Fachleute befürchten „Zerstörung“ des Konvikts Chur
Ab August wird das Konvikt Chur saniert. Doch kurz vor Baustart verlangen der Bund Schweizer Architekten (BSA) der SIA, der Bündner Heimatschutz und weitere Fachleute vom Kanton, einen „unverzüglichen Marschhalt“ einzulegen und das Projekt zu überdenken. Sie befürchten, dass das Baudenkmal zerstört wird.
Quelle: Kecko, CC BY 2.0, Wikimedia
Gilt als Architekturikone: das Konvikt Chur.
Wie eine kleine Festung ragt das Konvikt Chur oberhalb der Stadt zwischen den Bäumen hervor. Der von 1966 bis 1968 errichtete Sichtbetonbau gilt als eines der wichtigsten Werke Otto Glaus‘. Entsprechend viel Fingerspitzengefühl ist bei der anstehenden Sanierung gefragt. Für das Projekt hatte der Kanton einen Gesamtleistungswettbewerb ausgeschrieben, den das Team der Implenia 2016 für sich entscheiden konnte. Das Bündner Hochbauamt hatte dem Vorschlag einen „respektvollen und sensiblen Umgang“ mit der bestehenden Bausubstanz attestiert. Bauliche Eingriffe seien darum minimiert und beschränkten sich auf das Notwendige.
Doch nicht jeder teilt die Ansicht des Hochbauamts. Der BSA fordert zusammen mit dem SIA und dem Bündner Heimatschutz vom Kanton sowie weiteren Fachleuten, „einen unverzüglichen Marschhalt“ einzulegen. Dies, um „die Zerstörung eines kantonseigenen Baudenkmals von nationaler Bedeutung zu verhindern.“ Bei dem Bau handle sich um eines der ganz seltenen Beispiele eines weitestgehend intakt gebliebenen Gesamtkunstwerks der 1960er-Jahre. So tragen auch die Möbel die Handschrift des Architekten.
Totalersatz der Fenster
BSA, SIA und der Heimatschutz kritisieren, dass der denkmalpflegerische Ansatz bei dem Projekt zu wenig konsequent angewandt wird: Unter anderem bemängeln sie den Totalersatz der Fenster und der damit zusammenhängenden Ausbau der Haustechnik. „Es gilt auf jeden Fall massgeschneiderte Lösungen zu suchen und Vorgaben, die für Neubauten entwickelt wurden, hintenan zu stellen, gilt doch der Grundsatz der höchstmöglichen Schonung der originalen Substanz“, schreiben die Organisationen in ihrer Medienmitteilung.
Unverständlich ist ihnen auch die Kompletterneuerung der Zimmer der Bewohner. Die von Otto Glaus bis zur Möblierung durchgestalteten Wohnzellen würden mit der Sanierung zu „Allerweltsräumen ohne jeden Bezug zum übrigen Gebäude“. Die Argumente, dass die erneuerten Zimmer einfacher im Unterhalt sind und dass sich der Geschmack der Schüler gewandelt hat, lassen sie nicht gelten. Mit dem aktuellen Sanierungsprojekt werden laut BSA und Co. kulturelle Werte unwiederbringlich zerstört.
„Grosse Bemühungen“ des Kantons für den Erhalt des Konvikts
Die Organisationen räumen ein, dass das Projekt auch positive Seiten hat. Sie anerkennen „die grossen Bemühungen“ des Kantons für den Erhalt des Konvikts, ebenso, dass ein Wettbewerb für das Bauvorhaben durchgeführt worden ist. Lob findet unter anderem der Plan, dass die Sichtbetonfassade nur punktuell instandgesetzt und nicht gesamthaft erneuert wird. Dasselbe gilt für die Sanierung von Korridoren und Treppenhäusern, wo auf stilprägende Elemente von Boden, Wand und Decke Rücksicht genommen werden soll. (mai)