehrfacher Hinsicht von Vorteil sein.
Für Australien könnte sich durch das neue Material ein dringend benötigter neuer Markt für Altreifen eröffnen, wie die Universität weiter berichtet. Dort landen gemäss Mitteilung jedes Jahr etwa 51 Millionen Reifen auf Mülldeponien. Durch das Recycling von Altreifen in Beton könnten wertvolle natürliche Ressourcen geschont und das Problem der Reifendeponien teilweise gelöst werden.
Die Wissenschaftler empfehlen der Betonindustrie in Australien deshalb, den Krümmelgummi-Beton im Wohnungsbau als nachhaltige Alternative zu konventionellem Beton in Betracht zu ziehen. (pb)
Zur Mitteilung der University of South Australia: www.unisa.edu.au
Zur Studie im Fachmagazin «Structures»: www.sciencedirect.com
Lesetipp: Ausgediente Reifen für Asphalt in der Schweiz?
Quelle: Gian Vaitl / Empa
Belastungstest: Seit Oktober 2020 liegt zu Testzwecken Gummi-Asphalt an einer viel befahrenen Kreuzung in Zürich.
Im Asphalt anderer Länder steckt längst Gummi aus Altreifen. Und das Konzept wird auch in der Schweiz verfolgt: Die Empa beleuchtet die Idee im Rahmen eines Innosuisse-Projekts gemeinsam mit Partnerfirmen für Schweizer Verhältnisse. Dafür wurden unter anderem Teststrecken mit speziellen Asphaltmischungen mit Gummigranulaten durchgeführt, etwa in den Kantonen Jura, Waadt und Zürich.